Gefuchtel mit dem Grundgesetz

Demokratie In der Auseinandersetzung mit der AfD bemüht Justizminister Heiko Maas deren mutmaßliche Verfassungsfeindlichkeit. Das sollte er lieber lassen
Ausgabe 37/2017
Justizminister Heiko Maas spielt leichtfertig mit dem Grundgesetz
Justizminister Heiko Maas spielt leichtfertig mit dem Grundgesetz

Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images

Der Bundesjustizminister hat erklärt, Teile des AfD-Wahlprogramms seien grundgesetzwidrig. Dabei bleibt unklar, ob Heiko Maas (SPD) hier als Wahlkämpfer oder Regierungsmitglied spricht. Im letzteren Fall müsste er, wollte er seinen Worten Taten folgen lassen, ein Verbot der AfD nach Artikel 21 des Grundgesetzes erwägen. Das tut er nicht. Wie zwei NPD-Prozesse zeigen, ist das Bundesverfassungsgericht in solchen Verfahren mittlerweile spröde. Das Scheitern eines Verbotsantrags wäre für die AfD ein Triumph.

Maas hat sich wohl doch eher als Wahlkämpfer geäußert – vielleicht, um die Reste des Bernd-Lucke-Flügels in der AfD zu warnen. Wer jedoch dieser Partei bisher die Treue gehalten hat, hat sich längst entschieden: Den Höcke-Flügel wollen sie nicht verlieren. Nicht Alexander Gauland. Nicht Alice Weidel mit ihrer Tag für Tag bröckelnden bürgerlichen Fassade, hinter der blanker Rassismus lauert.

Die Behauptung, die AfD sei verfassungswidrig, macht die Partei für zahlreiche Anhänger zusätzlich attraktiv. Denn im Grundgesetz stehen ja Sachen, vor allem im Gleichheitsartikel 3, die sie zutiefst verabscheuen. Deshalb wählen sie AfD.

Heiko Maas ist dagegen ein leichtfertiger Umgang mit dem Grundgesetz vorzuwerfen.

Das Grundgesetz steht nicht im Weg

Einer der klügsten Juristen der Bundesrepublik war der zwischen 1965 und 1988 an der Universität Gießen lehrende Verfassungsrechtler Helmut Ridder: Manchmal stritt er mit Sozialisten, Antifaschisten und Liberalen, die darauf bestanden, ihre Ziele – Sozialismus, Antifaschismus, Liberalismus – seien im Grundgesetz garantiert. Er antwortete: Diese von ihm durchaus geschätzten Dinge seien von der Verfassung weder geboten noch verboten. Sie müssten in gesellschaftlichem, politischem Widerstreit verwirklicht werden. Wenn das gelungen sei, dann stehe das Grundgesetz nicht im Weg.

Großbritannien hat keine geschriebene Verfassung. Keiner würde dort einen politischen Kampf dadurch führen, dass er nicht vorhandene Buchstaben für sich reklamiert. Die Demokratie ist dort nicht weniger stabil als hierzulande.

Man möchte hoffen, dass Maas politische Potenziale auf seiner Seite hat, mit denen er die AfD wirksam bekämpfen kann. Sein Gefuchtel mit dem Grundgesetz lässt befürchten, dass der Minister selbst nicht so recht daran glaubt.

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