SPD will Kooperationsverbot abschaffen

Bildung Die Integration von Geflüchteten ist eine nationale Aufgabe, welche die Länder nicht stemmen können. Der Bund soll den Schulen helfen – doch seit 2006 ist das verboten
Auch sie haben ein Recht auf Bildung: Flüchtlingskinder in einer Schule in Berlin
Auch sie haben ein Recht auf Bildung: Flüchtlingskinder in einer Schule in Berlin

Foto: Bernd Friedel/imago

Na also, geht doch. Die SPD-Fraktion im Bundestag fordert die Abschaffung des so genannten Kooperationsverbots, das die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Schulpolitik blockiert. Die SPD will aber der Situation von Flüchtlingen in Schulen mit einer „Nationalen Bildungsallianz“ Herr werden. Also beschloss sie am Dienstag, Ganztagsschulen einzurichten und flächendeckend Schulsozialarbeit zu bezahlen. Erreicht werden kann das nur, wenn Berlin mit den Landesregierungen zwischen Kiel und München, zwischen Düsseldorf und Dresden auch in der Schulpolitik zusammen arbeitet. Dies sei nötig, sagte der Fraktionsvize der SPD, Hubertus Heil, dem Freitag, da ein Viertel der Flüchtlinge unter 16 Jahre alt – und also schulpflichtig sei. „Es besteht Handlungsdruck, daher müssen wir uns von Fesseln befreien, die uns als Bund daran hindern, den Schulen direkt zu helfen.“

Das Kooperationsverbot war vor knapp 10 Jahren beschlossen worden. Damals regierte ebenfalls eine Große Koalition aus Union und SPD. Sie fügte einen Passus ins Grundgesetz ein, den Heil „einen in Verfassung gegossenen Irrtum nannte.“ Dieser Passus untersagt, dass der Bund mit den Schulen der Länder auf irgendeine Weise zusammenarbeitet – weder Geld noch Gesetze noch Pläne des Bundes dürfen seitdem die Kulturhoheit der Länder für die Schulen berühren. Das Verbot hat bereits zu absurden Situationen geführt. In der Finanzkrise etwa konnte Berlin viele Milliarden für Schrottautos investieren, die Abwrackprämie. Aber es war ihm verboten, den Schulen Computer oder ähnliches zu bezahlen. Daher war es nötig, den Terminus einer „energetischen Gebäudesanierung“ zu erfinden – um eine Bundeskompetenz zu konstruieren, die Konjunkturmittel auch in Schulen lenkte.

Im Bundestag hat das Kooperationsverbot keinen guten Ruf. Frank-Walter Steinmeier nennt es „Blödsinn“, der Fraktionschef der CDU, Volker Kauder, sprach zu Beginn der Legislaturperiode vom „unsinnigen Kooperationsverbot in der Bildung“. Auch die stellvertretende Vorsitzende des DGB, Elke Hannack, ebenfalls CDU, findet es absurd: „Der Bund darf zwar im Rahmen der Entwicklungshilfe den Aufbau von Schulen in Indonesien finanzieren – in der Lausitz oder der Lüneburger Heide aber nicht.“

Die SPD und Hubertus Heil haben sehr konkrete Pläne mit der Aufhebung. Es sei denkbar, dass der Bund Teile der Lehrerschaft an den Schulen bezahlen würde, man könne das auch befristen. Das bezieht sich vor allem auf Pädagogen für das Fach Deutsch als Zweitsprache, von denen in naher Zukunft rund 20.000 benötigt werden. Die Schulen erwarten laut Kultusministerkonferenz bis zu 325.000 neue Schüler, kaum ein Bundesland hat für diese Aufgabe genug Geld im Etat. Es gäbe für die Aufhebung des Verbots sogar arithmetische Mehrheiten in Bundestag und -rat. Im Bundesparlament herrscht zum Beispiel eine 80-Prozent-Mehrheit, mit der man die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zusammen bekäme. Aber eben nur rechnerisch – denn die Union ist anderer Auffassung. Insbesondere die CSU in Bayern stemmt sich seit vielen Jahren dagegen, dem Bund einen irgendwie gearteten Zugriff auf die Schulpolitik zu geben. Die Schulen gehörten zum Kernbereich der Staatlichkeit der Länder.

Fraktions-Vize Heil gesteht ein, „dass man zentral auch eine Menge Quatsch in der Bildung machen könnte“. Es gehe der SPD jedoch nicht darum, den Ländern die Schul-Kompetenz generell streitig zu machen. „Aber jetzt ist die Not da – und bei den Bürgern im Land hat das Kooperationsverbot keine Mehrheit.“

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

Christian Füller

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