Hölle, Hölle, Heiterkeit: COP28 beschließt zum ersten Mal die Abkehr von fossiler Energie
Klimakonferenz Es dauerte 30 Jahre mit fast jährlichen Klimakonferenzen. Nun gelang in Dubai der Durchbruch: Die Welt will sich von fossilen Brennstoffen „loslösen“. Dass das ausgerechnet in einem ölproduzierenden Land geklappt hat, ist kaum zu glauben
Hat geschafft, was noch keinem anderen Cop-Vorsitz gelungen ist: Ahmed Al Jaber
Foto: Kamran Jebreili/ AP Photo
Als die Temperaturen in diesem Sommer weltweit Rekorde brachen, warnte UN-Generalsekretär António Guterres im September: „Die Menschheit hat die Pforten der Hölle geöffnet.“ Am Mittwoch begrüßte er die Delegierten des Cop28-Klimagipfels in Dubai zum Abschluss der zweiwöchigen Gespräche. „Zum ersten Mal erkennt das Ergebnis die Notwendigkeit an, von fossilen Brennstoffen wegzukommen“, sagte er. „Die Ära der fossilen Brennstoffe muss zu Ende gehen, und zwar mit Gerechtigkeit und Gleichheit.“
Mehr als 190 Staaten haben am Mittwochmorgen einen Text angenommen, der die Welt zur „Loslösung“ von fossilen Brennstoffen aufruft. Aber ist dies ein historisches Abkommen, welches das Ende von Gas, Öl u
eit.“Mehr als 190 Staaten haben am Mittwochmorgen einen Text angenommen, der die Welt zur „Loslösung“ von fossilen Brennstoffen aufruft. Aber ist dies ein historisches Abkommen, welches das Ende von Gas, Öl und Kohle einläuten wird? Oder wird es ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Hölle sein?In der Welt der Klimagipfel schließen sich diese beiden Dinge nicht gegenseitig aus. Der Text, der am Mittwochmorgen verabschiedet wurde, schreibt den Ländern zum ersten Mal vor, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen. Er kann sie jedoch nicht dazu verpflichten und enthält nach Ansicht der kleinen Inselstaaten, die am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, „eine ganze Reihe von Schlupflöchern“. Diese würden die Welt daran hindern, die Treibhausgasemissionen drastisch genug zu senken, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.Die USA sind glimpflich davon gekommenDer Präsident von Cop28, Sultan Al Jaber, Gastgeber der Konferenz, begrüßte am Mittwochmorgen die Verabschiedung des Grundlagentextes und bezeichnete ihn als „Konsens der Vereinigten Arabischen Emirate“. Ein Konsens, aber nicht einstimmig: Samoa sprach auf der Abschlusssitzung für die kleinen Inselstaaten und erklärte, dass sie das Abkommen nicht blockieren würden, warnte aber, dass die Welt immer noch weit von der 1,5-Grad-Grenze entfernt sei und dieses Ergebnis nicht ausreiche, um diesen Kurs zu korrigieren.Auch andere Entwicklungsländer wiesen darauf hin, dass das Abkommen noch viele Probleme aufwirft. So benötigen die armen Länder immer noch Hunderte von Milliarden an zusätzlichen Finanzmitteln, um den Übergang weg von Kohle, Öl und Gas zu schaffen. Und die Industrieländer und Ölproduzenten werden nicht gezwungen sein, sich so schnell zu bewegen, wie es die Klimawissenschaft fordert.Als größter Öl- und Gasproduzent der Welt sind die USA ziemlich glimpflich davongekommen: Sie müssen Finanzmittel von etwas mehr als 20 Millionen Dollar für die arme Welt zur Verfügung stellen. China wird weiterhin auf die Förderung von Kohle und erneuerbaren Energien setzen, und auch die indische Kohleindustrie hat wenig zu befürchten.Trotzdem stieß dieses Abkommen, so unvollkommen es auch sein mag, auf kolossalen Widerstand seitens der erdölproduzierenden Länder