„Moment, Moment, Moment, warten Sie mal, Benjamin!“, sagte der palästinensische Botschafter, Laith Arafeh, am Wochenende im Deutschlandfunk. Das war seine Reaktion, nachdem der Moderator Benjamin Hammer nach dreieinhalb Minuten darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sein Gesprächspartner die Angriffe der Hamas vom 7. Oktober immer noch nicht „abscheulich, grausam und brutal“ genannt hatte. Hammer formulierte es so, als wolle er von Arafeh diese drei Wörter (in genau dieser Reihenfolge) hören, um danach zur Tagesordnung überzugehen. Doch der Botschafter ließ sich nicht darauf ein. Er wollte kein Bekenntnis ablegen.
Sein Denken sei „überwältigt“ von den Geschehnissen in Gaza, wo 3.800 „unschuldige Palästinen
Moment, warten Sie mal, Benjamin!“, sagte der palästinensische Botschafter, Laith Arafeh, am Wochenende im Deutschlandfunk. Das war seine Reaktion, nachdem der Moderator Benjamin Hammer nach dreieinhalb Minuten darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sein Gesprächspartner die Angriffe der Hamas vom 7. Oktober immer noch nicht „abscheulich, grausam und brutal“ genannt hatte. Hammer formulierte es so, als wolle er von Arafeh diese drei Wörter (in genau dieser Reihenfolge) hören, um danach zur Tagesordnung überzugehen. Doch der Botschafter ließ sich nicht darauf ein. Er wollte kein Bekenntnis ablegen.Sein Denken sei „überwältigt“ von den Geschehnissen in Gaza, wo 3.800 „unschuldige PalXX-replace-me-XXX228;stinenser“ zu Tode gekommen seien, vor allem Frauen, Kinder und Alte. Der Deutschlandfunk schrieb später, einer „klaren Verurteilung der Terrorangriffe“ sei Arafeh „ausgewichen“. Dabei hatte der im Gespräch an anderer Stelle gesagt: „Wir verurteilen Hassverbrechen überall.“ Aber das reichte dem Sender nicht. Es waren nicht die Worte, die man hören wollte.In großen Krisen haben salvatorische Klauseln Hochkonjunktur. Das gilt nicht nur für den 7. Oktober. Seit diesem Tag beginnt jeder seriöse Artikel über Nahost mit dem Disclaimer, der Angriff der Hamas sei „abscheulich“, „unentschuldbar“ und „ohne Wenn und Aber“ zu verurteilen. Auch der Philosoph Slavoj Žižek begann so seine Rede auf der Frankfurter Buchmesse. Hatte denn wirklich jemand geglaubt, Žižek könnte auch nur die entfernteste Sympathie für Terroristen haben, für Blutbäder und Massenexekutionen? Nein. Aber die bürgerliche Gesellschaft versichert sich mit solchen Phrasen, dass sie noch auf der richtigen Seite steht. Doch das hat seinen Preis.In seiner Philosophie des Rechts hatte Hegel das menschliche Gewissen als „durchgängige Zurückgezogenheit in sich selbst“ bezeichnet. Angesichts der etlichen Kommentare, in denen jetzt immer dieselben Worte stehen, von der „Barbarei“ bis zur „Unmenschlichkeit“ der Hamas: Kann man die Abgrenzung zum Verbrechen so monoton wiederholen, ohne dass das zur Floskel verkommt? Kann man das eigene Gewissen proklamieren, ohne es gleichzeitig zu instrumentalisieren?Wenn Olaf Scholz im Spiegel „die größte Modernisierung der Industriegesellschaft seit Ende des 19. Jahrhunderts“ ankündigt, in deren Verlauf er es schaffen will, dass 80 Prozent des Stroms bis 2030 aus erneuerbaren Energien kommen, müsste er eigentlich nicht noch das Präfix „menschengemacht“ vor das Wort Klimawandel setzen. Wenn der nicht menschengemacht wäre, würde unser Umstellen auf Erneuerbare nichts verändern. Dass Scholz es trotzdem tut, hat mit der Selbstvergewisserung der eigenen Blase zu tun: Ich bin einer von euch. Auch wenn es um die Ukraine geht, muss man nur „russischer Angriffskrieg“ sagen, um kremlfreundlicher Umtriebe unverdächtig zu sein. Wem nützt das?Vorschlag: Lasst die Klimawandel-Leugner, Putin-Fans und Antisemiten keine Leitartikel schreiben, und schon können wir auf moralisches Abtasten des Gegenübers verzichten. Wer keine Angriffskriege will und den Klimawandel nicht leugnet, dem muss man nicht abverlangen, besondere Codewörter zu benutzen. Und wer kein Antisemit ist, den kann man auch ohne Bekenntnisse zum 7. Oktober befragen. Der palästinensische Botschafter Laith Arafeh besuchte im November 2022 das Holocaust-Denkmal in Berlin. Danach sprach er vom „abscheulichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte“.