Gesundheit: Warum Frauen mehr Heizung brauchen als Männer

Ungleichheit Wie warm brauchen Sie es im Wohnzimmer? 18 Grad? 21 Grad? Das ist keine Frage der Disziplin. Unser Bedarf an Wärme ist sozial ungleich verteilt: Je nach Geschlecht – und nach Alter
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 51/2022

Eisblumen glitzern an den Fenstern, draußen wandeln Gestalten aus Kinderbüchern, mit blauen Pudelmützen, roten Schals und dicken Handschuhen, die Sonne strahlt schwach durch die winterlichen Äste, und drin in der Stube versammelt sich die Familie (oder die Wohngemeinschaft), um sich zu wärmen bei molligen ... ja, wie warm ist es in Ihrem Wohnzimmer? Patriotische 18 Grad? Pazifistische 19 Grad? Heldenhafte 17, oder luschige 21 Grad? Zwischen Wirtschaftskrieg, explodierenden Energiekosten und Klimakrise scheint die Frage, wie viel Wärme man braucht – oder wie viel Kälte man aushält –, zu einer politischen Frage geworden zu sein, die unser Körperinneres durchzieht. Komisch, dass die Vorstellung von Warmduschern noch immer so moralisch aufgeladen scheint – verhält es sich mit Körpern doch wie mit heimischen Wohnzimmern: Je effizienter die Heizung und je besser die Isolation, desto einfacher ist ein Körper warm zu halten. Und wie bei den Wohnungzimmern gilt leider: Unsere Körperheizungen und unsere Körperisolationen sind sehr ungleich verteilt.

Beginnen wir mit der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Wenn wir frieren, verengen sich die Blutgefäße – die Hauttemperatur sinkt, Finger und Zehen kühlen aus, danach Arme und Beine. Der Körper schottet sich nach außen ab und wärmt seine lebenswichtigen Organe. Dann fangen wir an zu zittern: Unsere Muskeln sind unsere Heizung, sie produzieren Wärme. Nun haben Männer – durchschnittlich! Überlesen Sie bitte nicht das „durchschnittlich“ – etwa 25 Prozent mehr Muskelmasse als Frauen, ihre Heizung ist also größer. Noch dazu ist die Haut bei Frauen – durchschnittlich! – um 15 Prozent dünner als bei Männern, ihre Isolation ist also schlechter. Dass sie dabei mehr Fett haben, gleicht diese Ungleichheit leider nicht aus. All das liegt an den Hormonen, Testosteron ist für den Muskelaufbau zuständig, Östrogen fördert zarte Haut und Fettproduktion. Und hier noch mal zum „durchschnittlich“: Es gibt viele muskulöse Frauen, die weniger frieren, und unmuskulöse Männer, die mehr frieren. Und es gibt Hormontherapien. Wer Testostoron zu sich nimmt – wie etwa trans Männer –, entwickelt auch mehr Muskeln. Die Grenzen zwischen Geschlechtern sind fließend.

Wärme macht Frauen klüger

Diese körperlichen Unterschiede treffen nun in den Wohnungen und Büros dieser Welt aufeinander – in kollektiven Räumen also, in denen man sich auf eine gemeinsame Temperatur einigen muss. Leider ist es so, dass die Temperatur in den Büros das Leistungsvermögen der Geschlechter ganz unterschiedlich beeinflusst: Je wärmer, desto besser sind die Denkfähigkeiten von Frauen – und je kälter, desto besser sind die Denkfähigkeiten von Männern.