Taylor-Swift-Fan stirbt nach höllischer Hitze bei Konzert: Tanzt so die Klimakrise?
Tod und Ohnmacht Bei Temperaturen von 40 Grad und mehr drängten 60.000 Fans ins Olympiastadion von Rio de Janeiro, um Taylor Swift live zu sehen. Am Ende starb ein Mensch. Das wirft die Frage auf: Muss sich wegen des Klimawandels etwas ändern auf Konzerten?
Die Show von Taylor Swifts „Eras Tour“ am 18. November 2023 fand inmitten einer Hitzewelle in Rio de Janeiro statt – ein Fan überlebte das Event nicht
Foto: Tercio Teixeira/ Getty Images
In Brasilien, einem tropischen Land, in dem der berühmte Karneval im Hochsommer gefeiert wird, ist das heiße Wetter normalerweise kein Hindernis für Musikveranstaltungen. „Für uns Brasilianer ist die Hitze Teil unserer Identität“, sagt Nubia Armond, Geografin an der Indiana University Bloomington. „Wir sind ein Land, das gut mit Hitze umgehen kann, darauf sind wir stolz.“ Doch der Tod einer jungen Frau während eines Taylor-Swift-Konzerts in Rio de Janeiro, das inmitten einer sengenden Hitzewelle stattfand, hat die Gefahren extrem hoher Temperaturen ins Blickfeld gerückt. Und die Frage, wie sich Musikveranstaltungen an das Zeitalter der globalen Überhitzung anpassen müssen.
Bei Temperaturen von bis zu 39,1 Grad Celsius dr
raturen von bis zu 39,1 Grad Celsius drängten sich am 17. November in Rio mehr als 60.000 Menschen im Estádio Olímpico Nilton Santos zu Swifts erstem großen Auftritt in Brasilien, dem zweiten Südamerika-Stopp ihrer legendären Eras-Tour. Nach stundenlangem Anstehen in der brütenden Nachmittagssonne rangen die Konzertbesucher im Inneren des Stadions um Atem.„So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Natália Cordeiro, 29, eine Anwältin aus der nahe gelegenen Stadt Niterói. „Es fühlte sich an wie ein Ofen.“ Swift live zu sehen, war für Cordiero ein wahr gewordener Teenager-Traum. Aber die Umstände machten es ihr schwer, das Konzert zu genießen. „Während meiner Lieblingssongs war ich mittendrin, ich sprang herum, sang, aber ich bekam dieses Gefühl der Atemlosigkeit.“1.000 Menschen fallen in OhnmachtMindestens 1.000 Menschen fielen in Ohnmacht. Videoaufnahmen von Swift auf der Bühne zeigen, dass der 33-jährige Popstar offenbar auch mit dem Atmen zu kämpfen hatte. Ana Clara Benevides, 23, brach zusammen, während Swift das Lied Cruel Summer sang – und starb kurz darauf im Krankenhaus. Eine vorläufige Autopsie ergab, dass sie leichte Lungenblutungen erlitt, aber die Behörden erklärten, es sei noch zu früh, um festzustellen, ob Hitze und Dehydrierung die Ursache waren.Die brasilianischen Behörden reagierten umgehend und erließen eine Notverordnung, die den Zutritt zu den Konzerthallen mit Wasser in Flaschen erlaubt. Am Samstag darauf, nachdem die Fans bereits begonnen hatten, das Stadion für Swifts zweite Show zu betreten, verschoben die Veranstalter der Show, Time For Fun, das Konzert an diesem Abend, da das Thermometer schon wieder 42,5 Grad anzeigte.Gegen Time For Fun ermittelt die brasilianische Staatsanwaltschaft. Außerdem wurden Fragen über das offensichtliche Versäumnis der Organisatoren aufgeworfen, die Veranstaltung an die heißen Wetterbedingungen anzupassen. Nach Angaben von Konzertbesuchern waren die Lüftungsöffnungen des normalerweise luftigen Stadions mit Schirmen abgedeckt, offenbar um zu verhindern, dass die Menschen draußen einen Blick auf die Show werfen konnten. Und der Rasenplatz war mit Metallplatten abgedeckt, die sich in der Sonne aufgeheizt hatten.Time for Fun: Was der