Siebzehn Fragen vor dem Frühling

Krieg gegen die Ukraine I Seit Wochen beherrschen die Drohungen des Kreml gegen die Ukraine die Schlagzeilen. Die derzeitigen Manöver könnten der Auftakt eines Krieges sein. Siebzehn Antworten auf siebzehn Fragen sollen erklären, worum es in dem Konflikt geht.

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Steht der 3. Weltkrieg vor der Tür?

Das ist Panikmache. Die NATO und auch nahezu alle Mitgliedsländer haben immer wieder betont, ein Angriff Russlands auf die Ukraine wäre kein Bündnisfall. Viele Staaten haben allerdings erklärt, sie würden die Ukraine unterstützen und weitreichende Sanktionen gegen Russland aussprechen.

Ich sehe, dass die Propaganda und unsere hauptamtlichen Fernsehmoderatoren die Situation zu eskalieren beginnen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass Fedorov, ein Abgeordneter von Einiges Russland, offen einen Atomschlag gegen die Vereinigten Staaten erklärt.
Generaloberst Leonid Ivashov, 12. Februar 2022

In den staatlichen TV-Medien Russlands ist immer wieder die Rede von einem Atomkrieg, der nationalistische Politker Zhirinovsky forderte schon Atombombenabwürfe auf Australien, Istanbul oder auf eine Nordseeinsel. Im April 2021 versprach Zhirinovsky demjenigen 10 Millionen Rubel, der die russische Flagge über Kyiv aufhängt. Meistens sind diese Töne als Begleitmusik für diplomatische Auseinandersetzungen zu vernehmen.

Wie sind die Kräfteverhältnisse zwischen den Armeen beider Staaten?

Welche Waffengattung man auch betrachtet, die russische Armee ist weit überlegen. Insbesondere die Luftüberlegenheit Russlands ist total. Die Ukraine verfügt zudem über zu wenige Möglichkeiten der modernen Luftabwehr. Auch gegen ein mögliches Landungsunternehmen wäre die Ukraine dank der totalen Luft- und Seeüberlegenheit Russlands nahezu wehrlos.

Kräfteverhältnis Ukraine - Russland
Soldaten aktiv: 255000 - 1014000
Soldaten gesamt: 1155000 - 3014000
Kampfflugzeuge: 67 - 1531
Kampfhubschrauber: 34 - 538
Panzer: 2430 - 13000
Gepanzerte Fahrzeuge: 11435 - 27100
Feldgeschütze: 2040 - 4465
Kleinere Kriegsschiffe: 13 - 214

Wird es eine Invasion Russlands in der Ukraine geben?

Diese Frage ist schwer zu beantworten. Die Konzentration von Truppen direkt an der ukrainischen Grenze reicht meines Erachtens nicht für die Besetzung der gesamten Ukraine aus. Die Berichte von Stationierungen russischer Truppen wie der 1. Panzergarde im Grenzgebiet zur Ukraine nehmen zu. Für Manöver ist der Truppenaufmarsch zu umfangreich. Von russischen Militärstützpunkten wird an folgenden Orten berichtet:

Belarus: Yelsk, Rechytsa, Krasnaye Sielishcha
Russland (ohne die Krym): Klimovo, Klinzy (drei Standorte), Belgorod, Valuyki, Boguchar, Kamensk Shakhtinsky, Kadamovsky, sowie zwischen Taganrog und Rostov

Hinzu kommen noch Kursk, Voronesh sowie Yelnya, die eher die Funktion besitzen dürften, die Basis einer zweiten Welle für einen möglichen Angriff sein könnten. Die Aufstellung der Truppen in Russland selbst lassen einen schnellen Angriff möglich erscheinen.

Falls es eine Invasion geben sollte, wie weit wird sie gehen?

