Das Thema Obergrenze für Staatsschulden verschwindet nun wieder aus US-amerikanischen Talkshows. Ein vom demokratischen Präsidenten Joe Biden und der republikanischen Parteiführung ausgehandelter Kompromiss zum Abwenden der für den 5. Juni drohenden exemplarischen Zahlungsunfähigkeit steht. Repräsentantenhaus und Senat haben zugestimmt.
Der in den vergangenen Wochen aufwirbelnde Streit um die „Schuldenobergrenze“ für Staatsausgaben ist einzigartig: Der Kongress darf Auslagen und Steuergesetze beschließen ohne Rücksicht auf Verschuldung, muss dann aber alle paar Jahre mit Extra-Gesetzen Erhöhungen der erlaubten Staatsverschuldung genehmigen. Republikaner nehmen das gern zum Anlass, um die Regierung zu attackieren und ungeliebte Programme im Sozial- und Umweltbereich in Frage zu stellen. Die rhetorischen Nebengeräusche jetzt waren entsprechend, wenn Donald Trump verlangte, die Republikaner sollten „keinen Deal machen, falls sie nicht alles bekommen, was sie wollen“.
Das bedeutet mehr Hunger
Die Realität der Abstimmungen diese Woche sah anders aus: 149 republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus haben für den Deal gestimmt und 71 dagegen. Man habe nur einen Anfang gemacht bei den Kürzungen, beschwichtigte mit Blick nach rechts der republikanische Sprecher dieser Kammer, Kevin McCarthy. Bei den Demokraten waren 165 demokratische Parlamentarier dafür und 46 dagegen. Der Senat votierte mit 63 zu 36 Stimmen.
Kommentare lobten Joe Bidens politische Meisterleistung. Der Präsident machte auf Staatsmann. Amerika zahle seine Schulden, da gäbe es nichts zu verhandeln. Ein Versagen wäre eine Wirtschaftskatastrophe mit unvorhersehbaren Konsequenzen gewesen. Aus Sicht seiner Anhänger ist der „Deal“ streckenweise problematisch, doch bei Weitem nicht so schlecht wie befürchtet. Nicht Teil des Agreements sind von Republikanern geforderte Kürzungen beim Klimaschutz. Die Rentenauszahlungen und Gesundheitsversicherung für Senioren wurden nicht angetastet.
Das Abkommen setzt die Schuldenobergrenze in den kommenden zwei Jahren aus. Teile des Haushalts werden eingefroren, also de facto wegen der Inflation gekürzt. Das betrifft Sozialprogramme für die untersten Einkommensschichten, freilich weniger stark als republikanische Politiker das verlangt hatten. Gegen den Kompromiss gestimmt haben viele Mitglieder des „Progressiven Ausschusses“ im Repräsentantenhaus. Mehr Menschen würden Hunger leiden wegen der Kürzungen, sagte die Ausschussvorsitzender Pramila Jayapal.
Schulmeisterliche Belehrung
Die Abgeordnete Barbara Lee stimmte ebenfalls dagegen. Biden habe „das Bestmögliche“ herausgeholt in einer schwierigen Situation, doch sie „halte die Stellung bei demokratischen Kernwerten“. Dazu gehöre der Einsatz für einkommensschwache Menschen. Unter der Regierung Biden hat das progressive und linke Amerika erfahren, dass Bidens Kurs ganz nahe am Mittelstreifen manche Wünsche erfüllt, und manche eben nicht. Und nun musste man sich Bidens schulmeisterliche Belehrung anhören, dass „keine Seite alles bekommen hat“. So sei es eben, wenn man Verantwortung für das Regieren übernehme.
Große Gewinner sind Militär und Rüstungsindustrie. „Sparzwang“ hin oder her – der Pentagon-Etat steigt auch bei diesem Deal, und der überparteiliche Konsens achtet darauf, dass bei Militärischem genug nie genug ist. Die Chefs der Demokraten und Republikaner im Senat, Charles Schumer und Mitch McConnell, bekräftigten gemeinsam kurz vor der Abstimmung am 1. Juni, dass der Kompromiss den Senat nicht daran hindern werde, „notfalls“ zusätzliche Mittel zum Ausbau der militärischen Kapazitäten zu bewilligen.
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