Ein Mix aus Macron und Weidel

Koalition Der Abgang der FDP aus den Sondierungsgesprächen wirkt nicht wie ein spontaner Akt – und lässt die Grünen vorgeführt dastehen
Da fährt er ab, der Mann der Prinzipien
Da fährt er ab, der Mann der Prinzipien

Bild: Sean Gallup/Getty Images

Alles nochmal von vorne, wäre das nicht schön? Ein Wahlkampf, der sich ganz dem Kampf gegen die Zivilisations-Bedrohung Klimawandel widmet, der grassierenden Steuervermeidung der Reichen und den ungeklärten Fragen nach Rente wie Pflege. Woher aber soll dieser Wahlkampf kommen?

Die Grünen fallen aus als Akteur, der sich für einen solchen Wahlkampf empfiehlt, weil er wacker für Klimaschutz wie das Grundrecht auf Asyl gekämpft hat und am Ende doch an CSU wie FDP gescheitert ist, Prinzipien und Haltung hätte aufgeben müssen für eine Koalition und sich entschied, dies am Ende nicht zu tun. Man könne es auch gerne "eine Haltung des Patriotismus nennen", hat Cem Özdemir über die Kompromissbereitschaft, über die Selbstaufgabe der Grünen in den Sondierungen gesagt. Sollte es zu Neuwahlen kommen: warum kein gemeinsames schwarz-grünes Wahlbündnis?

Prinzipien und Haltung

"Prinzipien" und "Haltung" führt stattdessen FDP-Chef Christian Lindner ins Feld für den Rückzug seiner Partei aus den Sondierungsgesprächen mit CDU, CSU und Grünen. Dieser Rückzug folgt dem Muster des vermeintlich empörten, vermeintlich aufrechten Abgangs, wie ihn Alice Weidel für die AfD kultiviert hat. Wahlkampf-Talkshow oder Regierungsbildung: nichts ist heute mehr gefeit vor Inszenierung. Das ist das Erbe einer Ära, in der Grundätzliches immer in die Zukunft vertagt und nie ausgefochten wurde. Es geht jetzt nicht um dieses Grundsätzliche, den Klimawandel etwa oder die Ungleichheit. Es geht um den Gestus einer Partei, die inhaltlich für nichts steht denn die Priviligierung der Besitzenden und nun den großen Tabu-Brecher mimt.

Was "Prinzipien", was "Haltung" meint, das mag etwa die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sein, für den die FDP steht. Der "Soli" ist noch eine der Abgaben, die Einkommensstarke in Verantwortung nimmt und Einkommensschwache schont. Ihn ersatzlos zu streichen, das würde die Spaltung des Landes verschärfen. Das wäre keine "Trendwende", für die Lindner sich gewählt wähnt, sondern eine Verstärkung vorhandener Tendenzen. Was an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron erinnert, der mit großen Worten die Hoffnung auf "Trendwenden" stiftet, am Ende aber doch nur weiter die Reichen protegiert.

Nur: Deutschland ist keine präsidentielle Demokratie, der Weg zum Sonnenkönig für Lindner dadurch versperrt, weswegen er sich mit den Vorteilen des Angreifers aus der Opposition auszustatten gedenkt und wohl auch schon läger auszustatten geplant hat. Die Grünen dabei als willfährig vorgeführt zu haben, das kann ihm zupass kommen.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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