Betrachtet man die Stützpunkte, kann man folgende Angriffsrichtungen erkennen: Ein Umfassungsmanöver für Kyiv, ein Angriff auf Kharkiv sowie aus den beiden Volksrepubliken Donezk und Luhansk heraus eine Stoßrichtung vermutlich zunächst nach Mariupol.

Das Seemanöver im Schwarzen und im Azovschen Meer böte auch noch einen Angriff mit einer Stoßrichtung Odesa an, um die Ukraine vollständig vom Schwarzen Meer abzuschneiden.

Militärstrategen gehen davon aus, für einen Angriff braucht man eine überlegene Feuerkraft von 4:1, örtlich für einen Durchbruch mittels eines Frontalangriffes bis zu 10:1. Zählt man nur die Soldaten zusammen, ist eine Invasion der gesamten Ukraine auszuschließen. Der Westteil der Ukraine scheint nicht zum Plan einer möglichen Invasion dazuzugehören. Ein Direktangriff auf Kyiv ist nahezu unmöglich. Das würde einen Angreifer in einen verlustreichen Häuserkampf zwingen. Dort ist ein Umfassungsmanöver wahrscheinlicher, um die Stadt zur Kapitulation zu zwingen.

Aus Russland stammende Karten mit dem Traum von Novorossiya beinhaltet das Gebiet von Odesa über Dnipro bis Kharkiv, aber ohne Kyiv. Allerdings ist in den russischen Staatsmedien in der letzten Zeit recht wenig von Novorossiya die Rede.

Sollte man sich im Kreml zum Angriff entschließen, ist die wahrscheinlichste Option die Einnahme von Mariupol und eine Landverbindung zur Krym. Mariupol war als Umschlagshafen für die Donbas-Region bis 2013 sehr wichtig. Allerdings arbeitet der zivile Hafen von Sevastopol seit der Annexion der Krym höchst defizitär, was angesichts der zu erwartenden Sanktionen auch für Mariupol gelten würde.

Was spricht gegen einen Angriff?

Die unklaren Minsk II-Vereinbarungen würden bei einem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine obsolet werden. Russland könnte nicht mehr darauf bestehen, keine aktive Kriegspartei zu sein.

Darüber hinaus würde ein großflächiger Angriff auf die Ukraine beim Angreifer hohe Verluste bringen und enorm hohe Kosten verursachen. Jede neue Regierung würde als Besatzungsmacht angesehen werden. Eine Umfrage in der Ukraine vom Dezember 2020 besagt, lediglich 6% der Bevölkerung wünschen ein Bündnis mit Russland, etwa 60% begrüßen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO.

Drohungen durch Truppenkonzentrationen haben für Russland einen interessanten Nebeneffekt. Während Russland 2021 lange Zeit nur die vertraglich vereinbarten Gasmengen lieferte und so den Gaspreis künstlich verknappt hat, wird seit einigen Wochen mehr Gas nach Europa exportiert. Durch den eingebrochenen Rubelpreis schätzt man die Wechselkursgewinne Russlands auf 8 Mrd. Dollar. Wer Krisen verursachen kann, kann also dank der in Dollar oder Euro abgewickelten Verträge mehr erwirtschaften und Gewinne einplanen. Ohne einen großen Krieg zu beginnen, profitiert Putin sogar von seinen Drohungen. Ein Krieg und eine anschließende Besatzung könnren jedoch nicht annähernd durch Gasgeschäfte und Wechselkurse finanziert werden.

Ist es unklug von den USA, einen Angriffstermin zu veröffentlichen?

