Ein Vertrag mit Haken

Klimagipfel Die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz sind ein Erfolg, gemessen am Erwartbaren – aber eine Niederlage, gemessen am Notwendigen
Ausgabe 51/2015
Der Begriff „Dekarbonisierung“ kommt im Abkommen nicht vor
Der Begriff „Dekarbonisierung“ kommt im Abkommen nicht vor

Foto: Patrick Kovarik/AFP/Getty Images

Politiker sprechen von einem historischen Tag und selbst die meisten Umweltschützer sind voll des Lobes: In Paris wurde ein neues Klimaabkommen vereinbart. Das ist ein großer Erfolg, gemessen an dem Erwartbaren. Doch es ist immer noch eine große Niederlage, gemessen an dem Notwendigen. Die tollen Ergebnisse haben leider auch ihre Haken.

Erstes Beispiel: Fast 200 Länder haben sich gemeinsam zur Emissionsbegrenzung bekannt, bisher waren nur die Industriestaaten dazu verpflichtet. Doch selbst wenn alle Staaten ihre Klimaschutzpläne komplett umsetzen, bleibt der CO2-Ausstoß drastisch zu hoch. Der Temperaturanstieg soll bei „deutlich unter zwei Grad“ gehalten werden, es läuft jedoch hinaus auf eine Erwärmung um rund drei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau. Das kann unkontrollierbare Folgen für den gesamten Planeten haben.

Zweites Beispiel: Erstmals wird die Begrenzung auf 1,5 Grad als Ziel erwähnt. Das ist ein Erfolg der vom Untergang bedrohten Inselstaaten. Allerdings hat es nur eine sehr vage Formulierung ins Abkommen geschafft: Die Länder wollen „Anstrengungen unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen“. Zudem helfen schöne Ziele nicht viel, wenn konkrete Vorgaben zu ausreichenden Emissionsminderungen fehlen.

Keine Sanktionen

Drittes Beispiel: Ab 2018 sollen die Staaten alle fünf Jahre zusammenkommen und ihre Minderungspflichten nachbessern, damit das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann. Dabei ist jedoch zweifelhaft, ob das so gelingen wird. Denn nach dem Pariser Klimagipfel ist der Druck raus. Die Staats- und Regierungschefs werden schon genug Probleme haben, das Abkommen durch ihre Parlamente zu bekommen. Warum sollten sie anschließend ihre Industrie beim CO2-Ausstoß noch stärker einschränken? Vermutlich können Umweltschützer froh sein, wenn die Zusagen im Pariser Vertrag überhaupt eingehalten werden. Sanktionen sind nämlich nicht vorgesehen.

Viertes Beispiel: Im Abkommen wird Klimaneutralität angestrebt. Menschengemachte Klimagase und deren natürliche Aufnahme – zum Beispiel durch Wälder – sollen zwischen 2050 und 2100 in ein Gleichgewicht gebracht werden. Dabei ist jedoch unklar, wie genau das berechnet wird. Der konkretere Begriff der „Dekarbonisierung“ – er bedeutet, dass die Wirtschaft CO2-frei wird – hat es nicht in das Abschlussdokument geschafft.

Fünftes Beispiel: Erstmals wird im Vertrag eine konkrete Zahl zum verkraftbaren Ausstoß von Klimagasen genannt: 2030 dürfen die Emissionen nur noch 40 Milliarden Tonnen betragen. Allerdings ist unklar, welches Land die Verantwortung trägt, wenn diese Menge überschritten wird. Derzeit läuft es auf 55 Milliarden hinaus. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hatte noch vor zwei Jahren eine Maximalmenge von 35 Milliarden Tonnen angegeben, die Zahl dann aber nach oben gesetzt – möglich wurde das bloß durch die irrige Annahme, dass später umso stärker reduziert werde. Das vermittelt die Botschaft: Der CO2-Ausstoß kann noch einige Jahre gigantisch bleiben, wenn danach schnell genug reduziert wird – egal, wie unrealistisch das heute erscheint.

Im Vergleich mit den Ergebnissen bisheriger Klimagipfel ist das Abkommen von Paris ein Fortschritt. Große Ziele lassen sich jedoch leicht beschließen. Schwierig wird die Umsetzung, da ist der Vertrag sehr schwach. Der Kampf um die Rettung der Erde hat gerade erst begonnen.

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