Regionalwahl in Abruzzen: Verloren ist verloren

Italien Bisher haben sich Hoffnungen in Italien zerschlagen, dem Rechtsblock könnte eine einmütige Linke begegnen. Denn die Kriegsfrage führt nicht zusammen, sondern spaltet
Ausgabe 11/2024
Demonstranten in Pisa fordern einen Waffenstillstand in Gaza
Demonstranten in Pisa fordern einen Waffenstillstand in Gaza

Foto: Marcello Valeri/ZumaPress/picture alliance

Auf Hoffnung folgte Enttäuschung. Zwei Wochen nach dem knappen Erfolg der Mitte-links-Opposition bei der Regionalwahl auf Sardinien wurde es am 10. März nichts mit ihrem Versuch, auch in der kleinen mittelitalienischen Region Abruzzen den Rechtsblock zu besiegen. Trotzdem habe man eine wichtige Botschaft an das ganze Land gesandt, so Stefania Pezzopane vom Partito Democratico (PD). Denn anders als bei der nationalen Parlamentswahl im September 2022 sei die Opposition gegen die von Giorgia Meloni angeführte Rechte diesmal vereint angetreten.

Nach dem Mitte-links-Erfolg auf Sardinien

Verloren hat sie dennoch. Und auch die in Rom regierende Koalition sandte eine Botschaft. Aufgeschreckt durch die unerwartete Niederlage in Sardinien, hatte ihr Spitzenpersonal schnell noch die Abruzzen aufgesucht. Nicht nur die Regierungschefin, auch ihre Koalitionäre Matteo Salvini (Lega) und Antonio Tajani (Forza Italia) griffen mit rüder Rhetorik in den dortigen Wahlkampf ein. Besonders tat sich dabei der parteilose Kulturminister Gennaro Sangiuliano hervor: Die umkämpfte Region dürfe nicht „den Kommunisten“ in die Hände fallen, warnte er. Das galt den braven Sozialdemokraten des PD. Sangiuliano wörtlich: „Sie sind immer noch Kommunisten, auch nach dem Fall der Berliner Mauer, gefangen in einer unseligen und antiliberalen Ideologie.“

Bei den kommenden regionalen Wahlkämpfen und besonders in den Wochen vor der Wahl zum EU-Parlament Anfang Juni droht Italien nun weitere – nicht nur verbale – Eskalation. Die international gern moderat auftretende Giorgia Meloni setzt innenpolitisch auf Konfrontation. Ihr Hauptfeind ist „die Linke“, die nach ihrer Meinung auch schuld ist, wenn Polizeikräfte in letzter Zeit vermehrt Straßenproteste niederknüppeln oder besetzte Schulen räumen.

Staatspräsident Sergio Mattarella intervenierte

Besonders brutal ging die Staatsmacht in Pisa vor, als am 23. Februar Schüler und Studierende für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza demonstrierten. Mindestens 13 von ihnen, darunter Minderjährige, wurden durch Schlagstöcke verletzt – obwohl sie mit erhobenen Händen ihre Friedfertigkeit zeigten. Noch am selben Abend solidarisierten sich in der Stadt Tausende mit den Opfern der Polizeigewalt. Nicht nur der Erzbischof, der Gewerkschaftsbund CGIL und der PD verurteilten die Polizeimethoden, auch Staatspräsident Sergio Mattarella intervenierte mit einer öffentlichen Rüge für Innenminister Matteo Piantedosi, den Schützling Salvinis. Dessen Lega und Melonis Fratelli d’Italia dagegen dankten der Polizei, entdeckten angebliche Drahtzieher aus den autonomen Sozialzentren und verurteilten die „schändliche Instrumentalisierung“ der Vorfälle durch die linke Opposition.

Linke Veteranen haben Ähnliches unzählige Male erlebt. So schreibt der auch in Deutschland nicht unbekannte Historiker Sergio Fontegher Bologna (geb. 1937), zwischen dem Staatsterror in Genua 2001 und der Polizeigewalt in Pisa 2024 habe sich aus seiner Sicht wenig verändert. Wichtigster Unterschied: Heute erfolge die Zuspitzung in einem Klima, in dem die gesamte Gesellschaft – und nicht nur der Militärapparat – offen auf die Eventualität eines Krieges vorbereitet werde.

Auf der Straße wegen Gaza

Neu ist die heftige Reaktion der Staatsgewalt für diejenigen, die erst seit Kurzem ihren Protest auf die Straße tragen und effektive Maßnahmen fordern gegen Inflation, Wohnungsnot oder marode Schulen, aber auch gegen Klimawandel, Aufrüstung und Krieg. Für die junge Protestgeneration ist hauptsächlich der Krieg in Gaza das mobilisierende Thema. Auch die Demonstrationen am 8. März, dem Internationalen Frauentag, waren geprägt von der Forderung nach sofortigem Waffenstillstand.

So wächst, zumindest auf Italiens Straßen, vielerorts zusammen, was zusammengehört. Anders sieht es aus bei Parteien und Organisation des Mitte-links-Lagers. Was regional mit einem Mindestmaß an gutem Willen gelingen kann, scheint auf nationaler Ebene schwierig bis unmöglich: ein Bündnis aller Kräfte, die sich dem rechten Block entgegenstellen. Hier ist es die Kriegsfrage, die nicht zusammenführt, sondern spaltet. Während die Fünf-Sterne-Bewegung Waffenlieferungen an die Ukraine strikt ablehnt, unterstützt der PD Melonis Kurs atlantischer Bündnistreue.

Daran dürfte sich so schnell nichts ändern, zumindest nicht bis zum nächsten politischen Großereignis auf italienischem Boden: dem G7-Gipfel Mitte Juni in dem beschaulichen Städtchen Fasano (Apulien). Dort werden die außerparlamentarischen Bewegungen mit ihren Anliegen ziemlich allein sein, konfrontiert mit der hochgerüsteten Staatsgewalt. Giorgia Meloni warnte, sie höre schon heute „Stimmen, die mich an für unsere Nation sehr schwierige Jahre erinnern“. Deutlicher musste sie nicht werden.

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