Sozis kiffen auch!

Cannabis Jan Ingensiep hat die Initiative "Sozialdemokratie für die Legalisierung von Cannabis" gegründet. Bald soll die ganze Partei folgen. Ein kommender Wahlkampfschlager?

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Sozis kiffen auch!

Foto: Christopher Furlong/Getty Images

Für mein soziales Buchprojekt Nichtstun heißt, es tut sich nichts traf ich Menschen, die sich für Veränderungen einsetzen. In Parteien, auf der Straße oder aus Organisationen heraus. Im Freitag möchte ich diese Art von Begegnungen fortführen. Mein erster Interviewpartner: Jan Ingensiep, der die SPD mit seiner Initiative zur Partei der Legalisierung von Cannabis wandeln will.

Im Oktober 2015 haben Sie die Initiative "Sozialdemokratie für die Legalisierung von Cannabis" gegründet. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Ich bin selbst Cannabis-Konsument seitdem ich 16 bin, ich habe meinen Konsum unter Kontrolle und führe ein ganz normales Leben. Ich möchte den Menschen zeigen, dass man nicht der „typische Kiffer“ sein muss, um für die Legalisierung einzustehen. Das Thema ist ja nicht neu in der Politik, aber es ist nie aus der Schmuddelecke herausgekommen. Ich wurde oft darauf angesprochen, warum die SPD nicht auch ihre Verantwortung für die 4 Millionen Kiffer wahrnimmt und konnte es irgendwann nicht mehr mit mir vereinbaren. Die SPD muss endlich soziale Politik, zumindest für die tausenden Schmerzpatienten machen, Kriminalisierung ist nicht sozial, im Gegenteil. Ich habe mich dazu entschlossen, nicht nur für die Legalisierung einzustehen, sondern diese zu einem meiner wichtigsten Themen gemacht. Ich verbinde mit dem Erfolg oder Misserfolg auch meine mögliche politische Karriere in der SPD.

Wie ist Ihr bisheriger Rücklauf. Stößt das Thema auf Aufmerksamkeit außerhalb der jungen Mitglieder der Partei?

Sicher, die Aufmerksamkeit ist da, nicht nur bei den jungen Mitgliedern in der SPD. Ich werde nicht mit Lob überschüttet, manche finden es sogar alles andere als gut, das ändert für mich aber nichts daran, dass dies ein wichtiges Thema für unsere Partei und unser Land ist. Das Verbot von Cannabis ist nichts weiter als eine schreiende Ungerechtigkeit unter dem falschen Vorwand des Jugendschutzes. Das Verbot schützt niemanden, im Gegenteil. Die Jugendlichen kommen extrem leicht an Cannabis, viel leichter als an Alkohol z.B. Das Verbot ist teuer und schädlich, es treibt unsere Jugend in die Arme der Drogenmafia und ist hinderlich für eine angemessene Prävention bei legalen und illegalen Drogen.

Würden Sie in dem Themenfeld von einer Generationendifferenz sprechen? Ist die alte Tante SPD schon reif für diese Forderung?

Nein, nicht zwangsläufig von einer Generationendifferenz, viele Alt-68er sind schließlich mit der Thematik vertraut, haben selbst früher gekifft, sind dabei geblieben oder haben es aufgegeben. Es gibt viele Genossen, die sich mit mir für eine Legalisierung oder zumindest für eine weitest gehende Entkriminalisierung einsetzen. Andersrum gibt es auch viele Jusos, die dem Thema, obwohl es Juso-Bundesposition ist, sehr kritisch gegenüberstehen. Die SPD SOLLTE aber eigentlich dafür reif sein, die Jusos fordern eine Legalisierung schließlich seit 40-50 Jahren, viele davon sind heute in Amt und Würden.

Welche Rolle soll der Staat nach einer Legalisierung von Cannabis spielen? Setzen Sie sich für den "freien Verkauf" ein?

Die Legalisierung beinhaltet ja den freien Verkauf, der korrekte Begriff ist die „regulierte Abgabe“. Das bedeutet, dass der deutsche Staat Lizenzen für den gewerblichen Anbau und den Vertrieb vergibt. Nur auf diesem Wege werden wir den Schwarzmarkt eindämmen können, damit effektiver gegen das organisierte Verbrechen vorgehen können und eine Kontrolle über die Inhaltsstoffe und den THC-Gehalt bekommen. Es gilt auszuschließen, dass sich unsere Bürger durch gestrecktes Gras oder Hashisch selbst schädigen und es ist oberstes Gebot, die Jugend vor skrupellosen Dealern zu schützen, die wenig Wert auf Jugendschutz legen.

Wie entgegen Sie Kritikern, die von Cannabis als Einstiegsdroge sprechen?

Das Argument „Einstiegsdroge“ ist bereits vom Bundesverfassungsgericht 1994 entkräftet worden. Es konnte nie nachgewiesen werden, dass jemand der gerne kifft, ständig seine Dosis erhöhen muss, deswegen dann zu harten Drogen greifen muss. Vielmehr ist Cannabis eine „Ausstiegsdroge“, die dabei helfen kann schwer körperlich Abhängigen, beim Entzug von Alkohol oder harten illegalen Drogen, die Entzugserscheinungen zu lindern.

