Keine Grundlage für Grundeigentum

Mietendeckel Ideologien trüben den Blick. Doch schon das Grundgesetz berücksichtigt: Grund und Boden können auf unserer Erde nicht vermehrt werden, und Eigentum verpflichtet

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Proteste gegen den Verkauf von Wohnungen auf der Karl-Marx-Straße in Berlin
Proteste gegen den Verkauf von Wohnungen auf der Karl-Marx-Straße in Berlin

Foto: Odd Andersen/AFP via Getty Images

Alle Parteifunktionäre reden vom Mietendeckel, und kaum jemand von ihnen scheint genau zu wissen, wie eine Deckelung funktionieren kann. Folglich wird der Versuch, die steigende Flut der Mietkosten mit Hilfe gesetzlicher Regelung einzudämmen, entweder kategorisch abgelehnt oder euphorisch begrüßt. Nur sehr selten gibt ein Bezug zur Sache den Ausschlag für die Übernahme des einen oder des anderen Standpunktes; viel häufiger wird blind einem ideologisch geprägten Vorurteil gefolgt. Eine vernünftige Diskussion lässt sich auf dem Boden dieser Stimmungslage kaum führen, weshalb es zunächst einmal erforderlich scheint, eine "glaubensfreie" Betrachtung der Lage auf dem sogenannten Wohnungsmarkt einzuführen. Denn, dass dort etwas schiefläuft, schwant zumindest den meisten.

"Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern."

aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 12.01.1967 "Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums" (Aktenzeichen 1 BvR 169/63)

Der "Arbeitskreis der Oberen Gutachterausschüsse, Zentralen Geschäftsstellen und Gutachterausschüsse in Deutschland", AK–OGA (sowas gibt es tatsächlich), der unter anderem den deutschen Immobilienmarkt beobachtet, hat seinen "Immobilienmarktbericht 2019" vorgelegt und darin festgestellt, dass im Jahre 2018 in Deutschland 180,5 Milliarden Euro für Wohnimmobilien ausgegeben wurden, was einer Verdopplung der Summe im Verlauf der vergangenen zehn Jahre entspricht. Bemerkenswert ist: Es handelt sich um die Kaufsumme nur eines Jahres mit weiter steigender Tendenz, wie die "Oberen Gutachter" feststellen (Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2019 umfasste 356,4 Milliarden Euro, die Immobilienhändler setzten mehr als halb so viel um!). Dem Bericht kann man auch entnehmen, dass sich die Anzahl der Immobiliengeschäfte von 2009 bis 2018 nur unwesentlich erhöhte (um etwa zwei Prozent), während die Geldumsätze im gleichen Zeitraum und für fast die gleiche Anzahl Immobilien um hundert Prozent zunahmen. Daraus lässt sich folgern, dass jemand, der im Jahre 2009 eine Immobilie erwarb, sein Grundvermögen bis heute verzweifachen konnte, und zwar ohne jegliches eigenes Zutun! Wer seine Immobilie jetzt nach zehn Jahren veräußert, erzielt einen Gewinn von 100 Prozent der Kaufsumme, und muss, da er die geforderten zehn Jahre "Sperrfrist" abgewartet hat, den Ertrag nicht versteuern(!) – in der volkswirtschaftlichen Statistik wird das als "leistungsunabhängiges Einkommen" geführt. Der aktuelle Käufer aber, der die Wohnimmobilie frisch erwarb und womöglich vermieten möchte (dieselbe Wohnanlage!), muss seine Renditeerwartung auf einen doppelt so hohen Investitionswert berechnen und wird diese selbstverständlich durch eine entsprechende Erhöhung der Miete zu erreichen versuchen.

