Javier Milei: Argentiniens neuer Präsident übt sich in Pragmatismus

Korrekturen Sein radikales Programm wird noch vor der Amtseinführung gestutzt: Javier Milei will zwar zum Westen gehören, kann aber China und Brasilien nicht verprellen – und wirtschaftspolitisch hat wohl noch Ex-Präsident Mauricio Macri das Sagen
Ausgabe 49/2023
Trotz großer Auftritte: Argentiniens neuer Präsident Javier Milei mäßigt sich wohl
Trotz großer Auftritte: Argentiniens neuer Präsident Javier Milei mäßigt sich wohl

Foto: Imago/Zuma Wire

Zu seiner Amtseinführung am 10. Dezember hat Javier Milei Brasiliens Staatschef Lula da Silva eingeladen, den er im Wahlkampf noch unflätig beschimpfte. Gegenüber China, Argentiniens größtem Handelspartner, werden ebenfalls versöhnlichere Töne laut. Dies ändert nichts daran, dass sich Milei klar dem westlichen Lager zurechnet. Was will er da mit Lula anfangen, der wie kaum ein Zweiter für Multilateralismus steht und überholtem Lagerdenken abschwört?

BRICS-Gruppe ohne Argentinien

Der BRICS-Gruppe aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die eine sich wandelnde Weltordnung anzeigt, soll Argentinien jedenfalls nicht mehr beitreten. Die bisherige Mitte-Links-Regierung unter dem Peronisten Alberto Fernández hatte andere Akzente gesetzt. Zusammen mit dem Iran, Ägypten, Äthiopien, Saudi-Arabien und den Arabischen Emiraten sollte es am 1. Januar eine BRICS-Aufnahme geben.

In Washington, wohin Milei eine Art Antrittsbesuch führte, wurde er prompt wohlwollend begrüßt. Kein Wunder, betont der irrlichternde Argentinier doch stetig, er sehe sich an der Seite der USA und Israels. Joe Biden war allerdings nicht bereit, für einen Fototermin mit dem Trump-Sympathisanten seine Agenda umzuwerfen.

In den neoliberalen 1990er-Jahren machte das Bonmot von „fleischlichen Beziehungen“ zwischen Buenos Aires und Washington die Runde. Darauf läuft es auch jetzt hinaus. Brasilien, erkennbar auf Souveränität gegenüber den USA bedacht, verliert mit einem progressiv regierten Argentinien einen wichtigen Partner auf dem geopolitischen Schachbrett.

Auf Mauricio Macris Spuren

Milei, dessen Wahlsieg extravagante Auftritte vorausgingen, wandelt mittlerweile auf den Spuren des neoliberalen Präsidenten Mauricio Macri (2015 – 2019), einer Schlüsselfigur argentinischer Politik. Macri fädelte für die jüngste Stichwahl ein Bündnis seiner Rechtskonservativen mit Milei ein, ohne die der neue Staatschef nun nicht regieren kann.

Ein Macri-Vertrauter wird Wirtschaftsminister, die angekündigte Einführung des Dollar ist zu den Akten gelegt. Für die innere Sicherheit sind zwei Falken aus dem Umfeld von Macri zuständig, nicht Mileis rechtsextreme Vizepräsidentin Victoria Villarruel. Zudem ist Widerstand gegen die Kürzungsorgie bei den Sozialleistungen abzusehen. Wer weiß, wie lange Mileis neuer Pragmatismus anhält.

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