Offiziell hat die USA diesen kommunizierten Angriffstermin nie bestätigt. Es wird verlautbart, der CIA habe informiert, man rechne mit einem Angriff Russlands auf die Ukraine am 16. Februar. Die Veröffentlichung vieler Daten wird ganz sicher eine Entscheidung des Präsidenten Joe Biden gewesen sein. Denkbar ist es, im Präsidentenamt geht man einen anderen Weg als 2014, als man sowohl von der Annexion der Krym, als auch vom russischen Krieg im Donbas überrascht wurde,

Der Vorteil dieser Taktik ist, es lassen sich offen Antworten seitens der USA und der EU auf eine möglicherweise geplante Invasion der Ukraine durch Russland kommunizieren. Sie könnten Putin von einem Krieg abhalten, so der ihn denn geplant haben sollte. Solche Ankündigungen nutzen sich aber ab, wenn Putin doch keinen Einmarschbefehl gibt und beispielsweise im September erneut starke Militärkräfte an der ukrainischen Grenze aufgefahren werden.

Einen Angriff am 16. Februar wird es garantiert nicht geben. Sollte Putin wirklich einen Angriff planen, böte sich der 22. Februar an. An diesem Tag flüchtete Janukovych und die Euromaidan-Revolution gewann. Wenn Putin irgendetwas fürchtet, sind es Demonstrationen und Revolutionen in seinem Land und in Nachbarländer.

Wird es einen Angriff der Ukraine auf die Volksrepubliken geben?

Rechtlich betrachtet wäre ein ukrainischer Angriff ähnlich zu bewerten wie die Tschetschenienkriege. Russland führte zwei Kriege gegen Tschetschenien, weil diese aus der Russischen Föderation austreten wollten. Allerdings gibt es keinerlei Anzeichen für einen auch nur örtlich begrenzten Angriff der Ukraine. Ebensowenig gab es in den letzten Monaten irgendwelche Drohungen von der Ukraine in Richtung der Volksrepubliken. Die Ukrainer haben auch 2014-15 den Krieg nicht so geführt wie Russland in Tschetschenien, als Grozny und viele andere Städte nahezu vollständig zerstört wurden und sehr wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen wurde.

Ist Minsk II die Hoffnung auf Frieden und Verständigung?

Minsk II wurde zu einem Zeitpunkt verabschiedet, als die Anfang 2015 noch schlecht ausgerüstete und ausgebildete ukrainische Armee nach der Schlacht von Ilovaysk im August 2014 und in der Kesselschlacht von Debalzeve viele Soldaten verlor. Russische Soldaten wurden sowohl 2014, als auch 2015 eingesetzt. Der Angriff und die Eroberung von Debalzeve verletzte sowohl die Minsk I, als auch die Minsk II-Vereinbarung, denn der wichtige Verkehrsknotenbunkt konnte erst einige Tage nach dem vereinbarten Waffenstillstand eingenommen werden.

Die Konfliktparteien wissen ganz genau, dass sie nicht zu erfüllen sind. Jeder Hinweis auf das sogenannte "Minsk" ist nur ein Trick: für die Ukraine ein Versuch, den Beginn des Krieges zu verzögern, für Russland - einen Grund zu finden, um Feindseligkeiten zu beginnen.
Juri Kasjanov

Insofern trägt Minsk II in zweifacher Hinsicht den Charakter eines ungleichen Vertrages. Einerseits war es ein von Deutschland und Frankreich abgesegneter Diktatfrieden für die Ukraine, andererseits ist die Erfüllung der dort festgelegten Punkte praktisch nicht umsetzbar. Sie würde zudem jede gewählte Regierung in der Ukraine stürzen lassen. Sollte Minsk II gänzlich umgesetzt werden, erhalten die Volksrepubliken ein außenpolitisches Vetorecht, womit jegliche ukrainische Außenpolitik paralysiert werden würde. Russland bekäme so ein Vetorecht sowohl für die ukrainische Innen- als auch für die Außenpolitik.

