Lai Ching-te gewinnt Taiwan-Wahl: China kann kein Interesse an einem Krieg haben

Meinung Zwar hat William Lai (Lai Ching-te) die Präsidentschaft gewonnen, doch büßte seine Demokratische Fortschrittspartei (DDP) im Parlament die Mehrheit ein und muss sich mit der Kuomintang sowie der Taiwanischen Volkspartei arrangieren
Lai Ching-te wird neuer Präsident Taiwans
Lai Ching-te wird neuer Präsident Taiwans

Foto: Annabelle Chih/Getty Images

Bei dieser Wahl dominierte die Außenpolitik, alle Debatten drehten sich um das Verhältnis zur Volksrepublik China. In Deutschland sieht man den Wahlausgang als Entscheidung gegen China, gegen die Wiedervereinigung und für die Unabhängigkeit Taiwans. Letztere steht jedoch nicht in der taiwanesischen Verfassung, noch nicht einmal im Programm der Demokratischen Fortschrittspartei (DDP). Auch der künftige Präsident will am Status quo nichts ändern. Vor dem Votum wurde William Lai von China als gefährlicher Separatist angegangen, nach der Abstimmung klang das moderater.

Auch die Verbündeten Taiwans machen keinerlei Anstalten, von der „Ein-China-Politik“ abzurücken

Misslich für Peking ist: Beim erhofften Wahlsieg der Partei Kuomintang hätte man wohl wieder an die alte Vereinbarung von 1992 über die langfristige Vereinigung Taiwans mit der Volksrepublik China anknüpfen können. Inzwischen ist die wirtschaftliche Verflechtung viel weiter fortgeschritten und der Rückhalt für die Unabhängigkeit Taiwans weiter geschmolzen. Kein Wunder, da alle – auch die engsten Verbündeten Taiwans – wie die USA keinerlei Anstalten machen, von der „Ein-China-Politik“ abzurücken.

Ohne Not hat sich Staats- und Parteichef Xi Jinping selbst unter Zugzwang gesetzt mit der oft wiederholten Andeutung, man werde die Wiedervereinigung notfalls auch erzwingen. Das sollte jedoch nicht Anlass zu der Vermutung sein, die in Deutschland gern kolportiert wird, China werde Taiwan nach dem Muster Russlands angreifen. Tatsächlich spielt die chinesische Führung auf Zeit. Die hat sie, und die nutzt sie für eine Politik der Nadelstiche, zum Beispiel mit wiederholten Cyberattacken.

Leider hat die chinesische Führung die Formel „ein Land – zwei Systeme“ ziemlich verschlissen, durch ihren harschen Umgang mit der Opposition in Hongkong. Macau könnte hingegen als Beispiel für eine relativ gesittete Integration vormals geschiedener Landesteile dienen. Aber Taiwan ist mit seiner inzwischen jahrzehntealten Demokratie ein anderes Kaliber und nicht so leicht zu verdauen.

China ist mit Abstand wichtigster Handelspartner Taiwans und dürfte es auf absehbare Zeit bleiben

China kann kein Interesse an einem Krieg um Taiwan haben. Dazu sind die wirtschaftlichen Beziehungen viel zu eng. Präsident Lai hat angedeutet, dass er Taiwans Wirtschaft neu in Richtung Südostasien orientieren und die Abhängigkeit von China verringern will. Angesichts der enormen Konkurrenz aus Japan, Südkorea und neuerdings Vietnam wird das dauern. China hat verlauten lassen, dass es die zahlreichen Handelsvorteile, die es Taiwan gewährt, auch wieder zurücknehmen oder einschränken könnte. Das dürfte den zahlreichen taiwanesischen Firmen, die auf dem Festland produzieren und dort gute Gewinne machen, kaum gefallen. China ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner für Taiwan und dürfte es auf absehbare Zeit bleiben.

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