Polens Präsident Andrzej Duda wird zur Marionette der Oppositionspartei PiS

Meinung Offener Machtkampf mit Regierungschef Donald Tusk und die Verhaftung zweier Oppositionspolitiker im Präsidentenpalast: Präsident Andrzej Duda hat sich verrannt
Die Verhaftung zweier Oppositionspolitiker im Präsidentenpalast führt zu Protesten in Polen
Die Verhaftung zweier Oppositionspolitiker im Präsidentenpalast führt zu Protesten in Polen

Foto: Radek Pietruszka / picture alliance / EPA

Es war schon eine denkwürdige Premiere, die es am Dienstagabend im Palast von Staatspräsident Andrzej Duda gab. Eben dort wurden zwei Politiker, die noch kurz zuvor wichtige Funktionen innehatten und gewählte Parlamentsabgeordnete sind (und nun wohl: waren), verhaftet und ins Gefängnis gebracht.

Die Rede ist von Mariusz Kamiński, Vizechef der nun oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), zwischen 2015 und 2019 Koordinator der Geheimdienste und während der vergangenen vier Jahre Innenminister. Bei dem anderen handelt es sich um seinen Stellvertreter Andrzej Wąsik. Die beiden wurden 2015, vor der Machtübernahme durch die PiS, von einem Gericht wegen Rechtsverletzungen in ihren Funktionen als Chef und Vizechef der Antikorruptionsbehörde CBA in den Jahren 2006/07 verurteilt. Noch bevor ein rechtskräftiges Urteil gesprochen wurde, begnadigte sie der damals frisch gewählte PräsidentAndrzejDuda – nach Ansicht von Juristen ein widerrechtlicher Vorgang. So sah es das Oberste Gericht und ordnete im Juni 2023 eine Neuverhandlung an, die am 20. Dezember mit einem rechtskräftigen Urteilsspruch, lautend auf zwei Jahre Haft, endete.

Duda wirkte bei seiner Videobotschaft macht- und hilflos

Nun fielen die seinerzeit fragwürdigen Vorgänge allen Beteiligten vor oder vielmehr auf die Füße, vor allem auf die von Duda. Einen Tag nach den Festnahmen erklärte der 51-Jährige – er ist noch bis Frühjahr 2025 im Amt – per Video vor der Presse, wie erschüttert er ob der Verhaftungen sei. Duda wirkte so, wie er sich trotz seiner erheblichen Machtbefugnis wohl tatsächlich fühlt: macht- und hilflos. Denn trotz seiner inzwischen mehr als achtjährigen Amtszeit hat sich der aus der PiS entstammende Politiker nicht freischwimmen und als eigenständiges Staatsoberhaupt – vom Volk zweimal direkt gewählt – etablieren können.

Duda bleibt offenbar in den Diensten der PiS und redet heute wie 2015 PiS-Chef Jarosław Kaczyński nach dem Mund. Im Streit um die PiS-Politiker hätte er dabei durchaus an Profil gewinnen können, wenn er die beiden Verurteilten nochmals begnadigt hätte – diesmal gäbe es darum keinen juristischen Streit. Damit hätte er zwar indirekt einen Fehler eingeräumt und kurzfristig der Regierung einen Erfolg beschert, mittelfristig aber an Autorität gewonnen. Vermutlich um den Preis eines Bruches mit der PiS. Deshalb hat er es nicht getan und wird es auch nicht tun.

Das Veto-Schwert kann wie ein Bumerang auf die PiS zurückschlagen

Dudas Position und PiS-Hörigkeit lassen auch künftig Konflikte mit der Regierung von Donald Tusk erwarten, wenn die ihr Regierungsprogramm umzusetzen beginnt. Vor allem das Veto-Recht des Präsidenten gegen jedes Gesetz (das Haushaltsgesetz ausgenommen) der Regierung, das die Dreier-Koalition Tusks nicht umgehen kann, gibt Duda oder vielmehr der PiS ein machtvolles Instrument in die Hand, um die Arbeit der jetzigen Regierung mehr als nur zu behindern. Gleichwohl könnte das Veto-Schwert wie ein Bumerang auf die PiS zurückschlagen, sollte sie den Bogen überspannen.

Man darf Donald Tusk dank seiner bisherigen politischen Vita, taktische und strategische Fähigkeiten unterstellen: Der 66-Jährige wäre gut beraten, sein Regierungshandeln so zu gestalten, dass er Duda zum Gebrauch seines Vetorechts provoziert, und zugleich jedes mögliche „Nie!“ als ungerechtfertigte Blockade wahrgenommen wird. Die Strategie könnte sich bereits bei den Europa- sowie den Kommunalwahlen im Frühjahr auszahlen – nicht zuletzt bei der Neuwahl des Staatspräsidenten 2025. Duda darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten, und das Narrativ des Regierungslagers ist schon jetzt klar: Jeder Präsidentschaftskandidat der PiS bedeute per se Blockade.

Eine solche Strategie dürfte aufgehen, und dies nicht nur, weil Tusk mit allen politischen Wassern gewaschen ist und PiS-Chef Kaczyński, der sein einst ausgeprägtes Machtgespür verloren zu haben scheint, deutlich übertrumpft. Sie wird auch deshalb funktionieren, weil die Menschen im Land den Machtkampf mit dem Präsidenten, wie er die ersten Wochen der neuen Regierung prägt – bei Fragen zur Kompetenzen der Gerichte oder beim Haushalt – schnell satt haben werden. Dass die PiS dazu noch ihr bisheriges mediales Sprachrohr, die einflussreichen staatlichen Medien, aus der Hand geben musste, macht dieses Szenario nur wahrscheinlicher.

Präsident Andrzej Duda muss darauf achten, dass er in polnischen Geschichtsbüchern nicht eines Tages als politische Marionette par excellence verewigt wird.

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