Ein umgesetztes Minsk II wäre die Neuauflage des Abkommen von Dayton, welches zwar den Bosnienkrieg beenden konnte, aber bis heute für einen paralysierten Staat sorgt. In der Republika Srpska, in der Russlands Einfluß sehr groß ist, gibt es seit dem Bosnienkrieg (das Massaker von Srebrenica fand auf dem heutigen Gebiet der Republika Srpska statt) und der einhergehenden ethnischen Säuberung eine Mehrheit von bosnischen Serben. Ein solcher fragiler Frieden dürfte in der Ukraine dafür sorgen, Russland erhält seine Macht, hält den Nachbarn schwach, ohne seinen tatsächlichen Einfluss offenzulegen. Daher war es nicht zufällig, Putin verwies auf die Kriege in Jugoslawien und meinte damit die Ukraine, als er nach dem Besuch des Bundeskanzlers Scholz Fragen deutscher Journalisten beantwortete, Allerdings entstand der Krieg in Jugoslawien durch innere Zerwürfnisse zwischen den Völkern des Vielvölkerstaates. Der jetzt drohende Krieg nährt sich durch Armeen an der ukrainischen Grenze.

Wie sind die Reaktionen in der ukrainischen Bevölkerung?

Aber wie besorgniserregend die Situation ist, spürt man in so einem Moment wenn der Vater sagt:
"Denkt daran, wir lieben euch!"
Meine Frau geht in die Küche, heult, ihre Eltern sollen es nicht sehen. Ich gehe ihr hinterher.
Deutsch-ukrainisches Ehepaar

53,1% der Ukrainer glaubt nicht daran, Zelenskyj wird die verfassungsgemäße Rolle des Oberbefehlshabers im Krieg ausfüllen können. Da viele Ukrainer davon ausgehen, der Westen der Ukraine wird vom Krieg verschont bleiben, mieten viele Appartements für Monate in Lviv und bereiten einen Umzug vor.

Viele Ukrainer verkünden, sie würden in welcher Form auch immer kämpfen, wenn Russland einmarschieren sollte. Sei es, man würde dem eigenen Militär mit allen Mitteln helfen, sei es, man plant für die Zeit nach der Niederlage. Die Erinnerungen an den 2. Weltkrieg und an die Partisanentätigkeit ist in der Ukraine und in Belarus gleichermaßen in der Bevölkerung präsent. In Belarus beruft sich die Opposition auf den Partisanenkampf gegen die deutschen Eindringlinge. Diesen gemeinsamen Nenner wird man auch in der ukrainischen Bevölkerung finden.

"Ich kann nirgendwo hingehen, ich habe eine Katze. Wir werden kämpfen müssen."
"Katzen hat jeder! Deshalb sind die Waffenläden in Kiew leer."

Dennoch läuft das Leben in der Ukraine überraschend normal. Man hat sich an die Bedrohung seit 2014 gewöhnt. Viele rechnen daher auch nicht mit einem russischen Angriff, auch wenn man keinen Witz darüber auslässt. Ebenso wenig macht man sich Illusionen über Putins Handeln und durchschaut auch aufgrund der historischen Erfahrungen viel klarer dessen Pläne.

Befürchtungen lösten die Aufforderungen vieler Staaten an die in der Ukraine lebenden Landsleute aus, das Land umgehend zu verlassen. Die USA verlegt ihre Botschaft nach Lviv, andere Staaten ziehen teilweise Botschaftspersonal und deren Familienangehörigen ab. Einerseits wird es als Zeichen der Schwäche des Westens gedeutet, andererseits fühlt man sich von einigen westlichen Staaten auch im Stich gelassen. Die Karikaturen von Oleh Smal über das Budapester Memorandum und über das Verhalten der EU beschreiben gut die Stimmungslage.

Warum beschwichtigt Zelenskyj?

Da Zelenskyj für Interviews nicht zur Verfügung steht, ist die Antwort spekulativ. Die für mich wahrscheinlichste Antwort ist, Zelenskyjs Motive für beruhigende Statements sind, der ukrainischen Wirtschaft keinen schweren Schaden zuzufügen und ausländische Investoren davon abzuhalten, sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Die wirtschaftlichen Daten der Ukraine sind in den vergangenen Jahren auf das Niveau vor 2014 angestiegen, obwohl die Krym und der besetzte Teil des Donbas zum Bruttoinlandsprodukt nichts mehr beitragen. Zelenskyjs Motiv dürfte sicherlich im Erhalt des "Investitionsklimas" liegen, von denen Wirtschaftsfachleute immer so gerne sprechen.

