Mogulismus II

Focus 1930er - Im ersten Teil konnten Sie über eine Aktion von 14 US-Universitätszeitungen lesen. Ihr offener Brief klagt W. R. Hearst an, er betreibe unerträgliche Hetze.

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Ihre Freitag-Redaktion

Korrektur zu Teil 1:

"Ausserdem betrieb er damals zwei der drei international agierenden Nachrichtenagenturen. (Die dritte war "AP - Associated Press")"

Diese Information ist unkorrekt. Hierzu G. Seldes in "Facts and Fascism" (5. Ausgabe, 1943, S. 210)

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Wenn der Leser an die Eigentümer der Zeitungsketten, Hearst, Howard [Scripps-Howard], Patterson und McCormick denkt, und in ihnen nur vier, unter 15.000 Herausgebern sieht, entgeht ihm, welche Gefahr für Amerika von einer antidemokratischen und antiamerikanischen Presse ausgeht. Diese vier Herausgeber publizieren ein Viertel aller Zeitungen, die jeden Tag auf unseren Strassen verkauft werden. Ihnen gehören 40 der 200 großen Stadtzeitungen, die die öffentliche Meinung in Amerika formen, sie betreiben nicht nur die drei größten Zeitungsketten im Land, sondern auch zwei der drei großen Nachrichtenagenturen, welche die Mehrzahl amerikanischer Tageszeitungen beliefern, und da sie sich schon immer gegen Arbeitnehmerrechte, gegen Liberalismus und gegen die Demokratie richteten, auch dann, wenn sie nicht offen zu Mussolini und Hitler standen, sind sie, meiner Meinung nach, die größte Bedrohung für das allgemeine Wohlergehen der einfachen Menschen in Amerika.

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Nur fünf Tage nach dem Artikel im Columbia Spectator aus Teil 1, erscheint ein längerer Beitrag in den "Vassar Miscellany News" vom 19 January 1935, in dem die Hintergründe, welche zu dem Statement führten, beschrieben werden.

In dem ungezeichneten Artikel, überschrieben mit L.I.D.-News, wird über die Maßnahmen der Hearst-Presse aus dem vorherigen Herbstsemester berichtet. L.I.D. steht für "Student League for Industrial Democracy". Auszüge aus dem Text:

"Simultaneously with an attack upon their professors the Hearst papers have undertaken a campaign against those students who in any way have signified a desire for peace and a more decent social order. The campaign has been an excellent illustration of the techniques of yellow journalism."

Zeitgleich mit dem Angriff auf ihre Professoren, betrieben die Hearst-Zeitungen eine Kampagne gegen jene unter deren Studenten, die, in welcher Form auch immer, ihren Wunsch nach Frieden und einer anständigeren sozialen Ordnung geäußert haben. Diese Kampagne ist ein Paradebeispiel für die Arbeitsweise im Schmierenjournalismus.

Desweiteren wird berichtet, dass Mr. Charles M. Wheeler, wichtigster politischer Autor von Hearsts "Chicago Herald and Examiner", am 28.12.1934 in den Fluren der Northwestern University, während eines Treffens der L.I.D. erschienen war und Leute in den Korridoren mit Suggestivfragen löcherte, um Aussagen zu erhalten, die den Studenten unterstellten einen baldigen Aufstand zum Sturz der Regierung zu planen. Am folgenden Morgen brachten Hearst-Zeitungen im ganzen Land Schlagzeilen auf den Titelseiten, die dem ehemaligen Vorsitzenden der L.I.D. Aussagen über [geplante] Aufstände zuschrieben. Diese Aussagen hatte er aber nie getätigt. Statements über die Rote Armee wurden dem neu gewählten Sekretär der L.I.D. angedichtet, obwohl dieser nicht mit Mr. Weehler gesprochen hatte und noch nicht einmal in seine Nähe gekommen war. Seitdem vergingen nur wenige Tage ohne Angriffe aus der Hearst-Presse gegen die studentische L.I.D. Am 2., 3., 4. erschienen weitere Vorwürfe.

Am 8. Januar 1935 schreibt Benjamin DeCasseres in der Hearst-Presse:

Die Versammlung jener studentischen Liga, die hinter der Bezeichnung "industrielle Demokratisierung", die antidemokratsiche Doktrin von Kommunismus und linksgerichtetem Sozialismus verbirgt, wurde auf dem Gelände einer Universität abgehalten, welche durch und auf den Prinzipien unseres freien Kapitalismus errichtet wurde.

Im folgenden rufen der oder die Verfasser des Artikels zum studentischen Boykott der Hearst-Presse auf. Keine der Zeitungen sollen mehr gekauft werden, Abonnements soll man kündigen und Freunde und Bekannte ebenfalls dazu auffordern und von Hearsts Presseagentur, dem International News Service, sollen keine Berichte mehr in den Universitätszeitungen abgedruckt werden.

Der Beitrag schließt mit der Feststellung:

"Wie wir uns gegen den Krieg stellen und für den Frieden wirken, wie wir uns gegen den Faschismus stellen und zusammenarbeiten für gemeinschaftlichen Wohlstand, wie wir versuchen das revolutionäre Prinzip der [Amerikanischen] Unabhängigkeitserklärung weiterzuverbreiten und die Angriffe auf die Menschenrechtserklärung [Bill of Rights] abzuwehren, so müssen wir uns jetzt dem Anstifter zur Gewalt, dem Fürsprecher des Faschismus, dem Agenten des Reaktionismus widersetzten, - der Hearst-Presse."

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Der Name der studentischen Vereinigung bezieht sich möglicherweise auf eine Aussage von Präsident Wilson, welcher, wie G. Seldes in Facts and Fascism, Teil 2, Kapitel 1 schreibt, den Soldaten im umkämpften Frankreich im 1. WK und den Veteranen der American Legion versprochen hatte für eine "industrial democracy" zu sorgen.

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In dem, in Teil 1 verlinkten Artikel bezieht sich James A Wechsler auf den Besuch von William R. Hearst in Deutschland im Herbst 1934. Dazu ein Bild aus Douglas Tottles "Fraud, Famine and Fascism" von 1987, Seite 14.

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Links, neben W. R. Hearst in der Mitte, steht Alfred Rosenberg. Einer der maßgeblichen "Ideologen" des Nazireiches und Urheber des Irrglaubens an eine "jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung". Während des Besuchs zeichnete Hearst einen Vertrag für seinen INS (International News Service) mit dem Reichspropagandaministerium, welches ihn zum Exklusivlieferanten von Auslandnachrichten für das Nazireich machte (Quellenverweis bei D. Tottle, Daily Worker 13.2.1935)

Teil VII

Teil VI

Teil V

Teil IV

Teil III

Teil I

Mogulismus = Oligarchismus =
Turbo-Kapitalismus

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Geschrieben von

knattertom

reisewütiger Mit40er der "D" den Rücken gekehrt hat, um neues zu entdecken. Interessierter Beobachter von aussen so to say...: knattertom@freenet.de

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