Photoshop von A bis Z: Prinzessin Kate unter Beschuss

Lexikon Prinzessin Kate hat ein Familienfoto manipuliert. Schon Stalin „säuberte“ seine Fotos, lange bevor das Programm Photoshop überhaupt existierte. Wer Jürgen Trittin zum Schläger machte, Armin Laschet zum Fleischer und wie das gratis geht
Ausgabe 12/2024
Photoshop von A bis Z: Prinzessin Kate unter Beschuss

Montage: der Freitag, Foto: Prince of Wales/Kensington Palace

A

wie Avant la lettre

Wer sich mit der Geschichte des Stalinismus beschäftigt, kann sich die Reihe der Fotomanipulationen als eine Art Suchbild vor Augen führen: Da adressiert Lenin auf einem Foto 1920 vor dem Bolschoi-Theater die Massen, am linken Rand seines Podiums erkennt man Trotzki und Kamenew. Im nächsten ist von beiden keine Spur mehr zu sehen. Manchmal ergibt es regelrechtes Daumenkino: Zuerst steht Stalin da am Tisch mit drei Genossen, dann mit zweien, dann nur noch mit einem und schließlich ganz allein. Eine der bekanntesten Aufnahmen zeigt Stalin beim Spaziergang entlang eines Kanals in Moskau. Rechts hinter ihm läuft Molotow, berühmt dafür, dass Stalin ihn überleben ließ. Zu seiner Linken grinst der „Giftzwerg“ Jeschow in die Kamera, der Organisator der „großen Säuberung“, der 1940 selbst gesäubert wurde, im wahren Leben wie auch vom Foto. Insofern waren die Stalin’schen Fotomanipulationen gar keine Fake News, sondern Anpassungen an immer neue, grausame Realitäten. Barbara Schweizerhof

B

wie Bolzenschneider

Mit den Linken hat es die Bild-Zeitung ja nicht so, aber eine besonders innige Feindschaft hat das Springer-Blatt mit Jürgen Trittin gepflegt, als der Grüne Bundesumweltminister im Kabinett Schröder war. „Was macht Minister Trittin auf dieser Gewalt-Demo?“, fragte Bild 2001 und druckte ein Foto, das den Grünen 1994 in einer Gruppe von Autonomen zeigen sollte, die einen Bolzenschneider und einen Schlagstock in der Hand hielten. Trittin sollte in den Dunstkreis von linken Gewalttätern gerückt werden. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich der Schlagstock allerdings als Sicherungsseil, an dem sich Trittin festhielt, und der Bolzenschneider als Handschuh. Hätte man auf den ersten Blick erkennen können. Der war aber offenbar vernebelt durch den Kampagnenblick der Redaktion. Immerhin: Bild entschuldigte sich (→ Royals). Philip Grassmann

C

wie Collage

Für meinen ersten Freitag-Titel collagierte ich – damals noch in Vertretung – Angela Merkels Kopf auf ein Hasenkostüm (der Freitag 15/2017). Technisch ganz einfach, eben mal den Politikerinnenkopf freigestellt, Stockbild gesucht und eine freche Zeile dazugedichtet. Aufmerksamen Leserinnen sind sicher schon die augenzwinkernden Collagen aufgefallen, die wir hier ausbrüten: Armin Laschet als zünftiger Fleischer, Jens Spahn müde im Pyjama, Christian Lindner als erleuchteter Finanz-Jesus? Alles schon gemacht. Dabei ist es immer eine Gratwanderung von launig-heiter über genial-preisverdächtig zu total bescheuert und geschmacklos. Es liegen einige Entwürfe im Freitag-Giftschrank, die mir sehr unangenehm sind, über die ich aber nun lachen kann. Es gilt für Redaktion und Grafik: Nur weil einem die digitalen Tools alles ermöglichen, sollte man es nicht immer unbedingt tun (→ Photoshop Philipp). Ein Grund auch übrigens, warum Sie sich einen Grafikdesigner nicht zum Feind machen sollten. Susann Massute