Ein weiterer Grund sind die falschen Gerüchte, die in solchen Krisensituationen immer auftauchen. In bestimmten russischen Medien wird kolportiert, westliche Fluggesellschaften würden die Ukraine mittlerweile umgehen. Lediglich die niederländische Fluggesellschaft KLM meidet den ukrainischen Luftraum, was sicherlich mit dem Abschuß der MH17 zu tun hat. Auf Flightradar ist keine signifikante Abnahme des zivilen Luftverkehrs zu beobachten.

Gibt es Widerstand gegen den Krieg in Russland?

Die nicht regierungstreue Presse berichtet relativ wenig über einen möglichen Krieg Russlands in der Ukraine. Es gibt eine Petition von Künstlern und Wissenschaftlern, es gibt ebenso den Appell des Vorsitzenden der "Allrussischen Offiziersversammlung" Generaloberst Leonid Ivashov.

Zwar sind in den vergangenen 8 Jahren viele familiäre und freundschaftliche Beziehungen zwischen Russen und Ukrainern unterbrochen oder gänzlich abgebrochen worden, ein längerer Krieg würde aber viele Bilder produzieren, die das Leid einer Zivilbevölkerung vermitteln und die Entschlossenheit zur Gegenwehr beim Verteidiger demonstrieren würde. Der Appell der Allrussischen Offiziersversammlung ist nicht singulär. Aus den Kreisen der Veteranen der Armee ist immer wieder Unmut gegen den seit acht Jahren laufenden Krieg gegen die Ukraine zu vernehmen. Obwohl aus der Ukraine immer wieder von vielen Menschen betont wird, sie würden im Gegensatz zu den Russen gegen ihre Herrschenden (erfolgreich) aufbegehren, sind Proteste in Russland während eines Krieges gegen die Ukraine nicht unmöglich.

Warum tun sich viele Menschen in Deutschland schwer, die ukrainische Position zu verstehen?

- Wer sind die Ukrainer und wer ist die Ukraine für die deutsche Gesellschaft?
- Für die meisten Deutschen existiert die Ukraine im Prinzip nicht.
Interview mit Sergei Sumlenny, 10. Februar 2022

Es gibt eine Konstante in Deutschland, die schon im 2. Weltkrieg galt und bis heute zu sehen ist. Für Deutsche beginnt Russland jenseits der polnischen Grenze. Viele Deutsche glauben bis heute, die ukrainische Sprache sei nur ein bäuerlicher Dialekt des Russischen und wissen nicht, die Unterschiede zwischen den beiden Sprachen ist ähnlich groß wie zwischen der französischen und der portugiesischen Sprache.

1943 notierte Heinrich Böll auf der Fahrt von Ternopil nach Vinnytzia in sein Tagebuch "Rußland!!!!". Das Klischeebild von Russland ist endloser Schnee, Taiga, Sibirien, Krym-Sekt und Zarenglanz. Das wird 1:1 auf die Ukraine übertragen.

Oft ist von einer historischen Verantwortung gegenüber Russland die Rede. Eines der Beispiele dafür stellt North Stream 2 dar. Auch der Bundespräsident Steinmeier begründet die Inbetriebnahme mit einer historischen Schuld. Diese Pipeline umgeht Polen, Belarus und die Ukraine - alles Staaten, die im 2. Weltkrieg vollständig besetzt waren und einen weitaus höheren Aderlass an Menschen zu beklagen hatten. Teilweise wird diesen Staaten sogar vom ehemaligen Besatzer die aufgezwungene Täterrolle zugeschoben. Die Kritik darüber ist in allen Staaten zwischen Deutschland und Russland deutlich zu vernehmen. Dennoch wird in Deutschland die Wichtigkeit der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland immer wieder betont, obwohl das Handelsvolumen mit Polen und Tschechien weitaus höher ist.

