Zum Tod von Peter Sodann: Der Name Ehrlicher passte zu ihm

Nachruf Der Schauspieler, Theatermacher und Büchersammler Peter Sodann ist tot. Unsere Autorin besuchte ihn vor drei Jahren und erinnert an einen aufrechten, ehrlichen Kämpfer für das kulturelle Erbe der DDR, der das Plebejische in sich bewahrte
Ausgabe 15/2024
Peter Sodann (1936–2024)
Peter Sodann (1936–2024)

Foto: Kirsten Nijhof/dpa

Wie hatte ich mich auf ein Wiedersehen gefreut, als ich am 22. März mit einer Gruppe interessierter Leser in der Peter-Sodann-Bibliothek in Stauchitz war. 2021 war ich schon einmal hier und besuchte die imposante Sammlung von Büchern aus der DDR, die Peter Sodann auf dem Gelände eines einstigen Ritterguts eingerichtet hat: Millionen von Bänden, gerettet vor dem Altpapier und nun geordnet nach den rund 260 Verlagen der DDR. Beim erneuten Besuch fehlte er. „Geht es ihm so schlecht?“ Ein stummes Nicken, und ich bekam Angst, dass ich ihn nicht wiedersehen würde. Am 5. April ist Peter Sodann im Alter von 87 Jahren verstorben.

Sodann kam in Meißen zur Welt, der Vater war Stanzer und fiel im Krieg, die Mutter war Landarbeiterin. Den sowjetischen Soldaten, der eine gerupfte Gans brachte, als er die Armut im Hause sah, würde er nie vergessen, erzählte er. Sodann war einer, der früher nie hätte studieren können und dann zur Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, zur Uni Leipzig und schließlich zur Theaterhochschule ging. Einer, der nicht zum Staatsfeind wurde, nachdem ihm wegen eines angeblich staatsgefährdenden Programms in einem Studentenkabarett der Prozess gemacht wurde. Zu zehn Jahren wurde er verurteilt, zehn Monate war er eingesperrt. Er machte eine Ausbildung zum Spitzendreher, ehe er sein Studium fortsetzen durfte.

Peter Sodann war der erste Tatort-Kommissar aus dem Osten

Es folgten Arbeiten am Berliner Ensemble, in Erfurt, Karl-Marx-Stadt, Magdeburg, ehe er über zwanzig Jahre in Halle tätig war, erst als Schauspieldirektor des Landestheaters, dann als Intendant des Neuen Theaters, das er zu einer „Kulturinsel“ formte – mit Großem Saal, Hoftheater, Kammertheater, Puppentheater, Galerie, Literaturcafé, Theaterkneipe. Es war ein Schlag für ihn, dass seine Intendanz mit der Spielzeit 2004/2005 gegen seinen Willen endete. Aber hatte er das nicht schon oft erlebt, dass er fiel und wieder aufstand?

Nach der Wende war er als Bruno Ehrlicher von 1992 bis 2007 der erste Tatort-Kommissar aus dem Osten. Es war nur eine seiner über 70 Rollen in Film und Fernsehen. Das Sächsische hat er als Haltung kultiviert, Ehrlicher war wie ihm auf den Leib geschrieben. Schon der Name passte zu ihm. Aufrecht war er, unverhohlen, integer, klug – und bewahrte das Plebejische in sich. Ein kariertes Hemd passte zu ihm besser als ein feiner Anzug. Knurrig, grob konnte er wirken, umso glücklicher machte es einen, wie man mit ihm lachen konnte.

2009 trat er für Die Linke als Bundespräsident an

Wie viel hatte er in Stauchitz noch schaffen wollen: ein Hoftheater, eine Kneipe. Doch allein die Bibliothek mit Archiv und angeschlossenem Antiquariat brauchte mehr Hände als die seinen. Eine Genossenschaft wurde gegründet. Wenige Angestellte, viele Ehrenamtliche. Inzwischen gibt es eine Zweigstelle in Magdeburg.

Zu seinem Tod wird ihm nun Ehre erwiesen – bis hinauf zum Bundespräsidenten (2009 hat er selbst für Die Linke für dieses Amt kandidiert). Was er sich vor allem gewünscht hätte: Unterstützung seiner Bibliothek als gesamtdeutsches Kulturgut. In diesen Räumen lebt sein Geist. Sein Aufbegehren. Den Leuten, die ihm Bücher brachten, konnte er nicht einfach dankbar sein. Es ärgerte ihn, dass sie dieses so wertvolle Gut weggaben. Am Tor zur Bibliothek empfangen einen Brechts Fragen eines lesenden Arbeiters und in den Räumen halten weitere Gedichte und Sprüche die Blicke fest. Was Peter Sodann da geschaffen hat, ist ein Gesamtkunstwerk, eine grandiose Inszenierung. Kämpferisch für das kulturelle Erbe der DDR. Trotzig gegen die Vergänglichkeit.

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