In der volkswirtschaftlichen Statistik wird das als "leistungsunabhängiges Einkommen" geführt

Die erwähnten Zahlen wurden im gesamten Bundesgebiet erhoben und bilden natürlich nicht ab, welche regionalen Unterschiede festzustellen waren. Wer sich darüber im Detail informieren möchte, kann den vollständigen Bericht aus dem Internet herunterladen. Dazu hier nur noch ein Hinweis: Derzeit muss man zum Erwerb einer Wohnung im Landkreis München durchschnittlich 10.200 Euro pro Quadratmeter hinblättern. Eine 100 Quadratmeter-Wohnung kostet dort mehr als eine Million Euro! Und im Kyffhäuserkreis (Thüringen) sind es nur 410 Euro, eine gleichgroße Wohnung ist hier für lediglich 41.000 Euro zu haben – auch dies im Durchschnitt der jeweiligen Region. Warum in "guter Lage" derartig hohe Preise für Wohnimmobilien gezahlt werden, lässt folgende Vermutung zu: Wir müssen davon ausgehen, dass es sehr viele geldvermögende Leute gibt, die willens sind, exorbitant hohe Summen für Immobilien zu zahlen, da sie offenbar keine Möglichkeit sehen, ihr Geld in "produktiven" Geschäften zu investieren. Und wir müssen erkennen, diese Entwicklung führt zwangsläufig zu steigenden Mietkosten.

Um die gesellschaftliche Brisanz, die sich im "Immobilienmarkt" äußert, zu kaschieren, ziehen sich diejenigen, die kräftig daran verdienen, weil es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt, auf die Begründung zurück, das sei eben der Markt: knappe Güter im Angebot führen zu steigenden Preisen. Und der Markt, fügen sie hinzu, regelt das Leben in unserer Gesellschaft bestens. Diese Ausflucht, mit der manchmal wohl auch ein schwach ausgeprägtes schlechtes Gewissen verdrängt werden soll, darf aber nicht das Schlusswort der Debatte um zu hohe Mietkosten bilden. Denn die Kosten dafür, dass Menschen in geheizten Räumen mit einem regendichten Dach über dem Kopf, fließend Wasser und elektrisch Licht leben können, sollten nicht das meiste Geld eines Familienhaushaltes verschlingen; diese Forderung müsste eigentlich allgemeine Zustimmung finden. Sehr viele Bürger unseres Staates leben aber unter dem Zwang, nur für das Wohnen mehr als die Hälfte des Familieneinkommens zahlen zu müssen! Und wer – reichlich zynisch – dazu anmerkt, die Leute, die es sich "nicht leisten können", in Ballungsräumen wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt oder München zu leben, sollten doch in "billigere" Gegenden umziehen, dem muss entgegnet werden, er habe nicht den erforderlichen Einblick in die gesellschaftlichen Zwänge der Bürger, vornehmlich in solche, die mit dem Ort der Berufsausübung verbunden sind; oder er täusche gar arglistig. Zur Erläuterung ein Fallbeispiel: Wer heute in Hamburg eine Wohnung mieten will, muss eine Kaltmiete (im Durchschnitt, zu betonen ist, dass Durchschnittswerte zur Beurteilung der Verhältnisse in einer Gesellschaft immer dann von Nutzen sind, wenn ein Gesamtbild erstellt werden soll, ein Verfahren, das zur Begründung politischer Entscheidungen unerlässlich ist) von 10,30 Euro je Quadratmeter Wohnfläche zahlen (in Berlin 9,10; in Bayern, Land und Stadt zusammen, im Schnitt 9,30). Will der Hamburger mit Frau (oder die Hamburgerin mit Mann) und zwei Kindern eine 70-Quadratmer-Wohnung beziehen, beträgt die monatliche Kaltmiete 721,00 Euro zuzüglich Nebenkosten von ca. 200,00 Euro, also insgesamt für Wohnen 921,00 Euro. Dagegen steht das verfügbare Familieneinkommen von 20.000,00 Euro jährlich (Brutto-Einkommen abzüglich Steuern und Sozialabgaben), also monatlich 1.670,00 Euro (wieder im Durchschnitt, was bedeutet, dass sehr viele Menschen weniger verdienen). Die Kosten für Wohnen machen dann 55 Prozent des verfügbaren Einkommens aus. Diese Zahlen entstammen öffentlichen Statistiken und sind zur Betrachtung der Lage auf dem "Wohnungsmarkt" hinreichend präzise. Dass in Einzelfällen andere, für sehr viele Mieter wahrscheinlich noch schlechtere Ergebnisse zutage treten, ist insofern unerheblich, als die Durchschnittswerte bereits verdeutlichen, wie unhaltbar die Zustände sind.

