Taylor Swift und Barbie: Wieso Männer der Gen Z Angst vor ihnen haben

Radikalisierung Eigentlich stehen Taylor Swift und Barbie für Pop und bunte Unterhaltung. Eine neue Generation Feminismus-feindlicher Männer hat sie zu ihren Gegnerinnen auserkoren
Taylor-Swift-Fan in London: Feminismus macht wütend – vor allem Männer
Taylor-Swift-Fan in London: Feminismus macht wütend – vor allem Männer

Foto: picture alliance/empics | David Parry

Taylor Swift ist vieles. Aber kaum einer ging (bis jetzt) davon aus, dass der Star zum personifizierten Schlachtfeld des US-Wahlkampfs werden würde. Aber umso länger man aber darüber nachdenkt, desto mehr ergibt das auf seltsame Art und Weise Sinn. Donald Trump und seine Verbündeten drohen mit einem bemerkenswert albern klingenden „heiligen Krieg“ gegen die Sängerin. Eine Sache wird dabei vor allem deutlich: Swift ist ein unaufhaltsames kulturelles Phänomen – mit großem Einfluss auf die amerikanische Psyche.

Taylor Swift verkörpert genau das, was viele junge Frauen heute sein wollen. Mächtig, zugleich fröhlich, finanziell unabhängig und offensichtlich nicht auf einen Mann angewiesen. Indes hat sie keinerlei Probleme, einen zu bekommen, wenn sie denn will. Dieser Typus Mann steht für all jene, die sich von einer Untergrabung der patriarchalischen Ordnung bedroht sehen.

Wie kann es Swift wagen, nicht das vermeintlich unvermeidliche Schicksal 34-jähriger Frauen zu erleiden, die noch nicht sesshaft geworden sind und noch kein Baby haben? Nämlich in der Panik zu leben, traurig, einsam und von Katzen umgeben zu sterben? (Obwohl Taylor Swift definitiv Katzen hat. Als sie mit einem ihrer Haustiere für das Cover der Time posierte, als dieses sie zur Person des Jahres kürte, sah sie alles andere als traurig aus). Mittlerweile sollte sie es bitter bereuen, so wählerisch gewesen zu sein und nicht unter den bewundernden Augen ihres American-Football-Freundes in überfüllten Stadien gespielt zu haben. Denn abgesehen von Trumps offensichtlicher Angst, dass sie Joe Biden unterstützen könnte, scheint eine kleine, aber wütende Minderheit die von ihr verkörperte weibliche Ermächtigung als Entmannung zu interpretieren. Es lohnt sich, all das ernst zu nehmen, denn einige dieser wütenden Reaktionäre sind erstaunlich jung.

Taylor Swift: Rolemodel ist nicht gleich Rolemodel

Mit der Generation Z geschieht gerade etwas, das den tradierten Stereotypen der jungen, woken Generation widerspricht. Während junge Frauen dramatisch liberaler werden, werden junge Männer immer konservativer. Nicht nur in den USA, sondern – laut einer Analyse der Financial Times – von Südkorea bis Deutschland, Polen bis China. Obwohl die Kluft in Großbritannien relativ gering ist, ergab eine Umfrage in dieser Woche, dass jeder fünfte britische Mann zwischen 16 und 29 Jahren, der von Andrew Tate gehört hat – jenem frauenfeindlichen YouTuber, der gerade in Rumänien wegen Vergewaltigung und Menschenhandel angeklagt ist – sehr schätzt. So viel zu all den gut gemeinten Schulversammlungen und Workshops über toxische Männlichkeit.

Diese Analyse erklärt, was mich seit dem Erscheinen von Greta Gerwigs Barbie verwundert hat: Nämlich warum ein Film, den viele Frauen mittleren Alters zwar lustig, aber fröhlich-oberflächlich fanden, von vielen ihrer Töchter todernst genommen wurde. Die Welt von „Sie ist alles, er ist einfach nur Ken“, inklusive all der unterdrückten männlichen Ressentiments, die das impliziert, ist ihren Lebenswelten näher als unseren. Obwohl ich mehr als nur eine liberale Mutter kenne, die sich entsetzt zeigt, wenn ihre Teenager-Söhne Argumente aus Tate-Videos nachplappern.

Für einige junge Männer scheint der antifeministische Backlash eine Einstiegsdroge für härtere Ansichten zu Themen wie Einwanderung und soziale Gerechtigkeit zu sein. Wie der Oxford-Akademiker James Tilley in seiner Radio-4-Sendung The Kids Are Alt-Right kürzlich herausstellte, haben gerade junge Menschen den Aufstieg rechtsextremer und linksextremer Parteien in Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland vorangetrieben.

Barbie ist schuld (und die Einwanderung)

In ganz Europa und den USA wird die einwanderungsfeindliche Rhetorik ausdrücklich mit sinkenden Geburtenraten und der daraus resultierenden Forderung nach weißen Frauen in Verbindung gebracht, sich zusammenzureißen und gefälligst Kinder zu bekommen. Am Rande des britischen Konservatismus' vermischt sich all dies mit dem hässlichen (und ökonomisch ungebildeten) Argument, dass die Konkurrenz durch Einwanderer die jungen Leute daran hindert, auf die Karriereleiter oder an Spitzenuniversitäten zu gelangen. Mit anderen Worten: Geben Sie irgendjemandem außer der Regierung die Schuld daran, dass das Leben junger Menschen so hart ist; geben Sie der Integration die Schuld, wenn Sie sich im Stich gelassen fühlen! Für Jungen, die sehen, dass ihre Väter es wohl viel einfacher hatten, ist das eine potenziell starke Botschaft.

Aber auch wenn die politischen Implikationen alarmierend sind, gibt es auch intimere Konsequenzen. Warum um alles in der Welt sollte die Swiftie-Generation mit Männern zusammenziehen wollen, die sie zu hassen scheinen? Die bei Dates darüber schimpfen, dass der Feminismus zu weit gegangen ist, und die sich über Ideen lustig machen, die ihnen wichtig sind? Die wütendsten Kens könnten sich auf ein einsames Leben zubewegen, das ihre verbitterte Suche nach simplen Sündenböcken nur noch verstärken würde.

Die möglichen Ursachen reichen von der Polarisierung in den sozialen Medien bis hin zum Widerstand gegen #MeToo, von wirtschaftlichen Trends wie der Tatsache, dass mehr Frauen als Männer studieren (was sich auf das Lebenseinkommen auswirkt), bis hin zur sogenannten Junggesellen-Zeitbombe in Südkorea und China, wo die Zahl junger Männer die der Frauen übersteigt und sie auch deshalb Schwierigkeiten bekommen, eine Partnerin zu finden. Für ein derart komplexes Phänomen gibt es keine einfachen Antworten. Aber wenn junge Menschen beiderlei Geschlechts nicht glücklich darüber sind, am Ende allein mit ihren Katzen zu leben, ist es wahrscheinlich in unser aller Interesse, eben jene Antworten zu finden.

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Geschrieben von

Gaby Hinsliff | The Guardian

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