der Welt. Saudi-Arabien versuchte bis zum Schluss, in den frühen Morgenstunden des Mittwochs, jeden Hinweis auf fossile Brennstoffe zu streichen. Es gelang ihm, einige Hinweise auf Technologien wie Kohlenstoffspeicherung einzufügen – selbst investiert das Land aber komischerweise nicht in solche Verfahren.Wie sich das Abkommen auf die reale Welt auswirktRussland hat hinter den Kulissen daran gearbeitet, Fortschritte zu verhindern. Wenn die Cop nächstes Jahr in Baku, Aserbaidschan, stattfindet, wird Moskau das noch viel mehr tun. Diese Vereinbarung ist wie alle multilateralen UN-Vereinbarungen brüchig, und die Ölproduzenten könnten versuchen, im nächsten Jahr einen Rückzieher zu machen.Das Abkommen wird sich auf die reale Welt auswirken: auf die Entscheidungen von Investoren, Banken, Finanzinstituten, Regierungen und Privatunternehmen. Es mag unglaublich erscheinen, aber es hat 30 Jahre fast jährlicher Klimagipfel gebraucht, um zu einer Vereinbarung zu kommen, die klare Vorgaben für die Zukunft der fossilen Brennstoffe enthält.30 Jahre lang war die Welt gezwungen, den Elefanten im Raum zu ignorieren: Die überwältigende Ursache des Klimazusammenbruchs, den wir erleben, sind die fossilen Brennstoffe. Die ölproduzierenden Länder, unterstützt von vielen reichen Ländern, haben sich zwar widerwillig bereit erklärt, über das Klima zu sprechen, haben sich aber geweigert, rechtsverbindliche Verträge zuzulassen, die den Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen deutlich machen.Auf der Cop26-Konferenz in Glasgow gelang es dem Vereinigten Königreich unter dessen Präsidentschaft, zum ersten Mal einen fossilen Brennstoff in das Endergebnis einzubringen. Und zwar in Form eines Hinweises auf die Notwendigkeit eines „schrittweisen Auslaufens“ aus der Kohle. Vorher war von einem „Ausstieg“ die Rede gewesen, aber diese Formulierung wurde im letzten Moment verwässert. Letztes Jahr in Sharm el-Sheikh wurden Versuche, einen weiteren Hinweis auf fossile Brennstoffe aufzunehmen, komplett abgelehnt.Bevor die Höllenpforten schließenEs ist bemerkenswert, dass es eines ölproduzierenden Landes bedurfte, um zum ersten Mal eine solche Verpflichtung in ein Cop-Ergebnis aufzunehmen. Die Tatsache, dass der Präsident dieser Konferenz der Chef der nationalen Ölgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, Adnoc, ist, ist kaum zu glauben. Nur wenige haben dieser Cop ein gutes Ergebnis vorausgesagt. Al Jaber wurde persönlich verunglimpft. Er strahlte trotz seiner Erschöpfung, als er die letzte Plenarsitzung eröffnete, und wurde vom UN-Klimachef Simon Stiell umarmt.Bei all den Umarmungen und Beifallsbekundungen, dem Jubel und der Erleichterung darf nicht vergessen werden, dass Adnoc, wie auch andere Ölgesellschaften und Länder, nach wie vor eine massive Steigerung der Förderkapazität plant. Aber Al Jaber hat geschafft, was noch keinem anderen Cop-Vorsitz gelungen ist: Saudi-Arabien an einen Tisch zu bringen, um sich darauf zu einigen, dass die Abkehr von fossilen Brennstoffen eine globale Priorität sein muss.Die Stimmung auf der abschließenden Plenarsitzung von Cop28 am Mittwochmorgen war eindeutig: Diese Vereinbarung stellt einen bedeutenden Fortschritt für die Länder dar, die die Klimakrise bewältigen wollen. Die Welt muss dieses Signal als das Ende der Ära der fossilen Brennstoffe verstehen – bevor sich die Pforten der Hölle hinter uns schließen.
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