Die Kosten für Wohnen machen dann 55 Prozent des verfügbaren Einkommens aus

Nun gibt es zwar Mieterschutzverbände, die sich gegen geringe Gebühr für die Durchsetzung von Ansprüchen der Mieter stark machen, doch auf die Höhe der Mieten selbst haben sie wenig Einfluss. Ganz anders sieht es auf der Seite der Haus- und Grundeigentümer aus. Deren Verbände verfügen über erheblich höhere Budgets und können entsprechend durchschlagskräftige "Lobbyarbeit" leisten, was bedeutet, dass sie den politischen Entscheidungsprozess maßgeblich beeinflussen, zu ihren Gunsten versteht sich. Als im Land Berlin beschlossen werden sollte, einen sogenannten Mietendeckel einzuführen, womit zukünftige Erhöhungen wenigstens moderat gehalten werden sollten, schossen die Vertreter der Grundstückseigentümer aus allen Rohren und drohten sofort mit einer Verfassungsklage, ein Standpunkt, den Spitzenfunktionäre von CDU und FDP unverzüglich zu dem ihren machten. Typisch für diese Art der politischen Auseinandersetzung ist es, die Verfassung stets nur insoweit zu beachten, wie durch Hinweis auf einen ihrer Artikel der eigene Anspruch gestützt zu sein scheint, und nicht etwa zu prüfen, ob und in welchem Maße der "Verfassungsgedanke", der hinter jeder Einzelbestimmung steht, zu berücksichtigen ist. Im Zusammenhang mit dem Vorstoß zur "Mietendeckelung" stellt sich das wie folgt dar: In den Medien wird diskutiert, ob die Regierung, um die offensichtlichen Missstände auf dem Wohnungsmarkt zu beseitigen, Eingriffe in das vermeintliche Recht Einzelner vornehmen darf, uneingeschränkt über ihr Eigentum zu verfügen, dies, obwohl die Verfassung dazu klare Vorgaben macht. Die einschlägigen Bestimmungen sind in den Artikeln 14 und 15 des Grundgesetzes festgehalten; sie werden ihrer großen Bedeutung wegen hier zitiert:

"Art. 14:
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen
."

"Art. 15:
Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend
."

Wenn man nach der Lektüre des ersten Satzes von Artikel 14 zu lesen aufhört, so könnte man den Eindruck gewinnen, das Eigentum, das private Eigentum, sei ohne jede Einschränkung der Verfügungsgewalt des Eigentümers überlassen. Doch genau dies erlaubt das Grundgesetz nicht, wie die danach folgenden Passagen des Artikels 14 und wie es der Artikel 15 ausdrücklich für den Umgang mit Grund und Boden festlegen. Wer also meint, die Verfassung sei verletzt, wenn Rechte der Grundeigentümer zum Wohle der Allgemeinheit beschränkt werden sollen, der übersieht, dass die Verfassung sogar eine Überführung in Gemeineigentum vorsieht, sollte das Parlament erkennen, dass eine Vergesellschaftung erforderlich ist. Der Grundgedanke "Eigentum verpflichtet" ist ja nur so zu verstehen, dass Eigentum eben nicht uneingeschränkte Verfügbarkeit einschließt, sondern dass den Interessen der Allgemeinheit ein Vorrang gebührt.