Wie steht es wirklich um die Gesundheitsrisiken bei der Einnahme von Cannabis?

Für die medizinischen Detailfragen bin ich kein Experte, klar ist aber dass der Rauch von Cannabis, vor allem in der gängigen Verbindung mit Tabak, die schädlichste Form des Cannabis-Konsums ist. Auch klar ist, dass Cannabis eine Droge ist, wie Tabak und Alkohol auch und deswegen im Idealfall NICHT konsumiert werden sollte, schon gar nicht von Kindern und Jugendlichen. Besonders in der Entwicklungsphase des Gehirns kann Cannabis Einfluss auf die Psyche nehmen, welcher bis heute nicht gut erforscht ist.

Oft wird von einer Entkriminalisierung in Bezug auf die Legalisierung von Cannabis gesprochen. Doch ist diese nötig? Wie viele Verfahren kommen aufgrund der Kriminalisierung zustande?

Die Entkriminalisierung ist der erste wichtige Schritt auf dem Weg zur Legalisierung und zu einer verantwortungsbewussten Drogenpolitik. Jährlich gibt es in Deutschland 150.000 Strafverfahren wegen Cannabis-Delikten, von denen 2/3 wegen Geringfügigkeit oder positiver Sozialprognose wieder eingestellt werden. Bis dahin beschäftigen sie allerdings Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter und blockieren somit wichtigere Aufgaben, wie z.B. den Kampf gegen das organisierte Verbrechen. In 50.000 weiteren Fällen ergehen tatsächlich Urteile, hauptsächlich aber gegen Konsumenten und Selbstversorger, nicht etwa Dealer.

Gibt es Schätzungen in wie fern eine Legalisierung sich positiv auf den Bundeshaushalt auswirken könnte. Sprich durch neue Steuern und Abgaben?

Ja, es gibt Schätzungen des Deutschen Hanfverbands und einigen Wirtschaftsexperten, Grundlage sind die Erfahrungen aus den USA und den Niederlanden. Durch eine Steuer auf Cannabis könnte der deutsche Staat im ersten Jahr zwischen einer und zwei Milliarden Euro einnehmen, außerdem rund eine Milliarde einsparen, durch die wegfallende Strafverfolgung von Konsumenten. Die Legalisierung hätte allerdings auch weitere Vorteile, es entstünden tausender kleiner Unternehmen, die Stellen schaffen und Steuern zahlen. Cannabis könnte sich zu einem richtigen Konjunktur-Programm für Deutschland entwickeln. Wir könnten es steuern.

Mittlerweile spielt die Thematik in vielen Kontexten rund um die SPD eine Rolle. Die Sozialdemokraten in Bremen möchten sich für eine Legalisierung einsetzen. Beim Mitgliederentscheid der Berliner SPD entschied sich eine hauchdünne Mehrheit gegen die Legalisierung von Cannabis. Wie sieht Ihre Strategie aus dies zu verändern? Wer sind auf dem Weg Ihre Partner?

Die Jusos fordern seit fast 50 Jahre eine neue Drogenpolitik. Unsere Kampagne ist die späte und überfällige Konsequenz aus der berechtigten Forderung der Jusos und dem Positionspapier des Arbeitskreises Drogenpolitik „von Repression zu Regulierung“ unter Koordination des MdB Burkhard Blienert in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Meine Erfahrungen zeigen mir, dass man nur angemessen über das Thema reden muss, die Argumente sprechen für sich. Die meisten Menschen haben sich nie eingehend mit dem Thema Legalisierung von Cannabis beschäftigt und kommen selbst bei oberflächlicher Betrachtung der Argumente zu neuen Erkenntnissen. Wir müssen nur weiter mit den Genossinnen und Genossen darüber reden, dann werden wir bei der nächsten Abstimmung in Berlin ein positives Votum FÜR die Legalisierung erhalten. Meine Partner sind auf dem Wege alle, die sich der Forderung anschließen.

Wie haben Sie die Debatte um den "Fall Volker Beck" kürzlich erlebt? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Zu dem Fall nur soviel: Ich befürworte die Entkriminalisierung ALLER Drogen, wer einen problematischen Umgang mit Drogen pflegt, braucht Hilfe und keine Strafe. Andererseits macht Volker Beck jetzt das durch, was andere Bürger auch zu befürchten haben, nämlich Stigmatisierung und Strafverfolgung. Vielleicht wird dabei ja die ganze Unsinnigkeit der aktuellen Drogenpolitik offenbart.

Vielen Dank für das Gespräch, wir werden die Debatte verfolgen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

David Gutensohn

Wurde an der Deutschen Journalistenschule ausgebildet und war freier Autor u.a. für Der Freitag. Heute arbeitet er als Redakteur bei ZEIT ONLINE

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