Er ist unsere täglich angesteuerte Pilgerstätte, die uns mit „Frischeversprechen“ und „Treueangeboten“ überzieht und uns während Corona den öden Alltag versüßt hat – die Rede ist vom Supermarkt nebenan. Doch während im Zuge der Bauernproteste viel über Steuern auf Agrardiesel diskutiert wird, fällt eine Frage hinten runter: Welche Rolle wird dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) bei der Misere der aufgebrachten Bauern zuteil? Immerhin handelt es sich bei ihm um einen hoch konzentrierten Markt.
So hoch, dass das Bundeskartellamt bei neuen Fusionen, wie etwa bei der von Kaiser’s Tengelmann und Edeka im Jahr 2016, Alarm geschlagen und ein Fusionsverbot ausgesprochen hat. Dank einer Ministererlaubnis vo
teleinzelhandel (LEH) bei der Misere der aufgebrachten Bauern zuteil? Immerhin handelt es sich bei ihm um einen hoch konzentrierten Markt.So hoch, dass das Bundeskartellamt bei neuen Fusionen, wie etwa bei der von Kaiser’s Tengelmann und Edeka im Jahr 2016, Alarm geschlagen und ein Fusionsverbot ausgesprochen hat. Dank einer Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel (SPD) und dem Verweis auf „das Gemeinwohl“ konnte sich Edeka allerdings über das Urteil des Bundeskartellamtes hinwegsetzen und seine Marktdominanz ausbauen. Welch Ritterschlag für das Gemeinwohl, Herr Gabriel! Landwirt*innen leiden bis heute an den Folgen dieser Entscheidung.Das Einverleiben von insolventen oder von Investoren aufgekauften Konkurrenten steht auch bei anderen Supermarktriesen hoch im Kurs: 2021 wurden von 276 Real-Standorten 188 unter der Schwarz-Gruppe, Edeka, Globus und Rewe aufgeteilt, die restlichen sollen bis Ende März dieses Jahres geschlossen werden. „Die Marktmacht der Supermärkte ist in Deutschland besonders groß“, beklagte auch die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini kürzlich gegenüber dem Medium Euractiv.An Edeka und Co. kommen die Landwirte nicht vorbeiNicht ohne Grund: Mit einem Marktanteil von über 75 Prozent verteilte sich 2022 der Großteil des Umsatzes des Lebensmitteleinzelhandels auf die „Top Vier“: die Edeka-Gruppe (25 Prozent), die Schwarz-Gruppe (21 Prozent), die Rewe-Gruppe (18 Prozent) und die Aldi-Gruppe (elf Prozent). „Das führt zu Preisdrückerei und einem Unterbietungswettbewerb“, so Cavazzini.Laut einem Artikel in der Agrarzeitung prüft das Bundeslandwirtschaftsministerium derzeit, wie es Milchkuhbauern mittels Markteingriff gezielt unter die Arme greifen kann, um „bessere Preise zu erzielen“. Doch das wird kaum ausreichen. Immerhin geht es um mehr: die Dominanz der großen Supermarktketten in Deutschland.Es hat schließlich einen Grund, dass der reichste Deutsche Dieter Schwarz heißt und Inhaber von Lidl und Kaufland ist. An den „Top Vier“ kommen unsere Lebensmittelproduzent*in nicht vorbei. Wer sich einen Platz am Frühstückstisch der Deutschen sichern möchte, muss sich mit Edeka und Co. ins Benehmen setzen. Allerdings verhandeln da nicht die Landwirt*innen selbst, sondern große Konzerne, die deren Produkte verarbeiten. Genau genommen gibt es also zwei dicke Gatekeeper, die den deutschen Markt bestimmen: die Lebensmittelverarbeiter und die Händler im LEH.Ein wertloses EU-PapierDiese beiden mächtigen Player wissen um ihre Marktmacht und dass keiner der beiden wirklich verlieren kann: Der Preisdruck wird nämlich (genau wie die Risiken in der Lieferkette) nach unten weitergegeben und erreicht die Bauern oder die Verbraucher*innen, während Supermärkte Rekordumsätze machen. Ganz nach dem Motto: „Sorry, die Preise werden vom Weltmarkt bestimmt, wenn ihr uns keine Milch zu diesen Konditionen liefert, macht’s halt wer anders.“ Da fragt man sich doch: Wie kann es sein, dass Fusionen von Supermarktketten erlaubt werden, obwohl das Bundeskartellamt seit Jahren davor warnt? Wieso kontrolliert niemand, ob bäuerliche Betriebe an höheren Preisen beteiligt werden oder die Gewinne zwischen Aldi-Chef und Müllermilch versickern? Und warum bedeuten gute Angebote für Einkaufende meist schlechte Konditionen für Bauern?Zwar gibt es eine 2019 verabschiedete EU-Richtlinie, welche die Landwirtschaft vor „unlauteren Handelspraktiken“ durch Abnehmer schützen soll. Doch die ist offenkundig das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt ist. Wie es anders gehen kann, zeigt ein genossenschaftlich organisierter Supermarkt im Berliner Ortsteil Wedding.Das Prinzip der „SuperCoop“ ist, dass alle Mitglieder durch einen Anteil selbst Mitinhaber*in des Supermarktes sind und jeden Monat drei Stunden arbeiten und somit den Betrieb aufrechterhalten. Dafür erhält man als Mitglied fair gehandelte Lebensmittel, transparente Preise und ein Mitspracherecht. Ähnliche Märkte gibt es auch in New York und Paris. Klar, das ist wieder ein typisches Großstadtding. Aber irgendwo muss man ja anfangen.