SPD stimmt für Law-and-Order-Koalition mit Kai Wegner: Das Letzte für Berlin

Meinung Die SPD hat sich in ihrem Mitgliederentscheid für eine Regierung mit der CDU entschieden. Bald wird Kai Wegner ins Rote Rathaus einziehen. Der Koalitionsvertrag verspricht „das Beste für Berlin“. Was das bedeuten wird: Law-and-Order-Politik
Wird von der SPD ins Amt des Regierenden Bürgermeisters gehievt: Kai Wegner von der CDU
Wird von der SPD ins Amt des Regierenden Bürgermeisters gehievt: Kai Wegner von der CDU

Das Ergebnis schwirrt schon seit über einer halben Stunde durch die Medien, da ist die SPD so gnädig und bittet die wartenden Journalisten zur Pressekonferenz in die obere Etage des Kurt-Schumacher-Hauses. Franziska Giffey stellt sich vor die Kameras und verkündet das „klare Ergebnis“: 6.179 Genossen hätten für den Koalitionsvertrag mit der CDU gestimmt, 5.200 dagegen. Was an dieser Mehrheit von 54,3 Prozent so „klar“ ist, erklärt der neben ihr stehende Co-Vorsitzende der Berliner SPD, Raed Saleh: Immerhin gebe es einen Vorsprung von knapp 1.000 Stimmen, „das ist einmal die Genossinnen und Genossen aus meinem Heimatbezirk Spandau.“ Mit anderen Worten: Ungefähr tausend Leuten haben wir es zu verdanken, dass bald Kai Wegner (CDU) die Hauptstadt befehligt.

Den ganzen Sonntag waren die 12.000 Stimmen des SPD-Mitgliedervotums ausgezählt worden. Dass am Ende die Mehrheit dafür gestimmt hat, Wegner zum Regierenden Bürgermeister zu wählen, versteht man wohl nur als Genosse. Zwar sagt Saleh, der Koalitionsvertrag mit dem Titel Das Beste für Berlin trage eine „komplett sozialdemokratische Handschrift“. Doch in der Realität wird es in Berlin bald eine Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung, Bodycams bei Polizeieinsätzen in privaten Wohnräumen und „Messerverbotszonen“ an „kriminalitätsbelasteten Orten“ geben. Wer Wegner kennt, weiß, auf wen er es bei letzterem abgesehen hat: Migranten und Ausländer. Unvergessen sein Auftritt im migrantisch geprägten Neukölln im Jahr 2020, als er einen gemieteten Lamborghini mit aufgeklebten Schusslöchern auf der Hermannstraße demonstrativ abschleppen ließ, um ein Zeichen gegen „Clankriminalität“ zu setzen.

Es darf geschossen werden

Diesen Mann, der sich in den Nullerjahren mit dem österreichischen Rechtsextremisten Jörg Haider abtat, hätten die Berliner Genossen dahin schicken müssen, wo er hingehört: in die Opposition. Immerhin hatte Rot-Rot-Grün nach der Wiederholungswahl am 12. Februar eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Im Vergleich zu 2016 hatte die SPD gerade mal 3,2 Prozentpunkte an Zustimmung verloren. Doch am Sonntag im Kurt-Schumacher-Haus wiederholt Raed Saleh das neue Narrativ seiner Partei: Das mit der CDU sei zwar „keine Liebesheirat“, aber mit ihr seien mehr sozialdemokratische Inhalte durchsetzbar gewesen als mit Linken und Grünen.

Besonders für letztere ist die neue Regierung, die am 26. April den Koalitionsvertrag unterzeichnen will, ein Schlag ins Gesicht: Die Groko plant die Einführung einer „bis zu fünftägigen“ Präventivhaft. Dann herrschen in Berlin bald fast schon Verhältnisse wie in Bayern, wo Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ gerne auch mal bis zu zwei Wochen weggesperrt werden. Und es darf zukünftig auch geschossen werden in Berlin: Den „finalen Rettungsschuss“ wollen die Koalitionäre „rechtssicher regeln“. Bis dato müssen sich Polizisten in der Hauptstadt bei einem gezielt tödlichen Schuss auf einen „Notstand“ berufen. Das reichte Wegner und seinen Leuten nicht.

Raed Saleh sagt, auch in seinem Freundeskreis seien einige der 5.200 Groko-Gegner, die gegen das Bündnis mit der CDU gestimmt hätten. Manche sähen „das mit dem Wegner als Person“ kritisch, andere wollten lieber Rot-Rot-Grün. Hätte er mal auf seine Kumpels gehört. Eine Koalition, die einen erfolgreichen Enteignungs-Volksentscheid abräumt, indem sie ein „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ schafft, das gar nicht dafür gedacht ist, tatsächlich jemanden zu enteignen, ist zumindest in linken Kreisen auf lange Zeit nicht wählbar. Von dort hatte es in den letzten Wochen oft in Richtung SPD geheißen: „Wo ein Wille, da kein Wegner.“ Am Sonntag hat sich gezeigt, dass es den Genossen an diesem Willen fehlt.

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Geschrieben von

Dorian Baganz

Redakteur „Politik“, „Wirtschaft“, „Grünes Wissen“

Dorian Baganz, geboren 1993 in Duisburg, studierte Politik und Geschichte in London, Berlin sowie in Oslo. 2019 war er als Lokalreporter für die Süddeutsche Zeitung im Umland von München tätig. Seit 2022 ist er Redakteur beim Freitag und schreibt dort vornehmlich über Klimathemen und soziale Umbrüche. Gemeinsam mit Pepe Egger baute er ab 2022 das Nachhaltigkeitsressort „Grünes Wissen“ auf. Dort veröffentlicht er längere Reportagen, u.a. über geplante Gasbohrungen vor Borkum oder ein Wasserstoffprojekt in der Nordsee.

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