Eigentum schließt eben nicht uneingeschränkte Verfügbarkeit ein

Genau auf diesen Grundsatz verwiesen die Verfassungsrichter bereits im Jahre 1967, als sie feststellten: "Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern." Die Rechtsvertreter des Grundeigentümerverbandes mögen Gründe dafür finden, dass dem Verfahren zur beabsichtigten "Mietendeckelung" Rechtsmängel anhaften, sie können aber nicht darauf pochen, dass solch eine Maßnahme grundrechtswidrig sei. Bei näherem Hinsehen berufen sie sich auch gar nicht auf die Grundrechte, sondern sie behaupten, die Verfassung lasse es nicht zu, dass ein einzelnes Land solche Regelungen einführt, was formal stimmen mag, was aber ein Einwand zur Geschäftsordnung ist und keine Begründung für oder gegen die Sache selbst. Hier wird offensichtlich versucht, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu verbreiten, eine Deckelung der Mieten für Wohnraum sei mit den Grundsätzen der Verfassung nicht vereinbar, während tatsächlich nur bestritten wird, dass ein einzelnes Bundesland solch eine Maßnahme treffen darf – dies allerdings unter Hinweis auf die Verfassung, wo unter vielem anderen die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern geregelt ist. Der missverständliche Eindruck, der hierdurch entstand (wie man jedenfalls der medialen Diskussion zum Thema entnehmen musste), war sicherlich bezweckt; denn ein ausdrücklicher Verweis auf einen rein formalen Vorbehalt hätte zu dem Schluss führen müssen, dass die Maßnahme an sich durchaus verfassungskonform ist. Und dann hätte der Vorwurf des Verfassungsbruchs die angestrebte und teilweise erreichte Empörung über die geplante "Mietendeckelung" sicher nicht ausgelöst. Die Behandlung des Themas konnte mit diesem Verfahrenstrick den sachgerechten Bezug abstreifen und ist ins "Emotionale" ausgewichen, wo sich gewöhnlich Standpunkte begegnen, die keiner Revision zugänglich sind. Jetzt genügt es dem Grundeigentümerverband, seine guten Verbindungen zu den politischen Entscheidungsträgern zu nutzen, um das Gesetzesvorhaben zu kippen. Und das ist praktisch bereits gelungen, da die CDU den Standpunkt der Vermieter übernommen hat, nämlich dass eine "Mietendeckelung" nur durch Bundesgesetz beschlossen werden darf, sie solch einer Regelung aber nicht zustimmen wird – und noch geht im Bund nichts gegen die CDU. Es ist also damit zu rechnen, dass ein Hickhack über Details einer möglichen Regulierung des "Wohnungsmarktes" ausbricht und die Diskussion um das wirkliche Problem abgewürgt wird.

Die Behandlung des Themas konnte mit diesem Verfahrenstrick den sachgerechten Bezug abstreifen

