Brandenburger Sand in Teslas Getriebe: Wächst in Grünheide der Widerstand gegen Elon Musk?
Trinkwasser Die Giga Factory in Grünheide wurde in Windeseile errichtet, jetzt laufen dort E-Autos vom Band. Doch die Gegner von Musk geben nicht auf – im Gegenteil
Besonders grün ist Grünheide nicht mehr, seit Elon Musk dort Teslas vom Band laufen lässt
Foto: Christian Thiel / Imago
An einem nass-grauen Samstag stehen etwa 50 Menschen in einem brandenburgischen Kiefernmischwald zwischen dem Bahnhof Fangschleuse und der Fabrik für Elektroautos von Tesla. Wenn es nach Tesla geht, ist der Wald, in dem die Gruppe steht, bald weg. Das berichtet Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide den Zuhörenden, die fast alle aus Berlin angereist sind, etwa eine Stunde mit dem Zug. Gegründet hat sich die Bürgerinitiative im Dezember 2019. „Nachdem unser Ministerpräsident Dietmar Woidke gesagt hat, dass Tesla hier ein Werk bauen wird, wollten wir was dagegen tun.“ Schon damals war klar, dass für die E-Auto-Fabrik viel Wald gerodet werden muss. Was für die Politiker in Berlin und Brandenburg ein Coup war, der 12.000 Arbeitspl
Berlin und Brandenburg ein Coup war, der 12.000 Arbeitsplätze versprach, machte Manu Hoyer und ihren Mitstreitern vor Ort Angst, denn der Wald lag teilweise in einem Wasserschutzgebiet.Hoyer sagt: „Wir leben hier in einer der trockensten Regionen Deutschlands und sind außerdem Trinkwasserversorger für fast 200.000 Menschen.“ Also nehmen sie und ihre Mitstreiter 2019 den Kampf auf. Es ist ein ungleicher Kampf: Das Land Brandenburg schreibt auf seiner Webseite, der Inbetriebnahme der Gigafactory sei „ein gut zweijähriges Genehmigungsverfahren mit zeitgleich laufenden Bauarbeiten für die Fabrik vorausgegangen“.Das Wasser wird auch in Berlin knappAus Sicht der Bürgerinitiative sieht das anders aus: Ja, es habe immer wieder Möglichkeiten für Einwendungen gegen den Anlagenbau von Tesla gegeben. „Aber wir sind fünf Aktive und wir arbeiten alle Vollzeit. Wir müssen diese Schriften lesen, verstehen und dann noch überlegen, wie wir Einspruch erheben. Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir gehört werden sollen.“ Von der Politik vor Ort ist Hoyer enttäuscht: „Das Werk hat zahlreiche Sondergenehmigungen bekommen und die Politiker wollen einfach beweisen, was sie hier Tolles auf die Beine stellen können.“Ergebnis: Das Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide wurde in Windeseile gebaut, seit März 2022 rollen die Elektroautos des „Model Y“ hier vom Band. Hoyers Befürchtungen scheinen sich allerdings bewahrheitet zu haben. Im September 2023 berichtete der Stern in einer Investigativrecherche, dass durch den teils nachlässigen Umgang Teslas Giftstoffe, Öle und Diesel im Erdreich des Trinkwasserschutzgebiets versickert wären. Die Versorgung der gesamten Region sei auf Jahrzehnte hinaus gefährdet, heißt es dort, und weiter: Statt unabhängiger engmaschiger Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden und den lokalen Wasserversorger kontrolliere Tesla selbst, ob eine Wassergefährdung vorliegt. Hoyer ist wütend: „Für Privathaushalte wie uns wurde der Wasserverbrauch bereits jetzt gedeckelt und neue Bauvorhaben wie Schulen können aufgrund des Wassermangels nicht umgesetzt werden.“Hoyer zeigt auf den Wald, in dem die Gruppe steht. „Stattdessen will Tesla jetzt auch diesen Wald roden. Aktuell sind 500.000 Autos jährlich genehmigt, aber Tesla möchte gerne eine Million bauen und dafür die Fertigungs- und Logistikfläche verdoppeln. Dem Landesamt für Umwelt und Tesla ist völlig egal, dass hier noch mehr gerodet wird und auch in Berlin bald das Wasser knapp wird.