J

wie James Fridman

Wer kennt’s nicht: Man macht ein schönes Urlaubsfoto, aber der Mond ist nicht zwischen den Fingern oder der Schiefe Turm von Pisa liegt nicht auf den Händen. Wenn man das nur irgendwie korrigieren könnte … Zum Glück gibt es James Fridman, der es sich zur Aufgabe macht, die verunglückten Bilder zu korrigieren; seine Arbeit postet er auf X. Die Anfragen setzt er dabei allerdings etwas eigenwillig um. Steht ein störender Mann im Hintergrund, wird der nicht etwa entfernt, sondern bekommt ein Kleid verpasst und den Kommentar „What man?“. Eine Müllsammlerin wird zwar wegretuschiert, konsequenterweise liegt dann aber überall Müll rum. Kurioserweise lesen sich die Anfragen auch nach Jahren noch so, als seien sie total ernst gemeint. Oder will irgendwer wirklich eine Zahnkrone auf dem Kopf, um wie eine Prinzessin auszusehen? Leander F. Badura

M

wie Mel Ramos

Mel Ramos, geboren 1935 in Sacramento, ist ein Künstler, der gerade in den 70er Jahren kritisch hinterfragt wurde. Die Diskussionen entzündeten sich vor allen Dingen an der Darstellung des Weiblichen in seinem Werk. Nach seinem Studium begann Ramos Frauen zu malen. Zuerst als Superheldinnen, die Comics entsprungen waren, doch bald auch solche, wie sie die Werbung präsentierte. Aufreizend lächelnde Pin-ups, durch Schlüssellöcher gesehen, die sich auf riesigen Konsumprodukten räkelten.

Photoshop CS ist der Titel eines Wandobjekts, bei dem Ramos Emaille als Werkstoff einsetzte. 2008 hat er es geschaffen, in einer Auflage von 125 Exemplaren. Es ist eine typische Ramos-Frau, die da vor einem ihr bis zur Taille reichenden Adobe Photoshop CS-Karton posiert. CS ist die achte Version von Photoshop und wurde 2003 für Macintosh und Windows veröffentlicht. Ramos sagte einmal, es sei ihm wichtig, „berühmte kulturelle Symbole zu verwenden, die jeder sofort erkennt“. Marc Peschke

P

wie Photoshop Philipp

„Er hat’s nicht so mit Menschen, aber er beherrscht Photoshop wie kein Zweiter.“ So besingt Jan Böhmermann im Magazin Royale eine Figur namens Photoshop Philipp. Der schlaksige Nerd hat eine große Brille und sehr helle Haut von der vielen Zeit vor dem Computer. Philipp hat in der Sendung schon Spiegel-Cover kreiert, Weihnachtskarten und SPD-Wahlplakate. Und da er „den schwarzen Gürtel in Photoshop“ besitzt, steckt er vermutlich auch hinter dem manipulierten Video mit dem Mittelfinger von Yanis Varoufakis. Adobe Photoshop ist eine teure Software – gerüchteweise nutzt Philipp allerdings die gecrackte Version, bezahlt also nicht für die Nutzung (→ Umsonst). Außerhalb der Sendung beherrscht Philipp-Darsteller Lorenz Feilke nicht nur Bildbearbeitung: Er wurde auch Dritter beim Poetry Slam im Eitorfer Jugendcafé. Ben Mendelson