Doch weil die Verhältnisse, unter denen alle durchschnittlich verdienenden Bürger im Lande leiden müssen, wenn sie auf Wohnungssuche sind oder wenn sie in kurzen Intervallen erhebliche Mietpreissteigerungen hinzunehmen haben, auf Dauer nicht tragbar sein werden, ist es dringend geboten, die Ursachen für das Desaster aufzuspüren und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. – Zunächst ist zu fragen, warum so viele "Vermögende" derartig überteuerte Immobilien kaufen. Dafür ist ein Grund maßgeblich: Die Menge Geldes, die im Umlauf ist, übersteigt den Geldwert aller wirtschaftlichen Leistungen um das Zigfache, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten kapitalistischen Welt (zur Verdeutlichung mag beitragen, dass gemäß Statistik der Bundesbank allein in Deutschland derzeit fast 6,5 Billionen(!) Euro Geld privater Haushalte auf Bankkonten "rumliegen"; denn Zinsen gibt es dafür nicht). Das heißt, der Wert des Geldes, wie man ihn in der Praxis anerkennt, ist deutlich geringer anzusetzen, so gering, dass nach "gewissenhafter kaufmännischer Buchführung" eine massive Abschreibung erforderlich wäre – tatsächlich eine Währungsreform wie 1948 in Westdeutschland. Die Konsequenzen für das gesamte Wirtschaftsgeschehen wären gewaltig und würden wahrscheinlich unmittelbar dazu führen, dass alles Geldvermögen vernichtet wird. Deshalb wird ein Geldsystem durch künstliche Ernährung und Beatmung am Leben gehalten, das längst den "Hirntod" erlitten hat. Die meisten Finanzjongleure sind sich dieser Tatsache bewusst und operieren deshalb zweigleisig: Einerseits üben sie auf die politischen Entscheidungsträger erpresserischen Druck aus, indem sie erklären, das gesamte Finanzwesen und damit das Wirtschaftssystem des Westens breche zusammen, wenn eine "Wertberichtigung" vorgenommen werden sollte (was ohne eine Veränderung des derzeitigen Bankensystems auch zutrifft); und sie erreichen so, dass die Staatsführungen und deren Zentralbanken den aktuellen Scheinwert des Geldes "garantieren" (beispielsweise durch "Stützungskäufe" von Anleihen gigantischen Umfangs). Und andererseits versuchen sie aus dem Geldbesitz in Sachwerte zu fliehen, wozu sich insbesondere Immobilien anbieten. Die Flucht in die Sachwerte führt aber nur in eine bessere Umgebung, solange auf diesem "Markt" die eigentlich fällige Abwertung des in Immobilien angelegten Geldes ausbleibt. Und damit das gewährleistet ist, müssen die Mieten, die Renditen der Anleger, ständig steigen. Denn bleiben die Mietpreise auch nur auf dem herrschenden Niveau (von einem Absinken ganz zu schweigen), dann vermindert sich mit jeder Erhöhung des Kaufpreises für Wohnimmobilien auch der Zins für das eingesetzte Kapital drastisch, was Grundstückskäufe nicht länger lukrativ gestaltet und auf diesem Umweg praktisch zu einer Abwertung des Geldes führt. Tatsächlich wird die Geldabwertung nur dadurch verhindert, dass knapper Wohnraum und die Notwendigkeit der Menschen, ein Dach über dem Kopf zu haben, exorbitante Preissteigerungen erlauben und weil die politische Führung im Lande die Finanzjongleure gewähren lässt, sie im Grunde sogar direkt unterstützt. Dazu ein erschreckend schlimmes Beispiel: Das landeseigene Wohnungsunternehmen Degewo AG (Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaus), Berlin, also ein Unternehmen, das sich im Eigentum der Allgemeinheit befindet und von politischen Gremien kontrolliert wird, will dieser Tage für eine Reihe Wohnimmobilien Mieterhöhungen von bis zu 28 Prozent verlangen. Begründet wird dies mit der Notwendigkeit zu "sanieren"; tatsächlich handelt es sich jedoch um das Nachholen über Jahrzehnte versäumter Instandhaltung! Im Eigentum der Degewo, die seit den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts als Staatsunternehmen existiert, befinden sich übrigens 75.000 Wohnungen. Und dazu noch ein Hinweis: Die Regierung in Berlin wird aktuell von SPD, Linken und Grünen gebildet.

Dann vermindert sich mit jeder Erhöhung des Kaufpreises für Wohnimmobilien auch der Zins für das eingesetzte Kapital drastisch

