Neuer und letzter Beatles-Song „Now and Then“: Warum die Begeisterung bis heute anhält

Musik Dank neuer Technik konnte John Lennons Stimme von einer alten Kassette geborgen werden – und so ein neuer und wohl letzter Song der Beatles produziert werden. Doch „Now and Then“ ist nicht der einzige Beitrag in letzter Zeit zur Beatlemania
Die Fans gaben ihr Geld und ihr Geschrei, aber die Beatles gaben ihr Nervensystem.
Die Fans gaben ihr Geld und ihr Geschrei, aber die Beatles gaben ihr Nervensystem.

Foto: Evening Standard / Freier Fotograf

Die wirkliche Überraschung hinter der Veröffentlichung des „letzten“ Beatles-Songs Now and Then an diesem Donnerstag ist vielleicht nicht, dass Paul McCartney und Ringo Starr die Band ein letztes Mal auferstehen lassen wollten – indem sie sie mit der, wie es heißt, „kristallklaren“ Stimme von John Lennon von einer Kassette aus den 1970er Jahren vereinten, ein Kunststück, das durch die von Peter Jackson für seinen Dokumentarfilm Get Back aus dem Jahr 2021 entwickelte Technologie ermöglicht wurde –, sondern dass es nach wie vor einen scheinbar unstillbaren Durst nach allem gibt, was die Fab Four betrifft.

Es ist nun 60 Jahre her, dass die Beatlemania zunächst Großbritannien und dann über Amerika die ganze Welt erfasste. Niemand konnte damals ahnen, dass uns die Gruppe im Jahr 2023 immer noch in ihren Bann ziehen würde. Die Lebensdauer von Popbands wurde in Monaten oder bestenfalls Jahren gemessen – die Beatles selbst kamen nicht weiter als bis zu ihrer Auflösung 1970. Doch derzeit erwacht das Interesse erneut. Neben Now and Then gibt es erweiterte Versionen der 1973 erstmals erschienenen Red- und Blue-Compilations, Philip Normans Biografie über George Harrison (neben seinen Bänden über Lennon und McCartney) und eine Apple-TV-Serie, Murder Without A Trial, die den Mord an Lennon 1980 vor seinem New Yorker Haus untersucht.

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Paul McCartney fand Fotos aus den Sechzigern

Bis Ende letzten Monats lief in der Londoner National Portrait Gallery Eyes of The Storm, McCartneys eindrucksvolle Ausstellung nach seiner „Entdeckung“ einer Kiste mit Fotos aus den Jahren 1963/64. Die britische Denkmalschutzorganisation National Trust bietet immer noch Führungen durch die Häuser von John und Paul in Liverpool an, und von den englischen Fußballtribünen erklingt Hey Jude.

Einige Gründe für die anhaltende Begeisterung liegen auf der Hand. Da selbst der bescheidenste Beitrag zur kulturellen Sphäre „Beatledom“ weltweite Aufmerksamkeit garantiert, kommen immer mehr Produkte auf den Markt. Hinzu kommt die Sehnsucht der Babyboomer nach ihrer Jugend – nicht zuletzt in den USA, wo Tom Petty und Bruce Springsteen durch den gefeierten Auftritt der Beatles in der Ed Sullivan Show im Jahr 1964 inspiriert wurden, zur Gitarre zu greifen.

Dahinter verbirgt sich die beständige Qualität der Musik – die Ausgelassenheit der frühen Hits, der einfallsreiche Sprung in die Welt der Psychedelika, die sanfte Schönheit der Liebeslieder – und wo die „Fabs“ Pionierarbeit leisteten, folgte der Rest. Ihre Karriere beschreibt immer noch den perfekten Bogen des Pop-Erfolgs, von den frühen Auftritten in Merseyside und dem Eintauchen in den Schmelztiegel des Hamburger Untergrunds bis hin zum Aufstieg zu Lokalhelden, nationalen Sensationen und internationalen Ikonen. Im Gegensatz zu ihren Kollegen von den Rolling Stones sind sie nicht geblieben, um eine selbstgefällige Tribute-Band ihrer selbst zu werden.

George Harrison: „Die Beatles gaben ihr Nervensystem“

Der Elan der Vier – die Pilzköpfe, die lässige Protzigkeit ihrer Kleidung, ihr unbändiger Ehrgeiz – machte sie zur Verkörperung einer Ära, in der Optimismus, Hoffnung und soziale Mobilität möglich waren. Sie strahlten eine ansteckende Fröhlichkeit aus, die heute weit weg und unerreichbar scheint, und selbst wenn sie naiv waren – zum Beispiel, als sie sich auf den Guru Maharishi einließen – waren sie mutig. Wie Harrison es ausdrückte: „Sie (das Publikum) gaben ihr Geld und ihr Geschrei, aber die Beatles gaben ihr Nervensystem. Sie benutzten uns als Vorwand, um verrückt zu werden, die Welt tat es und gab uns dann die Schuld daran.“

Now and Then mag der „letzte Song“ der Beatles sein, aber es wird nicht das letzte Wort in ihrer Geschichte sein. McCartney, der den Nachlass der Gruppe geschickt verwaltet hat, wird vielleicht noch weitere Fotos finden, und eines Tages werden wir vielleicht Lennons Dakota-Tagebücher lesen können, die nach seiner Ermordung kurz auftauchten, aber von Yoko Ono schnell wiedergefunden und seitdem geheim gehalten wurden.

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Geschrieben von

Neil Spencer | The Guardian

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