Der zierliche Fuß einer jungen Frau versinkt im rosa Hochflorteppich. Ihre Nägel sind rot lackiert, hoch konzentriert sieht man sie beim Ausmalen des schwarzen Lidstrichs. Abgerundet wird der Look von einem Set künstlicher Wimpern. Dazwischen immer wieder Großaufnahmen von exquisiten Möbeln, einem weißen Klavier, kleinen Nippesfigürchen. Das Melancholisch-Schöne wird so weit auf die Spitze getrieben, bis es sich als Kitsch zeigt. Kaum jemand versteht es, dieses schwelgerische Gefühl so präzise in Bilder zu bannen wie Sofia Coppola.
Überbordender Reichtum im Milieu der Stars wurde schon in ihren Filmen Somewhere und The Bling Ring als skurril werdende Inszenierung erfahrbar. Nicht umsonst sind es meist Frauenfiguren, die in der Leere die
iguren, die in der Leere dieser Welten und ihren klischeehaften Erwartungen nach einem Verhältnis zu sich und ihrem Körper suchen. Das feinfühlige Setzen einer Atmosphäre verdeutlicht zugleich die sie tragenden kulturellen Fantasien: der Kosmos des Superstars Elvis Presley und die Bilderwelt eines Repertoires weiblicher Geschlechterrollen.Während Priscilla ihre schwarz gefärbte Mähne abschließend mit viel Haarspray hochtoupiert, läuft auf der Tonspur das gefühlige Baby, I Love You von den Ronettes, aber in der ironischen Ramones-Coverversion von 1980. Coppola illustriert nicht einfach Presleys Memoiren, sie sucht einen subjektiven wie auch zeitgenössischen Blick auf die Beziehung mit dem „King of Rock ’n’ Roll“. Dabei bleibt sie chronologisch der Geschichte ihrer Protagonistin verpflichtet, die, heute fast 80-jährig, auch als ausführende Produzentin fungiert.Priscilla trifft mit 14 das erste Mal auf ihren zukünftigen Ehemann. Ihr Stiefvater ist als US-amerikanischer Offizier in Deutschland stationiert und Elvis bereits ein umschwärmter Superstar Mitte 20, der seinen Militärdienst in Wiesbaden ableistet. Ein Freund aus dessen Entourage entdeckt das kleine, fragile Mädchen in einem Diner und lädt sie zu einer Hausparty ein. Den Altersunterschied zwischen ihnen kommentiert Elvis mit einem spöttischen „You’re still a baby“. Doch das von Jacob Elordi gespielte Sexsymbol erscheint selbst wie ein unbeholfener kleiner Junge, der trotz groß gewachsener Statur kaum mehr Reife zeigt als das Schulmädchen. In seinem Zimmer, in das er sie bald bittet, zeigt sich die innere Diskrepanz: An der Wand hängen lebensgroße Poster von Starlets im Bikini, auf dem Nachttisch steht ein gerahmtes Foto seiner Mutter.Cailee Spaeny als Priscilla: Auszeichnung als Beste Darstellerin beim Filmfestival VenedigCoppola nimmt sich viel Zeit für diese Szene des Kennenlernens. Einer der ersten Sätze, die Elvis an seine zukünftige Frau richtet, bringt die Überzeugung zum Ausdruck, dass Priscilla seiner vor Kurzem verstorbenen Mutter sehr gefallen hätte. „My mama was my whole world“, fügt er hinzu. Dass in dieser Aussage etwas alarmierend Abhängiges aufscheint, wird sich dem Mädchen erst viel später erschließen. In diesem Moment wirkt die Selbstoffenbarung des Superstars berauschend wie ein Popsong. Könnte sie die Auserwählte sein, die den Posterboy von seiner Einsamkeit zu erlösen vermag?Die Newcomerin Cailee Spaeny spielt diese pubertäre Fantasie mit einer brillanten naiven Intensität. Zu Recht wurde sie dafür mit dem Preis für die Beste Darstellerin beim Filmfestival in Venedig ausgezeichnet. Es sind die sensiblen Nuancen ihres Gesichtsausdrucks, die gegenüber dem artifiziellen Setting einen emotionalen Ankerpunkt des Films bilden. Wenn sie als Priscilla ihre Eltern verzweifelt beschwört, dass sie ihr den Kontakt mit Elvis erlauben, weil er sie doch brauche, oder sie nach einem weiteren Date selig lächelnd in die Kissen sinkt, wirkt das nie lächerlich. Es weckt vielmehr Erinnerungen an die Hilflosigkeit und Hysterie, die mit Schwärmerei im Jugendalter einhergeht.Als „King“ hat Elvis die Macht, sich über die traditionellen Beschränkungen durch Priscillas Familie hinwegzusetzen. Als er die noch immer minderjährige Priscilla nach Graceland holt, versichert er ihrem Stiefvater, er werde sie gut versorgen und in einer katholischen Mädchenschule anmelden, damit sie ihren Abschluss macht. Priscilla ist hin- und hergerissen zwischen einer aufregenden neuen Freiheit und einer noch schwer zu fassenden autoritären Struktur, die von ihrem Mann in spe ausgeht. Wenn er beim gemeinsamen Shopping ihre Kleider kommentiert und ihr eine neue Haarfarbe nahelegt, ist der Unterwerfungszwang viel unmittelbarer als bei der vom Vater verlangten Schuldisziplin. Ihre jugendliche Unreife lässt sie dem Anpassungsdruck nachgeben, der auch etwas Verführerisches hat: An der Seite des Superstars selbst eine Art Kunstfigur zu werden, folgt einer unwiderstehlichen, narzisstischen Logik des Showbusiness.Priscilla und Elvis Presley: Zwei Menschen finden in ihrer Verlorenheit zueinanderCoppola zeigt die zunehmende Versteinerung ihrer Protagonistin beim Durchschreiten von opulenten, aber leeren Räumen. Dabei spielt Cailee Spaeny Priscilla zugleich als Frau, die von Beginn an sexuell fordernd ist und sich nicht damit abfinden will, von ihrem Geliebten nur als idealisierte Marienstatue behandelt zu werden. Konsequent verfolgt der Film ihre Entwicklung: Elvis körperlicher und psychischer Niedergang durch Tablettensucht bleibt durch sie perspektiviert. Coppola gibt dabei auch den schwer fassbaren Momenten der Intimität zwischen Elvis und Priscilla Raum. Kindliche Zärtlichkeit, Essen im Bett oder spielerische Ausgelassenheit beim Autoscooter-Fahren zeigen zwei Menschen, die in ihrer Verlorenheit zueinandergefunden haben, ohne diese gemeinsam auflösen zu können.In der schmerzhaften Einsamkeit der Beziehung kommt Priscilla mit neu entdeckter Kraft zu sich. Coppola gelingt es, die komplexen Gefühle ihrer Protagonistin ernst zu nehmen, ohne sie auf fatalistische Weise zu einem Frauenschicksal zu degradieren. Wenn Priscilla zu den wehmütigen Klängen von Dolly Partons I Will Always Love You schließlich selbst das Steuer in die Hand nimmt, wird mit großer stilistischer Konsequenz beides deutlich: die Bejahung des Gefühls wie auch die Macht des Klischees, die es zugleich verstellt.Eingebetteter Medieninhalt