Teures Benzin wäre voll OK. Wenn es denn echte Klimapolitik gäbe

Ampel Ärmere Haushalte geraten in Deutschland durch die steigenden Energiekosten in Not. Warum ignorieren SPD, Grüne und FDP das Thema?
Ausgabe 44/2021
Der Anstieg des Strompreises hat wenig mit den erneuerbaren Energien zu tun. Allerdings wird das suggeriert
Der Anstieg des Strompreises hat wenig mit den erneuerbaren Energien zu tun. Allerdings wird das suggeriert

Foto: imago/Westend61

Der Benzinpreis steigt, der Gaspreis steigt, der Strom wird teurer, sogar die Kohle kostet jetzt mehr Kohle als noch vor wenigen Wochen. Und wissen Sie, was? Das ist gut so. Jede Tonne CO2, die Ihr Auto oder meine Gasheizung freisetzt, trägt zur Erderhitzung bei. Jedes Kilowatt Strom, von einem Kohlekraftwerk erzeugt, ist ein kleiner Beitrag zum Klimawandel. Werden das Verfeuern von Gas und das Verbrennen von Benzin teurer, steigt der Anreiz, sparsam damit umzugehen. Auf Bus oder Fahrrad umzusteigen. Solarpaneele aufs Dach zu montieren. Sich mit einem Windrad in Sichtweite anzufreunden.

Nun ist es aber zum einen so, dass der jüngste Anstieg der Energiepreise mit Klimapolitik gar nichts zu tun hat. Es ist nicht der im Januar dieses Jahres in Deutschland eingeführte CO2-Preis, der das Heizöl jetzt verteuert: Der rasante Preisanstieg für fossile Brennstoffe ist ein globales Problem, das mit der rasant zurückkehrenden Nachfrage aufgrund der wirtschaftlichen Erholung nach dem Einbruch durch Corona zu tun hat.

Zum anderen drohen die explodierenden Energiepreise höchst unsoziale Folgen zu zeitigen. Denn während die einen es nicht einmal merken, wenn sich die Abschlagszahlung für Heizung und Warmwasser verdoppelt, stehen die anderen auf einmal vor der Wahl: Lieber frieren oder gesund essen? Am härtesten treffen die steigenden Preise in Deutschland jene, die – dem Niedriglohnsektor sei Dank – ohnehin nur so wenig verdienen, dass kaum Spielraum bleibt. Für die Reparatur der kaputten Waschmaschine. Die Zahnspange. Die Mieterhöhung. Oder eben die Heizkostennachzahlung von 500 Euro.

Hier wäre also die Politik dringend in der Pflicht, Abhilfe zu schaffen. Eine schwere Aufgabe ist das beileibe nicht, der französische Präsident Emmanuel Macron macht es vor: In Frankreich erhalten alle Bürgerinnen, die weniger als 2.000 Euro im Monat verdienen, eine „indemnité inflation“, eine Ausgleichszahlung von 100 Euro. Das ginge in Deutschland auch. Ein Verbot von Strom- und Gassperren würde zudem verhindern, dass Menschen im Dunkeln sitzen müssen.

Doch anstatt dafür Antworten zu finden, macht die Politik hierzulande das genaue Gegenteil. Da wird herumgedruckst, wie es die Ampel-Willigen in ihren bisherigen Verlautbarungen tun. Da wird der Eindruck erweckt, der steigende Dieselpreis hinge mit dem Klimaschutz zusammen. Und der Anstieg des Strompreises damit, dass uns die Energiewende einfach zu viel kostet.

Den Vogel schoss Markus Söder (CSU) ab, als er forderte, die Mehrwertsteuer auf Strom und Sprit querbeet zu senken. Das liefe darauf hinaus, fossile Energie wieder günstig zu machen, so als gäbe es ein Grundrecht auf Billig-Benzin. Anstatt zu unterscheiden: Wer wohnt auf dem Land und kann ohne Auto nicht? Bei wem gäbe es Alternativen zum SUV, die durch höhere Spritpreise erst attraktiv werden? Sonst wiederholt sich beim Energiepreisanstieg etwas, das sich schon beim Klimaschutz gezeigt hat: Erst versäumt man es, Schritte zur sozialen Abfederung zu unternehmen, wie das beim CO2-Preis leicht möglich wäre. Dann beklagt man die unsozialen Auswirkungen. Und am Ende kippt man das Kind mit dem Bade aus.

Klimapolitik ginge anders. Stünden mehr Windräder und Solaranlagen im Land, wäre der Strom nicht nur billiger, sondern obendrein unabhängig von der Gasnachfrage in China, von Gazproms Geschäftspolitik und von globalen Versorgungsengpässen. Der Wind hat seine Preise bislang jedenfalls nicht erhöht.

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Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

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