Während man bei deutschen Wirtschaftsvertretern ein Interesse an Gewinnen und durchaus auch die Hoffnung auf Partizipation an Korruption unterstellen kann, dürfte bei vielen Rechten die Sympathie für den autokratischen Staat Russland der Grund für die Unterstützung Putins sein. Putins Regime steht nicht für liberale Werte wie Toleranz gegen Gleichtgeschlechtliche.

Bei den Linken spielt ganz sicher Willy Brandts Entspannungspolitik eine Rolle. Dabei wird vergessen, diese basierte immer auf eine klare Westbindung. Auch die USA unter dem gleichzeitig regierenden Präsidenten Richard Nixon versuchte durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Volksrepublik China eine Entspannungspolitik mittels der sogenannten Ping-Pong-Politik umzusetzen. Was auch deshalb gelang, die damalige Führung unter Leonid Breshnev war an Machterhalt interessiert.

Warum strebt Putin eine Revision der KSZE-Schlussakte an?

In dem Kapitel Erklärung über die Prinzipien, die die Beziehungen der Teilnehmerstaaten leiten steht unter I. Souveräne Gleichheit, Achtung der der Souveränität innewohnenden Rechte folgendes:

Im Rahmen des Völkerrechts haben alle Teilnehmerstaaten gleiche Rechte und Pflichten. Sie werden das Recht jedes anderen Teilnehmerstaates achten, seine Beziehungen zu anderen Staaten im Einklang mit dem Völkerrecht und im Geiste der vorliegenden Erklärung zu bestimmen und zu gestalten, wie er es wünscht. Sie sind der Auffassung, daß ihre Grenzen, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, durch friedliche Mittel und durch Vereinbarung verändert werden können. Sie haben ebenfalls das Recht, internationalen Organisationen anzugehören oder nicht anzugehören, Vertragspartei bilateraler oder multilateraler Verträge zu sein oder nicht zu sein, einschließlich des Rechtes, Vertragspartei eines Bündnisses zu sein oder nicht zu sein; desgleichen haben sie das Recht auf Neutralität.
(KSZE-Schlussakte)

Bei den 2+4-Verhandlungen schlug Genscher vor, der UdSSR zuzusichern, die NATO werde sich nicht nach dem Osten ausweiten. Diesem Vorschlag stimmte Baker zu, wurde jedoch umgehend von George Bush gebremst. Sowohl Bush, als auch Gorbachov waren sich darin einig, dies wäre ein eklatanter Verstoß gegen die in der KSZE-Schlussakte vereinbarte freie Wahl des Bündnisses. Gorbachov hat dies vielfach in Interviews und auch in seinem Buch "Das neue Russland: der Umbruch und das System Putin" betont. Jelzin ging 1993 noch einen Schritt weiter, als der damalige polnische Präsident Lech Walesa ihn über Polens Beitrittersuchen in die NATO informierte. Jelzin betonte, die Zeiten, in denen Warschau seine Pläne mit Moskau abstimmen mußte, seien vorbei. Die NATO bot Polen erst im Jahre 1997 die Mitgliedschaft in dem Verteidigungsbündnis an.

Seit 2005 ist immer deutlicher erkennbar, Putin will eine Revision der KSZE-Schlussakte. In seinen Maximalforderungen geht er sogar so weit, die NATO solle alle seit 1997 aufgenommenen Mitglieder aus dem Bündnis entlassen. Das Ziel dürfte klar sein: Die Aufnahme neuer Mitglieder wie Schweden, Finnland, der Ukraine, Georgiens oder der Republik Moldau zu verhindern.