“Mittlerweile fahre auch eine Diesellok durch das Gebiet zur Gigafactory 4 und der Bahnhof Fangschleuse soll zum Werk umgesiedelt werden. Also nimmt die Bürgerinitiative Grünheide wieder den Kampf auf. Wieder wühlt sie sich durch Akten, wieder reichen Hoyer und die anderen Hunderte Einwände beim Landesamt für Umwelt ein, wieder fühlen sie sich im Einspruchsverfahren ausgebremst. „Der Anhörungstermin in Erkner fand am ersten Tag der Herbstferien statt, am Vormittag. Das ist doch Sabotage“, beschwert sich Hoyer.Doch die Bürgerinitiative kämpft jetzt nicht mehr allein. Gemeinsam mit linken Klimagruppen aus Berlin und Potsdam haben sie im September 2023 das Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ gegründet. Gruppen wie die „Interventionistische Linke“ bringen Kampagnenerfahrung mit, aber auch das eigene Bedürfnis, ihre Forderungen in der Klimapolitik auf breitere Beine jenseits ihrer Szenen zu stellen. Das Bündnis trägt auch bereits Früchte: Die Waldspaziergänge, die seit April 2023 jeden Monat stattfinden, wachsen kontinuierlich, es gab ein großes Wasserfest gegen Tesla in Grünheide, sie vernetzen sich mit anderen, die in Brandenburg ebenfalls gegen Wasserknappheit kämpfen, und am 9. Dezember organisierten sie einen Protest gegen die Rodung des bedrohten Waldabschnitts, zu dem 250 Menschen anreisten, unter anderen auch Carola Rackete.Dreimal so viele Unfälle bei TeslaNicht nur die Trinkwasserversorgung ist durch das Tesla-Werk gefährdet, auch beim Arbeitsschutz scheint Tesla zu schwächeln. Das berichten Beschäftigte, Gewerkschafter und der Stern. Bei Tesla komme es fast täglich zu einem Arbeitsunfall, es gebe „gut dreimal so viele Notfälle wie beispielsweise in Audis Werk in Ingolstadt“. Darunter seien Stromschläge, Verbrühungen, Verletzungen, die zu Amputationen führten. Dazu kommt, wie die Gewerkschaft IG Metall berichtet: „Tesla verlangt von Beschäftigten, die öfter krank waren, dass sie ihren Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Sonst gibt’s keinen Lohn. Und wer zu häufig krank ist, fliegt schneller raus. Bei Leihbeschäftigten ist das ein ganz schlanker Prozess: Wenn ihre Chipkarte nicht mehr am Tor funktioniert, sind sie wohl abgemeldet.“ Zudem seien bereits im ersten Jahr nach dem Produktionsanlauf Hunderte gefeuert worden. Weiter heißt es bei der IG Metall: „Ein Drittel Krankenstand ist hier normal. Dann müssen die Übrigen eben mehrere Stationen übernehmen. Das Band läuft aber genauso schnell weiter.“Es ist nicht leicht, an gesicherte Informationen aus der Fabrik ranzukommen. Tesla antwortete nicht auf die Fragen des Freitag, die Beschäftigten haben oft Angst, zu sprechen. Nicht jedoch Gunnar Hemmann, der bereits im Juli 2021 bei Tesla als „Staff Controls Engineer“ angestellt wurde. Was Tesla nicht wusste: „Ich bin IG-Metall-Mitglied“, erzählt Hemmann. „Ich verdiene zwar wie ein Manager, aber ich bin so viel an den Maschinen, dass ich mich mit den Beschäftigten in der Fertigung identifiziere.“Im November 2021 gibt es im Tesla-Werk Grünheide dann eine Initiative zur Gründung eines Betriebsrats. Für Hemmann war es eine von Tesla gesteuerte Wahl: „Tesla wollte einfach einen zahmen Betriebsrat und ist deswegen der IG Metall zuvorgekommen.“ Für die „Giga-Voice-Liste“ hätten vor allem Leute aus dem Management kandidiert: „Das waren wirklich keine normalen Betriebsratskandidaten.