„Die gläserne Stadt“ über Cum-Ex am Schauspielhaus Hamburg: Lachsalven auf die Banker

Bühne Felicia Zeller bringt den Cum-Ex-Skandal nach Hause: nach Hamburg. Am Deutschen Schauspielhaus wird ihr Stück „Die gläserne Stadt“ allerdings allzu sehr unter Gags und Pointen verschüttet
Lina Beckmann spielt den Bankier Bernd Baktus, Carlo Ljubek den Revisor
Lina Beckmann spielt den Bankier Bernd Baktus, Carlo Ljubek den Revisor

Foto: Thomas Aurin

Schon die ersten Sätze, die auf der Bühne gesprochen werden, lösen Lachsalven aus. Das Haus ist voll, Die gläserne Stadt von Felicia Zeller, eine freie Bearbeitung von Gogols Der Revisor, hat Premiere. Das Stück hat einen Bezug zu lokalen Ereignissen. Ein Schiff, ein Hafen ist zu ahnen, eine Treppe führt hinauf, über die in der Folge ununterbrochen gestiegen, gestolpert, gerutscht und gestürzt wird, von jedem, der sie betritt, was man als Bild völlig haltloser „Persönlichkeiten“ nimmt, die gerade die Aufdeckung ihrer enormen Betrugsmanöver durch einen „Revisor“, Rückzahlungen und Pleiten befürchten und Fluchtpläne schmieden. Alle Datenträger, Computer, Akten über die illegalen Geschäfte werden gemeinsam auf der Bühne in einer Tonne verbrannt.

Bis zur Pause hält ein gewisses erkennendes Lachen an, ausgelöst durch Bezug der Texte auf den größten Finanzskandals nicht nur Hamburgs: Cum Ex und Cum Cum, jener groß angelegte Diebstahl von Steuergeldern, der den Staat etwa 150 Milliarden Euro kostete. Im Programmheft ist dazu ein informativer Text abgedruckt, doch die realen Begriffe wurden durch Decknamen ersetzt. Statt „Cum Ex“ ist etwa von „Mix Max“ die Rede.

Klug setzen die Schauspieler Felicia Zellers Text um

Die Ängste vor einer Revision lösen die Treppenstürze, die geheuchelten Verbrüderungen, die sexuellen Bedürfnisse eines Bankers und die Geltungswünsche seiner Frau aus. Für das Publikum ist alles sehr vergnüglich und reagiert wach auf die Schauspieler, ihr artistisches Können und ihre kluge Umsetzung des Textes von Felicitas Zeller.

Die Finanzbeamtin Dr. Ute Meier fahndet nach den Steuerhinterziehern, wobei sie meisterhaft karikierend die Arie der Königin der Nacht singt. Die Reinigungskraft, einst mit Entlassung bedroht, rettet ein Laptop, auf dem die Beweise des Finanzbetruges gespeichert sind. Einmal geöffnet, beleuchtet der Bildschirm die Finanzbeamtin im Moment des Triumphes.

Der falsche Revisor kommt als Taucher zum Schiff. Mit Gogols Figur hat er nur die ungeklärte Existenz und die Geldnot gemein. Er wird bestochen und gebraucht als geförderter Stipendiat einer „gemeinnützigen“ Stiftung zur Rettung von Kapital.

Am Ende kommt auch Gogol zu Wort

Im zweiten Teil werden die Lachsalven seltener. Man feiert hauptsächlich die vorläufig vermiedene Entdeckung des Betrugs. Bis zur Erschöpfung steigern sich die Paarungen und die Drogenexzesse. Nachdem die Treppenstürze ihren Höhepunkt erreicht haben, kommt Gogol noch einmal zu Wort. „Worüber lacht ihr denn? Ihr lacht über euch selbst.“ Der Finanzberater sagt „Ich berufe mich auf mein Recht zu schweigen“ und springt von Bord. Drohend überblenden Scheinwerfer die wüste Szene. Mit allen Mitteln der Theatertechnik wird ein krachender Zusammenbruch inszeniert.

Unter Teilen der Dekoration liegend, sagt der angebliche Revisor: „Klick, sind wir alle weg.“ Ist das eine letzte Warnung? Es wird kaum gehört. Das durch lokale Bezüge, durch Slapstick, Gags und Musik der Rolling Stones sehr amüsierte Publikum bricht am Ende stürmisch in jubelnden Beifall aus. Der Text, die Analyse der Lage wurde leider etwas zugeschüttet von einer allerdings sehr lebendigen und geistvollen Show.

Die gläserne Stadt Text: Felicia Zeller, Regie: Viktor Bodo Deutsches Schauspielhaus Hamburg

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