Er hatte sich zu früh gefreut: Anfang Februar schrieb Präsident Javier Milei auf X seinen markigen Wahlspruch: „Viva la libertad, carajo!“ (Es lebe die Freiheit, verdammt!). Ihm schien zum Feiern zumute. Nach dreitägiger Kongressdebatte wurde sein Mega-Gesetzespaket („Omnibusgesetz“) zunächst angenommen, mit dem das ökonomische System einer Schocktherapie unterzogen werden sollte. Dann aber folgte eine krachende Niederlage, als es bei den Abstimmungen zu einzelnen Artikeln zum Eklat kam. Von den vorgesehenen 664 Gesetzesänderungen waren ohnehin nur 386 übrig geblieben – und das fernab jeder öffentlichen Debatte.
Mileis Partei hat nur 38 Mandate im Kongress
Schließlich wollte Mileis Partei La Libertad Avanza (LLA) kein
ileis Partei hat nur 38 Mandate im KongressSchließlich wollte Mileis Partei La Libertad Avanza (LLA) keine weiteren Konzessionen machen. Der Fraktionsvorsitzende Oscar Zago ließ das Paket in die Ausschüsse zurückgehen, womit alles wieder auf null steht. Es seien die „wichtigsten Befugnisse, die eine Deregulierung der Wirtschaft ermöglichen“, abgelehnt worden, begründete Innenminister Guillermo Francos diesen Rückzug. Es habe „Abstimmungsversprechen“ gegeben, „die nicht eingehalten wurden“. Milei beschimpfte Abgeordnete und selbst Gouverneure als Verräter am argentinischen Volk: „Die Kaste ist gegen den Wandel, für den die Argentinier gestimmt haben. Unser Regierungsprogramm wurde von 56 Prozent gewählt. Wir sind nicht bereit, mit denen zu verhandeln, die das Land zerstört haben.“ Nur, was will er machen? Sich weiter darüber hinwegtäuschen, dass seine Fraktion lediglich 38 der 257 Abgeordneten im Kongress stellt und auf ein Einvernehmen mit anderen Fraktionen angewiesen ist?Dass Milei damit droht, seine Gesetze notfalls ohne parlamentarisches Votum durchzusetzen, zeigt, wie gern er sich die Demokratie mit der Kettensäge zurechtschneiden würde. Dazu passte das Vorgehen gegen Demonstranten vor dem Kongress. Während drinnen die Debatten tobten, formierte sich draußen energischer, anfangs friedlicher Protest. Immer wieder versuchten Demonstranten, umliegende Straßen zu besetzen. Dass dies brutal unterbunden wurde, ging auf Sicherheitsministerin und Law-and-Order-Hardlinerin Patrica Bullrich zurück. Ihre harte Linie gegen „Piqueteros“, wie die Blockierer von Straßen genannt werden, behielt sie ungerührt bei.Protest in Buenos AiresDerzeit herrscht das Prinzip Nulltoleranz zwischen Protest- und Staatsmacht, begleitet von Polizeieinheiten, die vor allem gelbes Pfefferspray in exzessiver Weise einsetzen, das schmerzhafte Verbrennungen und eine Verletzung der Atemwege verursacht. Angesichts dieser Erfahrung tragen viele junge Argentinier Schutzbrillen und Gasmasken, um sich zu schützen und den öffentlichen Raum des Protestes zu verteidigen. Die Polizei betreibt derweil ihre Schocktherapie, indem sie Wasserwerfer auffährt und mit Gummischrot in die Menge schießt, wodurch häufig Unbeteiligte zu Schaden kamen.Es stimme sie sehr traurig, so die Entertainerin Florencia de la Vega, dass die Protestierenden zu „Terroristen“ erklärt würden, „die es auszurotten gilt“. Der Taxifahrer Claudio Suarez sagt: „Sie unterdrücken dich, wenn du nicht mit dem einverstanden bist, was sie tun wollen.“ Er meine damit die gesamte politische Klasse. „Ihre Politik besteht darin, von unseren Ressourcen alles zu verkaufen und aus Arbeitern Sklaven zu machen.“ Für den Journalisten Roly Villani vom Fernsehsender C5N sind die Übergriffe der Polizei vor dem Kongressgebäude ein Versuch, dem Teil der Bevölkerung Angst einzujagen, der sich gegen eine rechtsextreme Politik wehrt. Zu solcherart Repressionen komme es, weil sich zwei konträre Auffassungen begegneten. „Die eine verteidigt das Eingreifen des Staates, und die andere wünscht, dass der Staat den Platz für die Privatinitiative räumt.“ Die Mehrheit, die für Milei bei der Stichwahl gestimmt habe, sei keine homogene Gruppe. Gewiss gäbe es jede Menge Radikalisierte, vielfach gehe die Sympathie für Milei auch auf Enttäuschung zurück. Die Schwäche der Vorgängerregierung habe die Wählerschaft in drei Teile gespalten, zwei davon würden von Strömungen der Rechten dominiert.Dass Milei vorläufig gescheitert ist, kann als Erfolg einer breiten Mobilisierung gegen das Megagesetz gesehen werden, das neben Privatisierungen harte Einschnitte im Arbeits- und Umweltrecht vorsah. Es bleibt ein langer Weg zu einer geeinten Opposition. Für den Gewerkschaftsdachverband CGT ist nicht endgültig klar, wie er auf Dauer beschritten werden soll.