Das Erfüllen auch nur eines Teils der Forderungen wäre der Schritt hinter der KSZE-Schlussakte und hinter der Pariser Charta. Regierungen in Staaten sollten aus freien Wahlen entstehen. Die demokratisch legitimierte Regierung sollte ohne den Druck anderer Mächte frei und souverän ihre Politik nach innen und mittels Verträge mit anderen Staaten bestimmen können.

Ist das Modell Finnland oder Österreich eine Lösung?

Es klingt vielversprechend, den Neutralitätsstatus von Finnland oder von Österreich als Modell für die Ukraine anzusehen. Österreich spielte für die UdSSR keine wesentliche geopolitische Rolle, weshalb ihr 1955 der Rückzug aus dem sowjetisch besetzten Teil Österreichs leicht fiel. Finnland ist Nachbarland von Russland und war nach dem 2. Weltkrieg Nachbarland der UdSSR. Durch den Finnisch-Sowjetischen Vertrag von 1948 sowie weiterer Verträge verpflöichtete sich Finnland jedoch zum militärischen Beistand. Finnland war verpflichtet, "Konsultationen über militärische Hilfe mit der Sowjetunion aufzunehmen" und drohte "somit in ihre unmittelbare Abhängigkeit [der UdSSR] zu geraten" (Ferdinand Schöningh, S. 80). Während der Verhandlungen war in der Ausgabe des Spiegel 04/1947 von "Finnlands Verhängnis" die Rede. Der Vertrag trug vielmehr Züge eines Diktats, den weite Teile der Finnen nur mit Murren und unter Zwang akzeptierten.

Die finnischen Verträge mit der UdSSR, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im beiderseitigen Einvernehmen nicht verlängert wurden, hätte den Charakter einer Mitgliedschaft der OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit), wobei die Ukrainer befürchten müßten, selbst Opfer eines gegenseitigen Beistandspaktes zu werden. Der Kreml hat noch jede große Demonstration auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR als von feindlichen Mächten organisierten Putsch bezeichnet und führt auch Listen gegen "ausländische Agenten" im eigenen Land. Das Nachrichtenportal Meduza muß jeden Artikel mit einem Warnhinweis versehen und verliert dadurch nahezu sämtliche Werbeeinnahmen in Russland.

Der sowjetische KGB und die Partei deutete nahezu jeden Widerspruch als feindliche Agententätigkeit. Diese Tradition wird unter Putin fortgesetzt.

Welche innenpolitischen Motive könnte Putin haben?

Sobald der Kreml der NATO ein Ultimatum stellte und forderte, die Welt wie in Jalta neu zu verteilen, stellte sich heraus, dass man direkt auf dem Territorium Russlands kranke Frauen als Geiseln nehmen und öffentlich versprechen kann, ihnen den Kopf abzuschneiden. Und unser Staat, der in 48 Stunden dabei war, die Ukraine zu erobern, kann und will mit diesen Russen nichts anfangen und schreit nur: "Ich sehe nichts, ich höre nichts!"
Yulia Latynina, 2. Februar 2022

Ein bewährtes Mittel von Politikern größerer Mächte ist es, mittels eines Krieges oder eines äußeren Konflikts von der Innenpolitik abzulenken.

🠻 Schwindender Einfluß Russlands in Kazakhstan nach der OKVS-Operation im Januar 2022
🠻 Der tschetschenische Präsident Kadyrov führt den Russen vor, wie er das russische Recht verhöhnt
🠻 Korruptionsskandale in Russland wie die Tambov-Affäre
🠻 Putins Reichtum und Palast

Der gefährlichste Punkt für Putin dürften die Ereignisse in Tschetschenien sein. Der Abgeordnete Adam Delimkhanov des Regionalparlaments in Tschetschenien versprach während einer Live-Übertragung auf Instagram, die Köpfe der Familienmitglieder des ehemaligen Bundesrichters Saidi Yangulbaev abzuschlagen. Er kündigte ebenfalls eine Strafe für denjenigen an, der seine Worte ins Russische übersetzt. Die Frau von Yangulbaev wurde am 20. Januar in Nishnij Novgorod mit Duldung des FSB entführt und nach Grozny verschleppt. Amnesty International berichtete auch darüber.

