Meinungsforschung macht Demokratie zur Ware

Meinung Studien ergeben rapide sinkende „Demokratiezufriedenheit“. Mindestens ebenso bedenklich ist jedoch die Grundannahme solcher Umfragen: Bürger gelten als Kunden im Politikbetrieb, die Waren bewerten. Das ist antidemokratisch
Ausgabe 34/2023
Die like-it-or-not-Demokratie
Die like-it-or-not-Demokratie

Foto: Steffi Loos/AFP/Getty Images

Gerade ist viel die Rede von „Demokratiezufriedenheit“. Laut Umfragen sinkt sie, heißt es alarmiert. Innerhalb von sechs Monaten von 52 auf 38 Prozent, wie zuletzt eine Studie im Auftrag der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ergab. „Sehr großes Vertrauen“ in Parteien haben demnach nur noch zwei Prozent, 24 Prozent immerhin noch „großes Vertrauen“, der Rest „weiß nicht“, hat „wenig“ oder „gar kein Vertrauen“. Regierung und Bundestag kommen ebenfalls schlecht weg in der Kundenbewertung. Vor allem Westdeutschen mangelt es zunehmend an demokratischem Urvertrauen. Die Zuversicht bei AfD-Anhängern dagegen steigt.

Darüber muss man natürlich reden, die Frage ist nur: wie? Solche Umfragen ähneln denen von Marktforschungsinstituten, und die Kommunikation der der Stiftung Warentest. Das so genannte Design solcher Studien behandelt die Bürger als Kunden, die die Dienstleistung Demokratie bewerten. Als müsse diese „performen“, „liefern“, „zufriedenstellen“ – ansonsten weg mit ihr, ab in den Müll.

Aber so funktioniert es nicht. Demokratie ist kein Produkt – oder wenn, dann ein lebendiges, eines mit unzähligen Gliedern, das sich ständig verändert und von allen mitgestaltet wird – auch von denen, die sich abwenden. Demokratie als etwas zu betrachten, dem man „Likes“ verteilt, oder Zufriedenheits-Sternchen beim Versandhandel, geht fehl: als wäre man im Supermarkt und klagte über angeditschtes Obst. Eine so demokratiefremde Haltung trägt zur sinkenden Zustimmung alias Zufriedenheit bei, die so neutral im Meinungsforschungsgewande daherkommt. Tatsächlich entstammt sie derselben Werbe- und Produktbewertungslogik, die die Welt auf Verkäufer und Kunden reduziert und immer mehr Lebensbereiche durchdringt. Auch politische Prozesse. Doch die Gleichsetzung der Demokratie mit einem Warenhaus nützt nur Parteien, die deren Schlechtreden zu ihrem „Markenzeichen“ machen. So steigen AfD-„Werte“ wie zu hoch gehandelte Aktien.

Passiv-aggressiv im Sessel zu sitzen, genüsslich die Apokalypse nahen zu sehen und träge den Daumen nach unten zu drehen, ist antidemokratisch. Wie wäre es, wenn stattdessen jede und jeder sich mit verantwortlich fühlt für den Zustand der Demokratie? Was hielten wir Bürger davon? „Wenig“?, „weiß nicht“? – oder „viel!“?

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Geschrieben von

Katharina Körting

Freie Autorin und Journalistin

2024 Arbeitsstipendiatin für deutschsprachige Literatur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt

Katharina Körting

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