Wer trägt die Verantwortung?

Syrien An den Diskussionen über die Rückholung deutscher IS-Angehöriger wird erkennbar, wie ernst es die Politik mit dem Rechtsstaat meint

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Ein SDF-Kämpfer
Ein SDF-Kämpfer

Foto: Delil Souleiman/AFP/Getty Image

Trump tweetet, und die deutsche Politik setzt nun endlich auch mal auf ein Thema, das schon seit mindestens eineinhalb Jahren auf der Tagesordnung stehen müsste. Denn schon damals haben die kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF, dt. Demokratische Kräfte Syriens) in Nordsyrien darauf verwiesen, dass sie mit der Ingewahrsamnahme einer solch großen Anzahl von Gefangenen – vor allem aus dem Ausland – überfordert sind und es die Verantwortung der Behörden aus deren Herkunftsländer sei, diese zurückzuholen und vor Gericht zu stellen (Hintergrund: der Freitag-Blog (2017)).

Jetzt, da die Frage endlich konkret wird, tun die deutschen Regierungsparteien so, als seien sie davon gänzlich überrascht und überfordert: ,Prüfen, prüfen, prüfen!‘ ist die Ansage. Hierzulande wird sich gerne § 129a/b – „Bildung terroristischer Vereinigungen“– bedient, insbesondere wenn es um oppositionelle linke Strukturen geht. Die deutschen IS-Angehörigen betreffend müsse man jedoch erstmal einen Weg finden, ihnen nachweisen zu können, dass sie tatsächlich für den IS gekämpft haben. Als sei das in Zusammenarbeit mit der SDF und den amerikanischen Truppen in Nordsyrien nicht oder nur schwer möglich.

Immerhin scheint sich zu zeigen, dass alle Fraktionen im Bundestag die Überzeugung teilen, dass hier mit „rechtsstaatlichen“ Mitteln vorgegangen werden muss – und deutsche Staatsgehörige nunmal das Recht haben, vor deutschen Gerichten verurteilt zu werden. Dennoch zeugt der aktuelle Vorgang von einem Phänomen, das ich vor etwas über einem Jahr in konkretem Bezug auf dieses Thema beschrieben habe: Von einer tödlichen Diskursverschiebung, die sich darin äußert, dass seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem auf sie folgenden „Global War On Terrorism“ der Bush-Regierung neben den Vereinigten Staaten von Amerika inzwischen auch Großbritannien, Australien, Israel und Kanada juristisch zwischen „legalen und illegalen“ Kombattanten unterscheiden – um letztere ohne die Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze oder der Menschenrechte behandeln zu können.

Den betreffenden Artikel habe ich damals aus Anlass einer Äußerung des britischen Verteidigungsministers Gavin Williamson verfasst. Er hatte in Erwägung gezogen, eigene Staatsangehörige, die sich dem "Islamischen Staat" angeschlossen haben, im Ausland (konkret: Nordsyrien) töten zu lassen. Meine Befürchtung war, dass eine solche Diskursverschiebung die Notwendigkeit eines auch strukturellen Vorgehens gegen die Ursachen von – hier: islamistischer – Radikalisierung in den Hintergrund rücken könnte. Heute betont die deutsche Politik, dass sie immerhin zu „rechtsstaatlichen“ Mitteln steht. Dass ein guter Rechtsstaat am langen Ende auch auf den sozialen Frieden angewiesen ist, sollten dabei nicht vergessen werden.

Ein tödlicher Diskurs: https://www.freitag.de/autoren/max-jansen/ein-toedlicher-diskurs

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Geschrieben von

Max Jansen

Max Jansen hat Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaften studiert. Derzeit lebt und arbeitet er in Frankfurt am Main.

Max Jansen

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