Wer vor dem 11. Dezember 2023 nichts von der polnischen Politik gewusst und gehört hatte, um sich sodann die Regierungserklärung des scheidenden Premierministers Mateusz Morawiecki vor dem Sejm anzuhören, konnte meinen: Da redet ein aufgeklärter Konservativer, dazu mit linkem Anstrich, der seine Gegner nicht angreift, dafür aber eine plausible Vision für kommende vier Regierungsjahre darlegt.
Nichts war in der Sejm-Debatte zu Wochenanfang von der hetzerischen Rhetorik zu hören, wie sie in den vergangenen acht Jahren für die Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zum Repertoire gehört. Keine Fortschreibung eines Wahlkampfs der Angstmache, wie er die Wochen vor dem Urnengang am 15. Oktober beherrscht hatte. Allein, das schöne Reden von der Kultur und dem Kreativsektor als Polens künftiger Wachstumsbranche, vom Kampf gegen den Neoliberalismus, von der Aufwertung der Arbeit gegenüber dem Kapital – es nützte nichts.
Die Zwei-Wochen-Regierung der PiS hat am 11. Dezember das Vertrauensvotum erwartungsgemäß verloren. Die absolute Mehrheit im 460 Mandate zählendem Sejm beträgt 231 Sitze, die PiS erhielt nur 190 der 194 Stimmen des eigenen Lagers. Alle 248 Abgeordneten der künftigen Dreier-Koalition sowie alle 18 der rechtslibertären Konfederacja stimmten geschlossen gegen die PiS.
Donald Tusk steht unter dem Druck seiner Wahlversprechen
Mit dem Votum geht eine Farce zu Ende, in der eine PiS-Regierung so getan hat, als ob sie regieren könnte, und ein Schattenkabinett mit klarer Mehrheit nicht antreten durfte. All dies, während kriegerische Konflikte die Welt in Atem halten und an der Grenze zur Ukraine die energischen Proteste polnischer Spediteure weitergehen.
Davon unbeeindruckt nutzte die PiS mit Hilfe von Staatspräsident Andrzej Duda die Zeit, um noch ein paar staatliche Posten mit loyalem Personal zu besetzen und nebenbei den Menschen im Land zu zeigen, was sie bekommen hätten, würde die PiS regieren. Sich des Drucks bewusst, hat der neue Regierungschef Donald Tusk bereits vor Tagen signalisiert, kostspielige Wahlversprechen – eigene und die der PiS – würden umgesetzt.
Für das nahe und ferne Ausland dürften die außenpolitischen Veränderungen bedeutender sein, die das liberale Mitte-Links-Bündnis mit sich bringt. Und auch hier bemühte sich die PiS-Partei in Gestalt ihres Vorsitzenden Jarosław Kaczyński, Druck aufzubauen. Tusk stelle eines der in seinen Augen wichtigsten Vorhaben seiner Partei infrage. Angesichts der Bedrohung durch das „sowjetische (sic!) Imperium“ müsse es weiterhin heißen: „Aufrüsten, aufrüsten und nochmals aufrüsten“, jegliches Abweichen von der diesbezüglichen PiS-Politik wäre gleichbedeutend mit einem Schlag „gegen die polnische Sicherheit“.
Polens Vorzeige-Europäer muss nun wieder stärker Pole sein
Dabei kommt die Bedrohung in den Augen von Kaczyński auch aus der EU-Zentrale. Polen könne mit einer Regierung Tusk zu „einer von Brüssel und letztlich von Berlin aus regierten Region“ degradiert werden.
Damit sind die Pflöcke gesetzt. Die Dreier-Koalition von Donald Tusk ist am Zug. Bereits am Donnerstag wird der neue Regierungschef nach Brüssel zum Europäischen Rat reisen. Polens Vorzeige-Europäer muss nun wieder stärker Pole sein. Aus dem Fahrwasser der PiS wird er so schnell nicht herauskommen, dafür hat die nunmehrige Ex-Regierungspartei nach Kräften gesorgt.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.