Explosives Gemisch

Islamophobie Pegida ist wieder zurück – und radikalisiert sich immer mehr
Ausgabe 42/2015

Am Montag vergangener Woche zeigten die Pegida-Demonstranten, dass es sie noch gibt. Aber wie. Auf der Kundgebung in Dresden hielt ein Teilnehmer einen selbstgebastelten Galgen hoch. Daran baumelten zwei Zettel: „Reserviert Siegmar ,das Pack‘ Gabriel“ und „Reserviert Angela ‚Mutti‘ Merkel“. Ob das schon ein Mordaufruf ist, muss die Staatsanwaltschaft gerade entscheiden; ihr wurde der Fall vorgelegt. Auf jeden Fall steht die Attrappe für alles, was Pegida ausmacht. Es ist ein fragiles Gebilde – das gleichwohl zeigen soll: Wir wollen an die ganz Großen ran. Das Ganze – wie so oft bei den selbsternannten Rettern des Abendlandes – unfreiwillig ironisiert durch Schreibfehler. Siegmar Gabriel heißt ja tatsächlich Sigmar mit Vornamen.

Aber mit Lustigmachen über die Unfähigkeit, ihre Ziele mündlich oder schriftlich zu artikulieren, ist den Demonstranten nicht beizukommen. Die Pegida-Demos sind wieder da, mindestens in Dresden, das Pegida-Erfinder Lutz Bachmann das „Zentrum des Widerstands“ nennt. Kurz vor dem einjährigen Pegida-Jubiläum, waren in der sächsischen Hauptstadt knapp 10.000 Menschen auf der Straße. Das heißt, die erzwungene Unterbrechung durch die Behörden und interne Streitereien haben die Pegida-Demos nicht ersticken können.

Das wäre auch zu schön gewesen. Aber die Anlässe, weder die inneren noch die äußeren, sind für die Demonstranten entfallen – im Gegenteil. Die spießigen Marschierer gelten näheren Beobachtern als die Zu-kurz-Gekommenen. Das sagt der Meißener Pfarrer Bernd Oehler, der die Mitläufer der „Heimatschutz“-Demo so beschreibt: Das seien Leute, die Flüchtlinge dafür verantwortlich machen, „dass ich mit der Gesellschaft nicht zurechtkomme und mich meine Frau nicht mehr mag“. Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz hat im Freitag Ähnliches über Pegida-Demonstranten gesagt: Sie seien Wendeverlierer, genauer Nicht-Gewinner. Ihre Träume von einem besseren Leben hätten sich nicht erfüllt. Nun, da die vielen Flüchtlinge ins Land kommen, glaubten sie, erneut ins Hintertreffen zu geraten - und unter ihnen eben nicht nur asiatische Barbaren, sondern gebildete Syrer, die ihnen Konkurrenz machen und deren Nachwuchs die Kinder der Ängstlichen in der Schule bereits nach kurzem überholt hat.

Die Demonstranten aber haben nun ein neues, viel stärkeres Motiv – Trotz, Rechthaberei. Denn sie fühlen sich in der Flüchtlingsfrage mehr denn je im Recht. Pegida warne bereits seit einem Jahr davor, dass viel zu viele Muslime ins Land strömten, sagte Lutz Bachmann vergangene Woche in Dresden. Jetzt kämen endlich auch „unsere Berliner Diktatoren“ darauf – aber nun sei es zu spät. Bei Günter Jauch triumphiert der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke mit dem Duktus des "Wir-haben-es-immer-gewußt". Er trägt zur Prime Time die Deutschlandfahne und völkische Parolen in eine überforderte Runde.

Gerade bei den bürgerlichen Mitläufern steigert und radikalisiert sich diese Rechthaberei in eine immer schärfer werdende Islamophobie. Da sind Leute dabei, die den Koran studieren und in ihm eine „aggressive totalitäre Ideologie“ entdecken. Zu ihnen gehört Michael Stürzenberger, einer der Macher der Netzplattform Politically Incorrect. Der Journalist und Neupolitiker hat einen Livestream zu Pegida einrichten lassen, der auf der PI-Seite abrufbar ist. Er hat eine doppelte Botschaft: Erstens, der Islam ist faschistisch. Zweitens, es darf keine Gewalt geben. Mit beidem ist er anschlussfähig. Zum einen in seiner scharfen Verurteilung des Islam – an den intellektuellen Diskurs. Zum anderen dadurch, dass die Gewalt nicht von den distinguierten Bürgern ausgeht – sondern von dem gut organisierten braunen Mob, der längst viele der pegida-artigen Demos unterlaufen hat. Das macht die Aufmärsche gefährlicher und gewalttätiger. Der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer hat das in einer TV-Dokumentation an mehreren Fällen sehr genau gezeigt. Zum Beispiel im bayerischen Reichertshofen.

Dort begann der Protest gegen Asylbewerber aus der Mitte der Gesellschaft, später kamen AfD-Parteigänger hinzu – und Rechtsextreme. Am Ende brannte die geplante Flüchtlingsunterkunft. Der ursprüngliche Initiator, ein Unternehmer, beruhigt sein schlechtes Gewissen nun damit, dass die Brandstifter von außen gekommen seien.

Pegida, das wirkt ein Jahr nach der Gründung wie ein hochexplosives Gemisch. Wendeverlierer, Legastheniker, organisierte Kameradschaften, rechtsradikale bis völkische Parteien und bürgerliche Islamkritiker, da braut sich zusammen, was am Ende Hass ergibt - und Gewalt wie an Hunderten Flüchtlingsheimen oder dem Messeranschlag auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker. Irgendein Brandbeschleuniger findet sich dann eben. Und sei es ein wackliger Galgen mit Steckbriefen darauf.

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

Christian Füller

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