Kindesmissbrauch-Skandal der Weltbank: Verzieh dich wieder zu Mastercard, Ajay Banga!

Kolumne 2020 wurde bekannt: In kenianischen Schulen, die von der Weltbank finanziert wurden, haben Lehrer ihre Schüler vergewaltigt. Leider hat sich der Weltbankchef jetzt erst in einem Brief bei den Opfern entschuldigt. Chronik eines Trauerspiels
Ausgabe 14/2024
Nicht immer Gold: Im Zusammenhang mit dem Kindesmissbrauch-Skandal hat Ajay Banga als Präsident der Weltbank zu lange geschwiegen
Nicht immer Gold: Im Zusammenhang mit dem Kindesmissbrauch-Skandal hat Ajay Banga als Präsident der Weltbank zu lange geschwiegen

Foto: picture alliance/REUTERS/Susana Vera

Man sollte keinen ehemaligen Mastercard-Manager zum Präsidenten der Weltbank machen. Echt nicht. Da kann nichts Gutes bei rumkommen. Ajay Banga, der am 2. Juni 2023 dieses Amt antrat, ist der Erste auf dem Posten, der aus der Privatwirtschaft kommt und nicht aus dem öffentlichen Sektor. Zuvor hatte er 13 Jahre Buchhaltung bei Nestlé gemacht, dann ging er zu Pepsi, bevor er 2010 Vorstandsvorsitzender des riesigen Zahlungsdienstleisters wurde. Wer hätte gedacht, dass so ein Oberkapitalist beim ersten Anstandstest durchrasselt?

Zwischen 2013 und 2022 hat die Weltbank 13,5 Millionen Dollar in die Bridge International Academies gesteckt. Das ist ein gewinnorientiertes Unternehmen, das Grundschüler*innen in Kenia, Uganda, Nigeria und Indien unterrichtet. Natürlich gegen eine kleine Gebühr. Insgesamt gehen 750.000 Kiddies auf diese Bridge-Schulen.

2020 wurden Berichte bekannt, wonach es in den kenianischen Bildungsstätten zu sexuellem Missbrauch an mehr als einem Dutzend Kinder gekommen sei. Eine interne Weltbank-Untersuchung vom letzten Oktober kam zu dem Ergebnis, dass Mitarbeiter weggeguckt hatten, nachdem die ersten Meldungen öffentlich geworden waren. Das Medium The Intercept ließ sogar Beamte zu Wort kommen, die sagten, sie hätten sich aktiv gegen Versuche wehren müssen, die Untersuchung zu „verlangsamen“. Und, wie reagierte Ajay Banga?

Hinter den Kulissen wird noch über Entschädigungszahlungen für die Opfer gestritten

Der wartete noch bis MITTE MÄRZ 2024, bis er sich in einem Brief für das „Trauma“ entschuldigte, das die kenainischen Kinder hätten erleben müssen. Auf einer Konferenz im Februar hatte er, angesprochen auf das Thema, noch patzig reagiert. Erstens wies er Berichte zurück, wonach die interne Untersuchung behindert worden sei. Zweitens hätten auch andere Institutionen in die Bridge-Schulen investiert, nicht nur seine Weltbank. Da hat er nicht unrecht: Auch ein Fonds von Mark Zuckerberg und andere aus dem Silicon Valley haben Geld in Bridge gesteckt. Aber sollte so ein Mann reden, dessen Organisation gerade einen Kindesmissbrauchsskandal an der Hacke hat? Nur damit das klar ist: Die Lehrer an den kenianischen Schulen sollen die Schüler*innen vergewaltigt haben. Wäre es da nicht angebracht, als Finanzier ebenjener Lehrer kleine Brötchen zu backen? Verglichen mit den Bemühungen der Weltbank und ihres Präsidenten sind evangelische und katholische Kirche wahre Musterbeispiele bei der Aufarbeitung von sexualisiertem Missbrauch.

Immerhin kündigte Banga in einer E-Mail an seine Mitarbeiter eine unabhängige externe Untersuchung an. Außerdem wurde ein „Management-Aktionsplan“ aufgesetzt. Was in diesem Plan leider nicht enthalten ist: Entschädigungszahlungen für die Opfer.

Hinter den Kulissen wurde heftig über diesen Punkt gestritten. Während sich die USA, Deutschland und Norwegen für Kompensationen starkmachen, warnen Großbritannien und Frankreich vor einem „teuren Präzedenzfall“, mit dem das Prinzip „Cash for Claims“ etabliert würde. Ganz vom Tisch ist das Thema aber noch nicht. In sechs Monaten wird die Internationale Finanz-Corporation, der monetäre Arm der Weltbank, einen neuen Bericht zu dem Fall vorlegen. Gut möglich, dass Entschädigungszahlungen darin dann doch wieder auftauchen.

Übrigens, Ajay Banga hat im Februar auch gesagt, dass er nichts dagegen hätte, „gefeuert zu werden“. Die Privatwirtschaft sei „viel interessanter“. Da möchte man ihm zurufen: Dann verzieh dich doch wieder zu Mastercard!

Super Safe Space

Dorian Baganz studierte Politik und Geschichte in London, Berlin sowie in Oslo. 2019 war er als Lokalreporter für die Süddeutsche Zeitung im Umland von München tätig. Seit 2022 ist er Redakteur beim Freitag und recherchiert dort vornehmlich zu Klimathemen und sozialen Umbrüchen. Die Kolumne Super Safe Space schreibt er im Wechsel mit Alina Saha, Elsa Koester, Tadzio Müller und Özge İnan.

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Geschrieben von

Dorian Baganz

Redakteur „Politik“, „Wirtschaft“, „Grünes Wissen“

Dorian Baganz, geboren 1993 in Duisburg, studierte Politik und Geschichte in London, Berlin sowie in Oslo. 2019 war er als Lokalreporter für die Süddeutsche Zeitung im Umland von München tätig. Seit 2022 ist er Redakteur beim Freitag und schreibt dort vornehmlich über Klimathemen und soziale Umbrüche. Gemeinsam mit Pepe Egger baute er ab 2022 das Nachhaltigkeitsressort „Grünes Wissen“ auf. Dort veröffentlicht er längere Reportagen, u.a. über geplante Gasbohrungen vor Borkum oder ein Wasserstoffprojekt in der Nordsee.

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