“ Heute stehe eine Managerin an der Betriebsratsspitze, sagt auch die IG Metall.Das sei so einfach gegangen, weil in der Produktion zu diesem Zeitpunkt erst wenige Beschäftigte eingestellt gewesen wären. Die, die schon arbeiteten, waren vielfach noch in der Probezeit und hatten Bedenken, sich aufstellen zu lassen. Hemmann nicht, er wird Nachrückkandidat. Als ein Kollege im Betriebsrat wegen Krankheit ausfiel, sei er regelmäßig bei den Sitzungen dabei gewesen. So wie Hemmann es beschreibt, gab es gleich bei der ersten Betriebsvereinbarung Stress. Es ging um Schichtregelungen, „da standen kaum Verbesserungen für die Kollegen in der Fertigung drin“. Er habe versucht, die anderen zu überzeugen, der Betriebsvereinbarung nicht zuzustimmen. Hemmann sagt, daraufhin habe er sechs Abmahnungen bekommen, um ihn einzuschüchtern. In einer Abmahnung, die dem Freitag vorliegt, wirft Tesla Hemmann vor, die Betriebsratsvorsitzende „angeschrien“ zu haben. Hemmann und sein Anwalt bestreiten das. Kurz darauf wird Hemmann gekündigt. Er klagt aktuell auf Wiedereinstellung.Elon Musk selbst gerät in die KritikUnterstützung holt sich Hemmann bei der IG Metall, die mittlerweile ein eigenes Büro am Bahnhof Fangschleuse hat, nahe der Gigafactory. Hier versucht auch die DGB-Initiative Faire Mobilität, die vielen ausländischen Arbeitskräfte über ihre Rechte in Deutschland aufzuklären. Ein erster Erfolg: Am 9. Oktober 2023 seien „mehr als tausend Beschäftigte“ in Grünheide mit Aufklebern der IG Metall auf ihrer Arbeitskleidung zur Schicht erschienen: „Gemeinsam für gerechte und sichere Arbeit bei Tesla“. So ein klares Bekenntnis zur Gewerkschaft dürfte die Beschäftigten Mut gekostet haben.In den USA habe es nach einem Gewerkschaftsgründungsversuch bei Tesla in Buffalo nicht mal einen Tag gedauert, bis die betreffenden Personen entlassen wurden, meldete die New York Times 2023. Das deutsche Arbeitsrecht gibt der Gewerkschaft mehr Spielraum: Tesla muss die IG Metall zweimal im Jahr in die Gigafactory lassen. Auch wenn Tesla und Elon Musk sich klar gegen Sozialpartnerschaft und Gewerkschaften positionieren.Es ist jedoch Teslas Geschäftsmodell, das die Kämpfe der Bürgerinitiative, der Klimaaktivisten, der Gewerkschaft und Betriebsräte weiterhin schwierig machen dürfte. Tesla muss wachsen, der Aktienkurs stabil bleiben, koste es, was es wolle, das treibt die schnellen Taktzeiten in der Fabrik, den Druck auf die Beschäftigten, aber auch die geplante Erweiterung der Produktion. Bisher vertraut die Börse Teslas Wette. Doch Elon Musk selbst gerät zunehmend in die Kritik, seine politischen Äußerungen driften weit nach rechts, Werbekunden verlassen die von Musk übernommene Plattform X und große Accounts kehren dem sozialen Netzwerk den Rücken. Ein unkritischer Umgang mit Musk könnte auch für deutsche Politiker schwerer werden.Und der Widerstand gegen Tesla wächst. Seit dem 27. Oktober bestreikt die IF Metall Teslas Tochter in Schweden, weil diese sich weigert, mit der Gewerkschaft einen Tarifvertrag zu verhandeln. Unterstützung bekommt die IF Metall dabei von zehn anderen Gewerkschaften. Und auch in den USA weht aktuell ein anderer Wind. Nach sechs Wochen Streik hat die Auto-Gewerkschaft UAW den drei großen US-Autoherstellern bedeutende Zugeständnisse abgerungen. Bald wird die UAW wohl auch bei Tesla kämpferischer werden. Musk kann sich auf Widerstand einstellen.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.