Die Gründe, die Leute mit viel Geld dazu bewegen, Immobilien zu erwerben, wo immer sie sich ihnen anbieten, sind tatsächlich recht leicht zu verstehen, und man sollte nicht demjenigen, der "sein" Geld in Sachwerte überführen will, Vorwürfe machen – aus moralischen Erwägungen womöglich. Denn die Vorstellung, das Operieren in einer Marktwirtschaft, also jede Gelegenheit zu nutzen, alle sich bietenden Geschäfte zu machen, die nicht gesetzlich untersagt sind, könne durch moralische Appelle "gezügelt" werden, ist bestenfalls naiv; tatsächlich ist diese Auffassung jedoch Unsinn. Wirtschaft folgt einem moralisch wertneutralen Prozess, der gerade nicht unter Ansatz ethischer Maßstäbe abläuft. Deshalb ist er lediglich von außerhalb zu steuern, politisch nämlich. Doch in den Regionen der kapitalistisch orientierten Welt wird bei der Beurteilung wirtschaftlichen Geschehens in der Marktwirtschaft meist eine grundlegende Bedingung missachtet: Die "Gesetze des freien Marktes" gelten nur innerhalb eines Geheges, das von der Gemeinschaft der Bürger "eingezäunt" wurde, womit verbunden ist, dass der politischen Instanz die Oberhoheit gebührt! Stellt die Gemeinschaft beispielsweise fest, dass unter den herrschenden Bedingungen des Marktes das Recht der Bürger auf eine angemessene Wohnung nicht erfüllbar ist, dann ist es die Pflicht aller Politiker, über entsprechende gesetzliche Regelungen zu diskutieren und sie nach Abschluss einer politischen Debatte durchzusetzen. Denn nur so wird der Zweck der Aufforderung des Grundgesetzes erfüllt, die im Artikel 14 formuliert ist: "Das Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen". Der "Wohnungsmarkt" darf seine Wirkung erst frei entfalten, nachdem die Bedingungen, die die Gemeinschaft der Bürger daran knüpft, erfüllt sind! – Dieses wichtige Grundrecht wird unter den "Marktliberalen" schlicht missachtet, wenn sie sich auf die Freiheit des kapitalistischen Wirtschaftens berufen. Und viele von ihnen gehen so weit, gar die Möglichkeit zur freien Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2 Grundgesetz) eingeschränkt zu sehen, wenn sie keinen unbegrenzten Gebrauch von ihrem Eigentum machen dürfen. Diese Haltung wird aus gutem Grund von der Verfassung nicht gedeckt! – Die Diskussion um die Begrenzung der Höhe von Mietkosten für Wohnungen muss also dort ansetzen, wo sie hingehört, nämlich im Feld der Politik, auf dem die Angelegenheiten der Allgemeinheit, der Bürger des Staates, zu regeln sind.

Wirtschaft folgt einem moralisch wertneutralen Prozess

Und hier geht es zunächst ums Grundsätzliche. Wir müssen uns nämlich davon leiten lassen, dass Grund und Boden auf der Oberfläche einer Kugel wie die Erde nicht vermehrt werden können, Knappheit nicht wie bei industrieller Produktion durch Mehrleistung zu überwinden ist (siehe Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 12.01.1967). Das haben unsere "geschichtlichen Vorväter" längst gewusst und beachtet. Die Römer beispielsweise betrachteten den Boden als Staatsvermögen, und Privatpersonen konnten nur ein Nutzungsrecht erhalten. Im europäischen Mittelalter war Grundeigentum ein sogenanntes Kammergut der Herrschenden, des Adels und der Kirchenfürsten; und erst sehr viel später – in Preußen im 18. Jahrhundert, als man dort mit dem "Allgemeinen Preußischen Landrecht" ein Hypothekenbuch einführte, worin Grundstücksrechte eingetragen werden konnten – wurde das private Eigentum an Grund und Boden ermöglicht. Doch zunächst unterlag die Verfügbarkeit über den Boden weiterhin strikten Beschränkungen, die erst im 19. Jahrhundert nach und nach aufgehoben wurden, parallel zum Vormarsch des Kapitalismus. – Entgegen der heute verbreiteten Auffassung, Grundeigentum sei eine Art Naturrecht, ist festzuhalten, dass die private freie Verfügbarkeit über Grundstücke eine Erfindung der späten Neuzeit ist und keineswegs als ein von alters her überkommenes Rechtsgut angesehen werden darf. Wenn wir heute darüber nachdenken, wie ein Grundstücksrecht zu gestalten ist, das den Bedürfnissen unserer Gesellschaft entspricht, dann sollten wir in Betracht ziehen, dass Eigentum an Grund und Boden – wie Atemluft und Trinkwasser – ein Rechtsgut der Allgemeinheit sein muss, aus dem heraus (ähnlich den Zeiten der "alten Römer") den Bürgern Nutzungsrechte übertragen werden können, die befristet sein müssen und mit Auflagen zu versehen sind. Hier stoßen wir allerdings an die Barriere einer Tradition mit religiösem Anstrich, die sicherlich nur schwer zu überwinden ist; doch ohne eine Abschaffung des privaten Eigentums an Grund und Boden, wird das Recht aller Bürger auf Wohnen nicht zu realisieren sein. Erst wenn diese Erkenntnis greift, lässt sich ernsthaft darüber diskutieren, in welcher Form Nutzungsrechte zu gestalten sind.