Veranstalter zu den Vorwürfen sagtAußerdem war es den Zuschauern untersagt, ihre eigenen Getränke mitzubringen: 300-ml-Becher waren im Stadion teuer und schwer zu bekommen. Trotz der bereits gefährlichen Hitze wurde die Pyrotechnik während Swifts Auftritt von Bad Blood beibehalten. „Die Sicht und das Hitzegefühl waren höllisch“, schrieb die Journalistin Marcella Ramos.In einer Videoerklärung räumte der CEO von Time For Fun, Serafim Abreu, ein, dass das Unternehmen einige zusätzliche Maßnahmen hätte ergreifen können, um der Hitze zu begegnen, und entschuldigte sich bei den Konzertbesuchern. Er drückte auch seine „Bestürzung“ über den Tod von Benevides aus und sagte, das Unternehmen stehe der Familie zur Verfügung, „um bei Bedarf Unterstützung zu leisten.“Unter solchen Bedingungen muss die Unterhaltungsindustrie akzeptieren, dass der Spruch „The Show must go on“ nicht immer richtig ist, sagt Anita Carvalho, Direktorin der Music Rio Academy. „Der Produzent hätte die Veranstaltung verschieben oder absagen müssen, da offensichtlich niemand auf diese Art von Hitze vorbereitet war.“ Carvalho fügt hinzu: „Ich habe keinen Zweifel, dass dies ein Wendepunkt für die Veranstaltungsbranche sein wird.“Nathalia Valladares ist eine begeisterte Konzertbesucherin, die Karten für Paul McCartney im Dezember und für McFly im nächsten Jahr hat. Doch auch sie glaubt, dass sich die brasilianischen Fans anpassen müssen in Zeiten der Klimakrise. Zwar seien die Brasilianer für ihre Leidenschaft bekannt und würden sich nicht scheuen, stunden-, tagelang oder sogar noch länger anzustehen, um den besten Platz bei einem Konzert zu ergattern. Aber: „Ich habe Leute gesehen, die bei Swifts Show am Freitag Stiefel und Handschuhe trugen“, sagt die 33-jährige Designerin ungläubig. Fashion und Style hin oder her – bei über 40 Grad sei das keine gute Idee.Der Privatjet von Taylor Swift stieß 2022 mehr CO₂ aus als jeder andere Prominente im Jahr 2022Nubia Armond hofft, dass die Intensität der jüngsten Hitzewelle in Brasilien, die auf eine weitere extreme Hitzeperiode im September folgt, die Behörden und die Bevölkerung auf die stille Gefahr der hohen Temperaturen und die Dringlichkeit der Situation aufmerksam macht. „Es gibt sehr starke Hinweise darauf, dass die jüngste Hitzewelle durch den Klimawandel beeinflusst wurde“, sagt sie. Brasilien ist jedoch bei weitem nicht das einzige Land, das hitzebedingten über Veränderungen in der Unterhaltungsindustrie nachdenken muss.In Phoenix wurden Anfang des Jahres mehrere Konzerte abgesagt, als die US-Stadt ihren heißesten und tödlichsten Sommer aller Zeiten erlebte. Andernorts in Südamerika wurden während zweier Hitzewellen in Argentinien und Chile Festivals veranstaltet, bei denen Menschen in Ohnmacht fielen, Künstler ihre Auftritte pausierten und Kritik an der unzureichenden Infrastruktur für die Hitze laut wurde.Swift – deren Privatjet laut einer Datenanalyse von Yard mehr CO₂ ausstieß als jeder andere Prominente im Jahr 2022, obwohl sie nicht auf Tournee war – wurde von Beobachtern in den USA dafür kritisiert, dass sie nicht mit ihren Fans über die abnormale Hitze sprach. Das warf Fragen nach der Verantwortung einflussreicher Popstars für die Kommunikation über die Klimakrise auf.„Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf abstrakte Aspekte unseres Lebens aus“, sagt die Klimaexpertin Armond. „Unsere Freizeitaktivitäten, wie Sport, aber auch Live-Musik, sind davon betroffen.“
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