Wird Fleisch die Zigarette der Zukunft? Zumindest aus ethischen und klimapolitischen Erwägungen wäre die radikale Reduktion wünschenswert. Dass es, abgesehen von Hoffnungen und Wünschen, auch faktisch für viele zu einem seltenen Genuss werden könnte, darauf deuten einige Anzeichen hin. Sowohl höhere Tierschutzstandards als auch politische Reglementierungen – man denke nur an den CO²-Handel auf EU-Ebene – dürften absehbar zu einer stetigen Verteuerung des „Produkts“ führen. Schon jetzt geben immer mehr Menschen an, durch Inflation sowie die insgesamt steigenden Lebenshaltungskosten ihren Fleischkonsum einzuschränken. Der Zugang zu Schwein, Rind und Huhn birgt daher auch eine soziale Komponente, was inzwischen all
allen voran die konservativen bis rechten Kräfte des demokratischen Spektrums erkannt haben. In den Bierzeltreden eines Markus Söder oder Hubert Aiwanger steht das Feindbild demnach klar fest: der Veganismus (der städtischen und wohlhabenden Eliten!). Er will den „kleinen Leuten“ die Bratwurst madig machen und ihnen damit ihre letzte Freiheit nehmen. Zum Schämen ist das doch!Und die Linken? Grüne und SPD? Aus Furcht, die notwendigen Reformen in der Landwirtschaft überhaupt zu einem Sprengstoff für den gesellschaftlichen Zusammenhalt werden zu lassen, versuchen sie die Diskussion kleinzuhalten. Statt eines ehrlichen Systemwechsels, den uns die planetare Umweltkrise ohnehin irgendwann aufzwingen wird (weil eben die tierische Agrarindustrie zu den Hauptemittenten klimaschädlicher Gase zählt), betreibt man derzeit mit fadenscheinigen Labels Augenwischerei. Man täuscht Bemühen vor.Sauberes Fleisch wird immer billigerDabei wirft das Ringen um das Fleisch der Zukunft längst eine zentrale Verteilungsfrage auf, deren ehrliche Beantwortung insbesondere den progressiv-wohlfahrtsstaatlich orientierten Akteuren gut zu Gesicht stünde. Gesetzt den Fall, die Nachfrage nach Steaks und Wurst würde erwartbarerweise nicht sinken, ließe sich diese in Zukunft – gerecht! – nur mithilfe des „grünen“ Fleisches aus Zellkulturen befriedigen. Nachdem der Patty aus dem Labor noch vor zehn Jahren etwa 250.000 Euro kostete, liegt der Preis für „Clean Meat“ nunmehr wegen des enormen Fortschritts auf dem Gebiet bei ungefähr neun Euro, Tendenz fallend! Auch wenn die deutsche Politik bis dato die hiesigen Start-ups auf diesem Feld kaum unterstützt und dadurch das Risiko eingeht, dass die großen Tech-Konzerne wie Amazon und Google diesen noch nischigen Ernährungsmarkt erobern könnten, liegen die ökonomischen Vorteile dieses aufstrebenden Business auf der Hand. So entstehen kaum Umweltfolgekosten, wie etwa durch Flächenverbrauch und exzessiven Düngemittel- und Antibiotikaeinsatz in der Mast. Ebenso kann die Verbreitung von Keimen und Seuchen auf ein Minimum gesenkt werden, allein weil die beengten Bestallungen wegfallen. Nicht zuletzt könnte milliardenfaches Tierleid vermieden werden. Und das wohl wirtschaftlich wichtigste Argument von allen lautet: Preisstabilität auf niedrigem Niveau. Ließe sich Zellfleisch in Massen herstellen, wäre der Zugang zu diesem Produkt für alle Schichten der Gesellschaft günstig gewährleistet. Die Unterscheidung von „konventionell“ und „Bio“ fiele weg.Doch nicht nur für die Verbraucher:innen könnte die Marktreife sowie eine breitere Akzeptanz von Kunstfleisch ein Surplus an Fairness bedeuten. Auch aufseiten der Produzentinnen wäre es möglich, soziale Ungleichheiten abzubauen, treffen wir doch in den akkordisierten Aufzucht- und Schlachtbetrieben vor allem auf Arbeiter:innen aus dem Niedriglohnsektor. Dumpinglöhne gehören zur Tagesordnung. Und auch die Tiere bekommen die unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu spüren. Je schlechter sie sind, desto höher fällt, wie just auch wieder eine Recherche des ARD-Investigativjournalisten Edgar Verheyen zur grausamen Ausstallung in der Geflügelzucht dokumentierte, der Grad an systematischem Sadismus an den animalen Mitwesen aus. Wut und Zorn der Deklassierten entladen sich somit bei den noch Schwächeren, die über keinerlei Lobby verfügen.Sollte die Biotechnik weiter genutzt werden, so bleibt zu hoffen, dass sie nicht der Erforschung noch effizienterer Tierrassen dient, sondern kontinuierlich an der Verbesserung und Vergünstigung des Zellfleisches arbeitet. Neben dem notwendigen Votum der Verbraucher:innen bedarf es dafür vor allem einer zielbewussten und mutigen Förderungspolitik, die sich zu einem unmissverständlich bekennt: Es kann keine gerechte Zukunft für die fleischerzeugende Mast geben.