Die Klimakonferenz in Dubai ist so ehrlich wie noch nie

Meinung Al-Jaber ist Chef eines Ölkonzerns – und Leiter der UN-Klimakonferenz. Kritiker:innen halten das für einen Widerspruch in sich. Aber ist es nicht einfach ein Realitätscheck zur Haltung der Vereinten Nationen gegenüber der Rettung der Welt?
Ausgabe 49/2023
Sultan al-Jaber ist Industrieminister, Chef des staatlichen Ölkonzerns „Adnoc“ – uund Leiter der COP28 in Dubai
Sultan al-Jaber ist Industrieminister, Chef des staatlichen Ölkonzerns „Adnoc“ – uund Leiter der COP28 in Dubai

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Seit Anfang des Jahres bekannt wurde, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die UN-Klimakonferenz ausrichten werden und Sultan Ahmed al-Jaber, Industrieminister und Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc, diese eröffnen soll, schlagen Kommentator:innen die höchsten Töne an, die sie treffen können. Ein Öl-Manager! Eröffnet die Klimakonferenz! In Dubai! Ausgerechnet! Was für ein Widerspruch! Absurd! Realsatire!

Dabei gehört es mittlerweile zur Folklore solcher Veranstaltungen, dass sich die Staatengemeinschaft eingestehen muss, wieder mal die Klimaziele nicht erreicht zu haben. Diesmal allerdings geht es um eine Bilanz des Abkommens von Paris aus dem Jahr 2015, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Doch die globale Bestandsaufnahme ist verheerend: Die Einsparlücke an Treibhausgasen beträgt im Jahr 2030 rund 20 bis 24 Gigatonnen. Das ist mehr als die Hälfte der jährlichen Emissionen aller Länder. Das 1,5-Grad-Ziel ist damit Geschichte. Und nicht nur das: Der Treibhausgasausstoß durch die Nutzung von Kohle, Gas und Erdöl ist 2023 auf einem historischen Höchststand.

Da kommt ein klimaschützender Ölmagnat als Projektionsfläche gerade recht. Natürlich: al-Jaber hat bereits vor dem Gipfel in Dubai weitere Gasförderungen angekündigt (selbstverständlich „klimafreundlich“). Auch soll er bei einer Konferenz im Vorfeld des Treffens gesagt haben, es gebe keine Wissenschaft und kein Szenario, die besagen würden, dass durch den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden könne. Rekordverdächtige 2.400 Öl- und Gaslobbyist:innen tummeln sich gerade in Dubai, es geht das Gerücht, dass al-Jaber die Konferenz für Öl- und Gasdeals nutzen möchte.

Bei der COP28 wird über Scheinlösungen verhandelt

Aber laut einem Report der Umweltorganisation der Vereinten Nationen planen Regierungen weltweit, 2030 mehr als doppelt so viele fossile Brennstoffe zu produzieren als mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar. Laut der Datenbank Global Oil and Gas Exit List suchen oder erschließen derzeit 96 Prozent der 700 dort erfassten Förderunternehmen neue Öl- und Gasfelder. Zwar mahnte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Entschlossenheit beim Ausstieg aus fossilen Energien, „zuallererst aus der Kohle“. Derselbe Olaf Scholz zementiert aber mit seiner Förderung von Flüssiggas den Ausbau fossiler Infrastruktur auf Jahrzehnte hinaus. Dabei ist die Verbrennung von Flüssigerdgas 274 Prozent klimaschädlicher als der von Kohle.

Der weltgrößte Exporteur von LNG ist die USA. Es wird dort fast ausschließlich durch Fracking gewonnen, das mit hohen, extrem klimaschädlichen Methan-Emissionen verbunden ist und durch den wachsenden LNG-Export einen nie da gewesenen Anstieg erlebt. Nun haben die USA und andere Ölstaaten versprochen, den Methanausstoß bei der Förderung von Öl und Gas zu senken. Nicht aber, aus Öl und Gas ganz auszusteigen. Eine globale Ausstiegs-Vereinbarung aber wäre das wichtigste Ergebnis dieser Weltklimakonferenz gewesen.

Stattdessen wurde über Scheinlösungen verhandelt wie „emissionsarmer“ Wasserstoff, Dekarbonisierungstechnologien oder CO₂-Speicherung. Sie alle bedeuten nichts anderes, als dass alles weiter gehen soll wie bisher. Da kann der in Dubai beschlossene Klimafonds noch so gut gefüllt sein, es ist absehbar, dass schon bald weite Teile der Welt schlicht unbewohnbar werden. Die COP28 zeichnet gerade ein klares Bild vom Status quo des Klimaschutzes. Die Konferenz in Dubai ist nicht die absurdeste, sondern die ehrlichste, die wir je hatten.

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