In den Niederlanden, garantiert in Polen, wohl auch beim amtierenden EU-Ratspräsidenten Slowakei wird der Insel-Gipfel Deutschlands, Frankreichs und Italiens kein Entzücken auslösen. Dass sich drei Mitglieder als Bündnis im Bündnis verstehen, weckt antihegemoniale Reflexe. Darauf konnte sich schon die Achse Berlin-Paris verlassen, als die noch zur Zugmaschine europäischer Integration taugte. Inzwischen ist François Hollande für Angela Merkel kein ebenbürtiger Partner mehr, so dass sich für Italiens Premier Matteo Renzi eine Bresche bietet, in die sich springen lässt.
Schließlich zählte Italien 1957 zu den Gründern des EU-Ahnen EWG und tat einiges, um diese Allianz über kritische Zeiten zu bringen. Die gab es, als Charles de Gaulle 1965 mit einer Politik des leeren französischen Stuhls den Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zu Mehrheitsentscheidungen blockierte, und besonders Italien um Vermittlung bemüht war. Freilich wirken die damaligen Reibereien wie ein beherrschbares Gerangel verglichen mit den existenziellen Zerreißproben, denen eine integrationsmüde Gemeinschaft heute ausgesetzt ist. Warum müssen in solcher Lage die Großen und Halbgroßen der EU im exklusiven Kreis zusammenkommen und 24 Mitglieder suspendiert bleiben? Weil es sich bei denen um die Kleinen und ganz Kleinen handelt?
Immerhin geht es um die Konditionen, zu denen Großbritannien die Union verlässt, um Zeiträume des Ausstiegs wie den künftigen Zugang zum EU-Binnenmarkt, der bitte schön weiter ein privilegierter sein soll, wie das Premierministerin May vorschwebt. Dass Deutschland die moderate Tour vorzieht, zeichnet sich ab. Dass Frankreich den Brexit für eine Neuordnung der Gemeinschaft nutzen will, ist nachvollziehbar, aber ohne machtpolitische Substanz. Niemand weiß, wer das Land in einem Jahr regiert. Und Renzi? Er steht als EU-Restau-rator Paris näher als Berlin, ist aber vom Durchsetzungsvermögen her kaum besser besattelt als Hollande. Was ihn nicht daran hindert, zum großen Wurf mit dem Euro-Rettungsanker auszuholen, indem er Merkels Kassandraruf – Scheitert der Euro, dann scheitert Europa! – die Überzeugung entgegensetzt: Mit diesem Euro muss Europa scheitern! Renzis bestes Argument ist Italiens Wirtschaftskrise, wird sie ihn doch zum Bruch der Stabilitätskriterien nötigen. Es ist also höchste Zeit, den Euro mit einer Euro-Governance auszustatten, die künftige Krisen verhindert.
Der in den vergangenen Jahren gewählte Ausweg der Hilfsfonds und des billigen EZB-Geldes ist in Wahrheit enorm teuer. Er verbraucht allein durch die massive Entwertung von Vermögen und Sparguthaben in den Euro-Staaten zu viel politisches Kapital, wovon EU-Skeptiker und Ultranationalisten derart zehren, dass ihnen Regierungsmandate in den Schoß fallen. Die Alternative lautet, es gibt mittelfristig eine Politische Union oder keinen Euro mehr. Es kann nicht sein, dass dieser Währungsverbund als global agierende Makroökonomie existiert und sich einen Unterbau leistet, in dem jeder Euro-Staat allein für seine Steuern, Schulden, Investitionen und Banken zuständig ist. Dafür bedarf es kollektiver Verantwortung, alles andere läuft auf ein autistisches Verhältnis zu ökonomischen Realitäten hinaus. Bleibt es dabei, war der Ort des Treffens von Ventotene sinnträchtig gewählt und dem Eindruck zuträglich, dort konferierten Insulaner, die dem Festland entkommen wollten. Ein Grund mehr für den Argwohn der 24 Daheimgebliebenen.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.