R

wie Royals

Zugegeben, wir haben den Skandal der Woche – Kate-Gate – in dieser Zeitung bisher links liegen lassen. Dabei gab es im Fall des mit Photoshop bearbeiteten Muttertagsfotos von Herzogin Kate und ihren Kindern Prinz George (10), Prinzessin Charlotte (8) und Prinz Louis (5) unendlich viel zu berichten! Spiegel Online zum Beispiel widmete ihm neun Artikel und der Tagesspiegel holte sich externe Expertise ein: „dpa-Fotochefin zum manipulierten Kate-Foto: ‚Da sind mit Photoshop zwei, drei Fehler passiert.‘“ Lässlich? Mitnichten: „Piers Morgan fordert nach Kates Photoshop-Panne (→ Bolzenschneider) das Originalfoto“, vermeldete Bunte. Solange aber die Forderung des Ex-Sun-Ex-Daily-Mirror-Ex-CNN-Journalisten am Palastzaun abprallt, können wir nur mutmaßen, was auf dem Original zu sehen wäre: ein halb abgenibbeltes Dino-Tattoo auf der Hand von Prinz Louis und Marmelade am Ärmel von Prinzessin Charlotte? Sollte es keine bio-zertifizierte Orangenmarmelade von Opa Charles’ Marke Duchy Originals sein, wäre der Skandal perfekt. Und schon lesen wir bei Spon: „Meghan Markle macht in Marmelade“. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Christine Käppeler

S

wie Simulakrum

Er wusste es schon, bevor man an digitale Bildbearbeitung in ihrer heutigen Form überhaupt denken konnte: Jean Baudrillard, dieser Großskeptiker unter den modernen Medientheoretikern, proklamierte den Untergang der Realität. Allerdings ohne dass man es unmittelbar merken würde. Denn schleichend sollten insbesondere die neuen Medien die „echte“ Wirklichkeit durch Kopien, die ihr aufs Genaueste ähneln, ersetzen. Von retuschierten Fotografien bis hin zu gefakten Handyvideos aus Kriegsgebieten reichen inzwischen jene intuitiv kaum als falsch zu identifizierenden Zeugnisse. Und wie es sich für gescheite Propheten gehört, hat auch der 2007 verstorbene Philosoph Jean Baudrillard einen schlauen Begriff für seine Visionen zur Hand, nämlich das Simulakrum. Es klingt wie ein Monster (→ Avant la lettre) und bewohnt doch längst unseren Alltag. Björn Hayer

U

wie Umsonst

Photoshop ist Weltmarktführer und nicht gerade preiswert. Seit Adobe das Programm aber zum Teil eines Abo-Modells mit monatlichen Kosten gemacht hat, sehen sich immer mehr Nutzer nach kostenlosen Alternativen um. Die meisten Menschen brauchen schließlich gar keine Profibildbearbeitung. Vielen reichen schon die Tools und Filter ihrer Kamera-App auf dem Smartphone. Wer Werbebanner nicht scheut, kann Photopea nutzen. Das läuft komplett im Browser, die Oberfläche ist Photoshop sehr ähnlich. Man muss allerdings die Fotos hochladen. Das Programm Krita vereint Bildbearbeitung mit Funktionen von Adobe Illustrator, eignet sich also auch für Design- und Zeichenarbeiten (→ Zauberstab). Die meisten Menschen schwören aber auf das Programm mit dem Hundemaskottchen. GIMP heißt die bekannteste Umsonst-Alternative. Die Profisoftware hat alles, was man braucht. Weil sie zudem geringere Systemanforderungen stellt, läuft sie auch auf älteren Rechnern. Und sie ist bewährt: Die erste Version der Freeware erschien bereits vor 29 Jahren. Tobias Prüwer

Z

wie Zauberstab

Eine Design-Standardaufgabe ist das Freistellen: ein Motiv ausschneiden und dieses in eine fragwürdige Umgebung (→ Collage) oder vor einer poppigen Hintergrundfarbe platzieren. Photoshop bietet zahlreiche Möglichkeiten, das zu erreichen. Die bekannteste ist vermutlich der Zauberstab und seit der ersten Version dabei. Das Werkzeug misst an einer ausgewählten Stelle den Farbwert und wählt automatisch die gleichen benachbarten Werte aus. Der Zauberstab erzeugt dabei so typisch ausgefranste Kanten, die Profis sofort erkennen und als schlechtes Handwerk identifizieren. Gutes Freistellen war daher lange oft Handarbeit mit dem Zeichenstift-Tool. Scheinbar magisch sind mittlerweile die in Photoshop (→ Umsonst) integrierten KI-Tools. Es braucht nur einen Klick auf den Button „Hintergrund entfernen“ – hexhex. Susann Massute

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