Grund und Boden können auf der Oberfläche einer Kugel wie die Erde nicht vermehrt werden

Die Vorstellung, dass Wohnraum ein frei verfügbares Gut auf dem Markt sei, dessen Preis sich nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage bilde und den Bedingungen des Marktes auszusetzen sei, ist eng gekoppelt an diejenige von der freien Verfügbarkeit über privaten Grund und Boden. Diese Ansicht verführt dazu, das Geschehen auf dem "Wohnungsmarkt" vom tatsächlich übergeordneten Anspruch der Bürger auf Wohnmöglichkeit zu trennen, der eigentlich zur politischen Regelung der Deckung eines Grundbedürfnisses auffordert. Wohnen, darüber sollte Einvernehmen herrschen, gehört ganz sicher zum Umfang des Existenzminimums, das jedem Bürger gewährt werden muss! Das heißt, die Gemeinschaft der Bürger sollte ihre Verwaltung auffordern, eine Wohnungsvorsorge zu betreiben, die es allen Bürgern gestattet, ihre Wohnung bei Mietkosten zu nutzen, die eine angemessene Größenordnung nicht übersteigen. Und die Richtschnur dafür darf nicht die verfügbare Geldmenge der Superreichen und das Einkommen der "Besserverdienenden" sein, sondern sie muss die finanziellen Möglichkeiten der "Geringverdiener" berücksichtigen. Diese grundlegende Überlegung, die in einem demokratisch organisierten Gemeinwesen zu den Pflichtübungen zählen sollte, wird im politischen Betrieb unserer Tage bedauerlicherweise nicht angestellt. Den "Marktliberalen" wurde dadurch das Feld überlassen; denn sie konnten mit der Behauptung, der falschen Behauptung, der Markt regele den Ausgleich aller Bedürfnisse durch entsprechend erhöhtes Angebot, eine grundsätzliche Kritik an den Verhältnissen auf dem "Wohnungsmarkt" ersticken. Doch genau diese fehlende Diskussion muss jetzt schleunigst angestoßen werden, damit Regelungen möglich werden, die das Recht auf angemessenes Wohnen sichern.

Und die Richtschnur dafür darf nicht die verfügbare Geldmenge der Superreichen sein

Während heute die Menge der "flüssigen Mittel" im Besitz Weniger bestimmt, welche Preise für Immobilien gezahlt werden und folglich wie hoch die Miete ausfällt (denn 50 Prozent des gesamten Geldvermögens in Deutschland befindet sich auf den Konten von 10 Prozent der Bevölkerung), müsste stattdessen die Leistungsfähigkeit der "Normal- und Geringverdiener" dafür den Maßstab setzen. Das heißt, die Mieten müssten im politischen Prozess "ermittelt" werden, der dem Leitgedanken zu folgen hat, dass jeder Bürger eine angemessene Wohnung zu für ihn erträglichen Kosten beziehen kann. Praktisch umsetzen lässt sich diese Vorgabe jedoch nur, nachdem die Allgemeinheit einziger Grundeigentümer wurde und auf "öffentlichem Grund" Wohnraum schaffen und zur Verfügung stellen kann, der vermietet wird und dessen Mietpreise dem Einkommen der "Geringverdiener" anzupassen sind. Die einzelnen Bestimmungen dazu sind jedoch erst einer ausführlichen Diskussion vorzubehalten, wenn die Vergesellschaftung des Bodens unseres Staates vollzogen ist, beziehungsweise, wenn dazu die nötigen Beschlüsse gefasst wurden. Wer dagegenhält, hier werde an den Grundfesten unseres Gesellschaftssystems gerüttelt, muss sich erstens der Frage stellen, warum das eigentlich nicht geschehen soll, und er muss zweitens darauf hingewiesen werden, dass ähnliche Regelungen bereits bestehen, nämlich bei der rechtlichen Einordnung der Nutzung von Bodenschätzen. Hierzu gibt es in Deutschland Gesetze, die im sogenannten Bergrecht zusammengefasst sind und wo bestimmt wird, dass der Grundeigentümer zwar über den Lehm, den Quarz oder den Schiefer unter seiner Scholle frei verfügen darf, während fossile Brennstoffe, Erze oder Erdwärme, also die "wertvollen" Bodenschätze, im Eigentum der Allgemeinheit verbleiben. Das heißt hier wird dem Grundeigentümer nur ein stark eingeschränktes Nutzungsrecht zugestanden! Wir bewegen uns also nicht etwa auf unerforschtem Gelände, wenn wir sozusagen den zweiten Schritt gehen und Grundstücke gänzlich in Gemeineigentum überführen wollen; vielmehr folgen wir damit einer Vorgabe der Natur, die das Vermehren von Grund und Boden genauso wie von Bodenschätzen auf der Oberfläche unseres Globus ausschließt und uns – alle Menschen – dazu zwingt, dieses in seiner Fläche begrenzte Gut gemeinschaftlich zu verwalten.

