Streaming Die Neuadaption der Serie „Shōgun“ mit größtenteils japanischen Darsteller:innen will die eingefahrenen Orient-Fantasien des Westens vermeiden – und erntet in Japan viel Beifall dafür
Von der Kritik hochgelobt: Kinostar Hiroyuki Sanada spielt die Rolle des Lord Toranaga
Foto: Disney+
Man kann verstehen, dass man in Japan zurückhaltend reagierte, als Disney die Serie Shōgun, eine zehnteilige Neuadaption von James Clavells Erfolgsroman aus dem Jahr 1975, ankündigte. Von wenigen Ausnahmen abgesehen liefen Hollywoods Darstellungen von Japan und den Japanern stets auf eindimensionale Figuren hinaus, deren Zweck es war, kulturelle Stereotype zu affirmieren, von wegen „undurchschaubare“ Insel, deren Bewohner stets viel vom westlichen Helden lernen mussten. Doch Shōgun scheint mit genau dieser Tradition zu brechen. Die High-Budget-Serie auf Disney+ wird in Japan nicht nur für ihre aufwendige Produktion und die Besetzung mit prominenten japanischen Stars gelobt, sondern auch für den Respekt, den sie den Details aus Kultur und Politik de
Kultur und Politik des Landes entgegenbringt.Ähnlich, wie man es aus anderen Filmen mit Japan-Thematik kennt – Sofia Coppolas Lost in Translation (2003) oder der Tom-Selleck-Sportkomödie Mr. Baseball (1992) –, setzt Shōgun auf eine Ost-trifft-West-Erzählung. Hier ist es die Ankunft des schiffbrüchigen Engländers John Blackthorne (Cosmo Jarvis), dessen Figur auf dem realen Abenteurer William „Anjin“ Adams basiert.Doch während die TV-Miniserie von 1980 mit Richard Chamberlain und Toshirō Mifune vor allem durch Blackthornes Augen erzählt wurde, findet sich in der Neuadaption die Rolle des japanischen Feudalfürsten wesentlich aufgewertet durch eine von der Kritik hochgelobte Darstellung des großen Schauspielers Hiroyuki Sanada. Die Einbeziehung eines japanischen Kinostars wie Sanada, der Lord Toranaga verkörpert, hat in der Tat das Interesse der Zuschauer in Japan geweckt.Während man Clavells Roman damit charakterisieren könne, dass „blaue Augen einen Blick auf Japan werfen“, setze die Serie „eine japanische Brille“ auf, beschrieb es Sanada kurz vor der Ausstrahlung der ersten Folgen Ende Februar. Im Gespräch mit Reportern in Tokio bekannte der Schauspieler, der auch als Produzent der Serie fungiert, dass für ihn Shōgun eine großartige Geschichte sei, „um der Welt unsere Kultur vorzustellen, also habe ich versucht, sie so authentisch wie möglich zu gestalten“.Die Serie spielt im Jahr 1600 während des historisch verbürgten Sengoku (Periode des Staatenkriegs) und thematisiert sowohl den Machtkampf in einem Land, das dabei ist, eine Epoche von 250 Jahren selbst gewählter Isolation hinter sich zu lassen, als auch die Rolle von Blackthorne, einem Beobachter, der darin zum politischen Spielball wird. Um zu gewährleisten, dass sich keine ästhetischen oder kulturellen Schnitzer einschleichen, wurden Spezialisten engagiert, die alles kritisch unter die Lupe nahmen – von der Sprache des frühen 17. Jahrhunderts über das Binden von Obi-Kimono-Gürteln bis hin zu den Feinheiten der Teezeremonie. Und obwohl Shōgun größtenteils in Kanada gedreht wurde, bietet die Serie so eine willkommene Abwechslung von den bisherigen internationalen Darstellungen Japans, nicht zuletzt deshalb, weil etwa 70 Prozent der Dialoge von einem überwiegend japanischen Ensemble auf Japanisch gesprochen werden.Zwar hat sich die Darstellung der Japaner seit Sean Connerys „Yellow Face“-Auftritt im Bond-Film Man lebt nur zweimal oder Mickey Rooneys Karikatur des kurzsichtigen Fotografen Yunioshi mit Überbiss in Frühstück bei Tiffany weiterentwickelt. Aber auch noch in jüngeren Filmen gab es orientalistische Fantasien, wie zum Beispiel die Dynamik zwischen dem „großen Ausländer“ und dem „kleinen Japaner“ in Lost in Translation, in dem eine Sexarbeiterin gegenüber Bill Murrays Figur den vermeintlichen „Sprachfehler“ der R/L-Verwechslung wiederholen muss, wenn sie ihn auffordert: „Lip my stockings“ (sic).Rob Marshalls Verfilmung Die Geisha (2005) nach Arthur Goldens Roman aus dem Jahr 1997 trug ebenfalls wenig dazu bei, die Fetischisierung asiatischer Frauen durch die Filmindustrie in Frage zu stellen. Ein Kritiker verglich den traditionellen Tanz einer der Darstellerinnen auf einer Bühne im Kyoto der 1930er Jahre mit „einer Stripshow in Los Angeles“.Mark Schilling, in Tokio als Filmkritiker ansässig, sieht in der Entscheidung der Shōgun-Produzenten, „die japanische Kultur zu respektieren und alles dafür zu tun, in der Serie die tatsächlichen Gegebenheiten der Zeit, der Orte und der Menschen zu reflektieren“, einen mutigen und richtigen Schritt. „Es macht mich auch zuversichtlich im Hinblick auf die Erfolgschancen der Serie in Japan selbst, wo die erste Shōgun-Serie von 1980, die sich ausschließlich an ein nichtjapanisches Publikum richtete, spektakulär scheiterte.“Justin Marks, der die Serie zusammen mit seiner Frau, der Schriftstellerin Rachel Kondo, geschaffen hat, betont, dass sie alles tun wollten, um nicht in die Falle der „White Saviour“-Trope zu geraten, in die frühere westliche Darstellungen Japans so oft getappt waren. Darsteller und Team hätten sich von der Idee leiten lassen, dass, „wenn wir eine Geschichte über die Begegnung von Ost und West machen wollen, wir eine neue Sprache dafür finden müssen, um die Fehler zu vermeiden, die in unserer kulturellen Vergangenheit beim Versuch, Japan darzustellen, gemacht wurden. Wir wollten vorsichtig und respektvoll vorgehen.“Anna Sawai, eine in Neuseeland geborene japanische Schauspielerin, die in der Serie die zum Christentum konvertierte Lady Toda Mariko spielt, bezeichnete Shōgun als „die erste wirklich authentische und akkurate Darstellung unserer Geschichte, Kultur und unseres Volkes“. Laut Sawai wurden asiatische und vor allem japanische Frauen bislang stets in Stereotype gezwängt: entweder das der „Sexy Lady“, der unterwürfigen Frau oder das der kalten Action-Heroine. „Ich will mehr Tiefe sehen, und ich denke, dass meine Figur der Mariko realistischer vermittelt, was die inneren Kämpfe der japanischen Frauen sind und was uns ausmacht (...), eine andere Art von Stärke, die in den westlichen Medien bislang nie wirklich gezeigt wurde.“Placeholder infobox-1Placeholder authorbio-1
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