Der wahre Wert eines NFT: Wie die Marktlogik an der digitalen Kultur scheitert

Meinung Vor zwei Jahren startete die Idee, mit NFTs Internet-Kultur finanzkapitalistisch verwertbar zu machen. Die angebliche Idee: Urheber von digitaler Kunst zu den Besitzern ihrer Produkte machen. Das konnte nur schiefgehen
Ausgabe 40/2023
Wissen Sie, was diese Tulpen wert sind?
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Foto: Imago / Design Pics

Im Jahr 1630 war in den Niederlanden eine einzelne Tulpenzwiebel plötzlich so viel wert wie eine Villa in Amsterdam. An Komik war diese spektakuläre Spekulationsblase mit riesigem Crash bislang kaum zu überbieten. Doch jetzt, 400 Jahre später, muss man widerwillig anerkennen: wenigstens sind Tulpen schön anzusehen.

Die meisten NFTs (Non Fungible Tokens) waren nicht einmal das. Sie waren ein finanzkapitalistischer Fiebertraum, die langweiligste, düsterste Zukunftvision für das Internet. Laut eines neuen Berichts sind die Überreste des Hypes endlich kollabiert – es wurde längst Zeit. Doch der Reihe nach.

In einem (sehr) kurzen Moment im Jahr 2021, mitten in der Pandemie, wurden kleine digitale Bilder von hässlichen Affen mit Hüten und Sonnenbrillen plötzlich für Millionen Dollar in Kryptowährung verkauft. Die „Originalbilder“ berühmter Memes gingen für ähnliche Summen über den Tisch. Promis wie Snoop Dogg, Madonna, Eminem, Katy Perry – sie alle veröffentlichten eigene NFT-„Kollektionen“ mit horrenden Preisschildern.

Natürlich, so meldeten sich jedes Mal die Jünger (fast ausnahmslos Männer) dieses Trends, zahlte man nicht für das Bild, sondern die Technologie dahinter: ein Blockchain-Token, eine kryptografische Formel, in die der Käufer als Besitzer hineincodiert wurde. So sollten endlich Knappheit und Einzigartigkeit – also persönliches Eigentum – in den digitalen Raum eingeführt werden, wo sich sonst alles mit zwei Klicks kopieren, also verdoppeln lässt.

NFTs sollten digitale Kultur Marktprinzipien unterwerfen

NFT-Fans verbreiteten allerlei Utopien einer gerechteren Zukunft – aufgebaut auf den Kryptobildchen. Künstler:innen sollten endlich von ihrer Arbeit profitieren können, die online sonst häufig ohne Zuschreibung weiterverbreitet wird. Ganze Metaversen sollten aufgebaut werden, von und für Menschen mit den richtigen NFTs. Das Internet sollte dezentralisiert und auf die Nutzer:innen aufgeteilt werden, Token für Token, NFT für NFT. Jede:r besitzt, was er oder sie produziert, der Anspruch festgehalten in den paar Zeilen Computercode, die nun allem unterliegen sollten.

Nichts davon war jemals wahr.

NFTs waren reine Spekulationsobjekte, nichts weiter. Das gesamte Drumherum war nur nötig, weil solche Finanzprodukte für gewöhnlich aus guten Gründen staatlich reguliert werden. Um dem zu entgehen, kreierte man etwas, das zu einem Teil hochkomplexes Finanzprodukt und zum anderen hochkomplexe Kryptografie war. Es war absichtlich anfangs kaum verständlich für Menschen, die keine Expert:innen auf beiden Gebieten gleichzeitig waren, und konnte daher leicht mit dem Narrativ einer bahnbrechenden Zukunftstechnologie bestückt werden.

Die Vision hinter NFTs war kein basisdemokratisches Netz, aufgeteilt auf seine Nutzer:innen. Sie begann und endete mit dem eitlen Wunsch, Dinge online besitzen zu können und digitale Kultur in ein für Märkte greifbares Format zu bringen. Dahinter steht ein trübes, spätkapitalistisches Menschenbild, das sich außer Geld keine Motivation für kulturelle Produktion vorstellen kann. Memes, Kunst, Tweets und alles Weitere sollte in Token verwandelt werden, die man verkaufen und versteigern kann. Ihr künstlerischer und selbst ihr sozialer Wert sollte durch die spekulative Logik der Finanzmärkte ermittelt werden. NFTs waren noch nie mehr als die Finanzialisierung von absolut allem.

Die große Mehrheit der NFTs ist nun wertlos“, schrieb der Guardian vergangene Woche. Nur eine kleine Notiz: das waren NFTs schon immer.

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