Red Bull goes Tour de France: Sport der Doppelnamen

Kolumne Der Energy-Drink-Hersteller aus Österreich Red Bull ist unlängst eingestiegen in zahllosen Sportarten – von Wintersport bis Skateboarding. Nun ist der Konzern auch beim Rennradsport dabei und wurde freundlich willkommen geheißen
Ausgabe 09/2024
Tourstart ist am 29. Juni 2024 in Florenz – mit dabei: Die Fahrer von bora-hansgrohe Red Bull
Tourstart ist am 29. Juni 2024 in Florenz – mit dabei: Die Fahrer von bora-hansgrohe Red Bull

Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images

Eine der wichtigsten Meldungen des jungen Jahres betrifft eine Sportart, die sich gerade erst warmfährt am anderen Ende der Welt, Monate von den Saisonhöhepunkten entfernt. Doch nicht nur weil das Radfahren derzeit nur ein nerdiges Stammpublikum hat, breitete sich keine Aufregungswelle aus, als verkündet wurde: Red Bull steigt nun auch in den Sattel. Nach trendigen, teils selbsterfundenen Wintersportarten, nach Skateboarding, Wingsuit-Fliegerei, Formel 1 und Fußball ist der Energy-Drink-Hersteller aus Österreich auch in den Radrennsport eingestiegen. In dem so viel Geschichte steckt – jedes Jahr bei der Tour de France werden wir verlässlich erinnert an epische Bergetappen und verregnete Zeitfahren. Will man die Eindringlinge aus Fuschl am See wirklich im Peloton sehen?

Red Bull wurde freundlich willkommen geheißen. Es hat die Mehrheit übernommen bei dem Rennstall aus dem oberbayerischen Ort Raubling, der bisher auf den Namen bora-hansgrohe hört. Wird nun zu bora-hansgrohe Red Bull. Oder zu Red bora hansBullgrohe. Jedenfalls muss Red Bull sich nicht verstellen wie im Fußball, wo RB für Rasenballsport steht. Kein Radbetrieb Raubling also. Der internationale Radsport ist eine perfekte Projektionsfläche für die Fantasien der Wirtschaft. Die Utopie, dass es keine Vereinsmannschaften, sondern Firmenteams gibt – hier wird sie gelebt.

Bora, hansgrohe und Red Bull – was für eine herrlich krude Mischung. Seit’ an Seit’: Kochfeldabzugssysteme, Badewannenarmaturen und ein taurinhaltiges Lifestyle-Getränk. Aber der professionelle Radsport hat sich nun mal in diese Richtung entwickelt: Er ist offenbar so teuer geworden, dass ein einzelner Namensgeber die Gehälter gar nicht mehr bezahlen kann. Kein Team Telekom mehr, kein Team Gerolsteiner, Milram, Rabobank, US Postal, sondern Alpecin-Deceuninck, Decathlon AG2R La Mondiale, dsm-firmenich PostNL. Ein Anti-Schuppen-Shampoo paart sich mit einem Fenster- und Türenproduzenten, ein Sportfachgeschäft mit einem Rentenversicherer, ein Duftstoff mit einem Brief- und Paketversender. Ein Match sind auch Discounter Lidl und die Fahrradmarke Trek, und es ist schade, dass die Mannschaft, die 2022 noch als Intermarché-Wanty-Gobert Matériaux antrat, 2024 nur noch als Intermarché-Wanty durch die Landschaften rollt.

Klingt zwar alles lächerlich, doch man sollte dem System nicht absprechen, dass es zur Allgemeinbildung beiträgt. Man wird neugierig, googelt – und erweitert sein Wissensspektrum über die Weltwirtschaft. Hätten wir ohne Tour de France und Giro d’Italia gewusst, dass Once, das jahrelang einen Rennstall betrieb, die spanische Blindenlotterie ist? Oder, auch interessant, welche Branche von welcher geschluckt wird. Sehr sympathisch war vom Namen her Brioches La Boulangère, eine französische Bäckereikette, die abgelöst wurde von einer Telefongesellschaft (Bouygues Telecom), einem Autovermieter (Europcar) und einem Gas- und Elektrizitätsversorger (Total direct Energie). Kein Wandel zum Guten beim Teambetreiber.

Vom Einstieg von Red Bull sind die Radfunktionäre begeistert. Sie träumen von ganz neuen Publikumsschichten. Und ja, kann gut sein: Im Juli ist Fußball-Bundesliga-Pause, die Ultras aus den Stadionkurven haben Zeit, um an Frankreichs Serpentinen zu stehen und zu protestieren.

Günter Klein ist Chefreporter Sport beim Münchner Merkur. Für den Freitag schreibt er die Kolumne „Der Sportreporter“.

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