Dem Grundeigentümer wird nur ein stark eingeschränktes Nutzungsrecht zugestanden

Der zurzeit diskutierte Mietendeckel hat sicherlich nicht das Zeug, das "wirkliche" Problem, nämlich die zu geringe Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, einer Lösung näher zu bringen. Aber die Diskussion darum könnte auf die richtige Spur geführt werden, wenn man öffentlich laut darüber nachdenkt, wie stattdessen die Grundlagen für eine sachgerechte Behandlung des Themas zu schaffen sind. Und nicht, indem man mit bürokratischen Mitteln an einzelnen Stellschrauben dreht oder gar die Dinge einfach so belässt, wie sie sind. Zu einer Lösung des Problems trägt ganz sicher bei, vorab die Forderung des Bundesverfassungsgerichtes zu erfüllen, nämlich "die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern". Und das lässt sich – so weit mochte das Gericht wohl nicht gehen – praktisch nur gestalten, wenn Grund und Boden in Gemeineigentum überführt werden. Die Ängste der kleinen Haus- und Wohnungseigentümer, sie würden das im Schweiße ihres Angesichtes erworbene Eigenheim oder die eigene Wohnung verlieren, ist im Übrigen völlig unbegründet; denn erstens würden ja nicht Enteignungen vorgenommen, die gar zum Auszug zwingen, etwa weil der neue Eigentümer, der Staat, Eigenbedarf anmeldet, oder es würden Mieten zur Zahlung fällig, sondern das Eigentum wird in ein Nutzungsrecht "umgewidmet", das die Verfügung über das Wohneigentum einschränkt, zum Beispiel die spätere Weiterverwendung. Solche Auflagen sind zumutbar. Ganz anders zu betrachten ist die Behandlung der großen Wohnungskonzerne, also derjenigen Teilnehmer am "Immobilienmarkt", die das Geschäft mit dem Wohnraum gewerbsmäßig betreiben. Bei denen wird eine Enteignung nicht zu umgehen sein. Und deren Argument, ohne ihre Aktivitäten würden keine, oder zumindest nicht ausreichend neue Wohnungen gebaut, ist schlicht unzutreffend; denn die Aufgabe, Wohnraum zu schaffen übernimmt die Gemeinschaft und beauftragt zu deren Durchführung Behörden, die der Aufsicht der Bürger unterliegen. – Wer die Bereitschaft aufbringt, das emotional aufgeladene Thema "leidenschaftslos" zu behandeln, der wird erkennen, dass kein anderer Weg zur Lösung des Problems begehbar ist. Es bedarf dazu eines gedanklichen Aufbruchs.

Der Beitrag erschien auch auf: zeitbremse. wordpress.com

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Geschrieben von

zeitbremse

Mein zentrales Thema: die direkte Demokratie, dazu: "Die Pyramide auf den Kopf stellen", Norderstedt 2008.

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