Italien: Giorgia Meloni plant eine autoritäre Verfassungsreform

Meinung Melonis Regierungskoalition will durchsetzen, dass siegreiche Listenverbindungen stets 55 Prozent der Sitze in den Kammern erhalten – auch bei einer nur relativen Mehrheit. Das wäre eine massive Einschränkung der Rechte des Parlaments
Ausgabe 45/2023
Will ihre Macht mit undemokratischen Mitteln sichern: Giorgia Meloni
Will ihre Macht mit undemokratischen Mitteln sichern: Giorgia Meloni

Foto: picture alliance/ANSA/Fabio Frustaci

Für Giorgia Meloni ist es „die Mutter aller Reformen“. Mit der Direktwahl des Premiers bekomme Italien endlich eine stabile Regierung, deren Zusammensetzung dem Mehrheitswillen am Wahltag entspreche. Künftig nämlich sollen während einer Legislaturperiode Koalitionswechsel und Kabinette unter parteilosen Technokraten nicht mehr möglich sein – die vollendete Demokratie!

Bei genauerem Hinschauen wird das Gegenteil sichtbar. Die jetzt von der Rechtskoalition auf den Weg gebrachte Verfassungsänderung – das „Premierato“ – schränkt die Rechte des Parlaments massiv ein. Verliert ein Regierungschef das Vertrauen der parlamentarischen Mehrheit, kann er nur durch eine Person ersetzt werden, die bei der Wahl „in Verbindung“ mit diesem Premier angetreten ist. Das gefällt nicht nur Melonis Partei der „Brüder Italiens“, sondern auch der Lega. Deren Chef Matteo Salvini hält sich schließlich bereit, bei passender Gelegenheit Ministerpräsident zu werden. Dabei könnte die Opposition fortan nur zusehen. Um Mehrheitsverhältnisse stabil zu halten, soll die siegreiche Listenverbindung 55 Prozent der Sitze in beiden Kammern bekommen, auch wenn sie bei einer Wahl nur eine relative Mehrheit erreicht.

Silvio Berlusconi und Matteo Renzi scheiterten

Noch ist es nicht so weit. Jenseits der Regierungsparteien stoßen diese Pläne auf vehemente Ablehnung. Von „Schweinerei“ spricht Elly Schlein, Generalsekretärin des Partito Democratico. Andere wie Maurizio Landini vom Gewerkschaftsbund CGIL warnen davor, die nach 1945 im Geist des Antifaschismus geschaffene Verfassung anzutasten, etwa das Zweikammersystem und die starke Position des Staatspräsidenten als „Garanten“ demokratischer Verfahren in Krisenzeiten.

Auch in Italien können Verfassungsänderungen nur mit Zwei-Drittel-Majorität verabschiedet werden. Mit einfacher Mehrheit beschlossene Gesetze lassen sich per Referendum wieder kippen. Das mussten Silvio Berlusconi und Matteo Renzi erleben, als sie damit scheiterten, zulasten des Parlaments die Exekutive zu stärken. Renzi trat 2016 nach verlorenem Referendum als Ministerpräsident zurück, da er das Votum zum Plebiszit über seine Person erklärt hatte. Giorgia Meloni schreckt dies offenbar nicht. Sie will auch dann im Amt bleiben, wenn der geplante Coup von oben scheitern sollte.

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