Die Journalistin Elena Milashina hat auf Anraten der Redaktion von Novaya Gazeta das Land verlassen. Gewalt und Mord gegen Journalisten der Novaya Gazeta ist nichts Neues. Der Mord an Anna Politkovskaya war nur einer von fünf erfolgreichen Mordanschlägen. Die Spuren der Mörder an Boris Nemzov führen nach Tschetschenien. Nicht selten führen Kadyrovs Leute das aus, was einem russischen Souverän verwehrt ist.

Das Land verliert Jahr für Jahr viele seiner besten Köpfe, weil begabte Unternehmer, Forscherinnen und Künstler keine Möglichkeit sehen, in ihrer Heimat ihr Potenzial auszuschöpfen. Seit mehr als einem Jahrzehnt befindet sich die Wirtschaft im Kriechgang – die Folge von fehlender Rechtssicherheit und aussenpolitischen Abenteuern, die das Land in die Isolation geführt haben. Nun wirbt Putin für sich mit dem altbekannten Argument aller Diktatoren: der Stabilität. Doch die Stabilität, die er garantieren kann, gleicht einer Friedhofsruhe.
Andreas Rüesch, 10. März 2020, NZZ

Das System Putin gilt in Russland immer mehr als korrupt und ineffizient. Nicht nur die immer wieder an die Öffentlichkeit dringenden Bilder und Videos von Putins Palast zeugen davon, sondern auch die offene Bemerkung eines Buchhalters der "Tambov-Mafia": "Putin wollte 15 % des Einkommens, aber am Ende gab er sich mit 4 % zufrieden"

Sehen Sie, unser System ist so konzipiert, dass es seine Schwächen manipulieren muss. Und wenn du Schwäche manipulierst und nicht stark bist, dann bist du gezwungen zu entscheiden, was mit dir geschehen soll.
Gleb Pavlovski, 4. Februar 2022

Die Ereignisse der Demonstrationen in Kazakhstan waren auch in deutschen Medien präsent. Die Zeit nach der Niederschlagung der Gewalt beschreibt ein ausführlicher Artikel von Vladimir Mirov. Die OKVS wurde zwar vom kazakhischen Präsidenten Tokayev um Hilfe gebeten, kaum waren die Truppen gelandet, wurden sie bereits wieder zum Verlassen des Landes aufgefordert. Askar Umarov wurde demonstrativ zum Minister für Information und soziale Entwicklung ernannt, der in Moskau als "russophob" gilt. Die Volksrepublik China ging als Sieger der turbulenten Ereignisse zu Jahresbeginn hervor, was auch die weitaus höheren wirtschaftlichen Einfluß auf die kazakhische Wirtschaft widerspiegelt. Die Volksrepublik China ist in Kazakhstan aufgrund ihrer rigiden Verfolgung von Minderheiten jedoch sehr unbeliebt. In der chinesischen Grenzregion Xinjiang gehören neben Uiguren auch etwa 1,5 Millionen ethnische Kasachen zu den Verfolgten, wie der auf Deutsch übersetzte Bericht Clockwork Mandarin erzählt.

Gibt es für Putin unterhalb des Kriegs noch Handlungsmöglichkeiten?

Sicherlich. Eine der möglichen Optionen ist es, Putin bietet den Volksrepubliken den Beitritt in die Russische Föderation an. Als Begründung könnten die 600000 Bewohner in den Volksrepubliken, die aus unterschiedlichen Gründen die russische Staatsbürgerschaft angenommen haben sollen (die meisten davon haben die ukrainische Staatsangehörigkeit nicht abgelegt) oder die schon die russische Staatsangehörigkeit besitzen. Über einen solchen Schritt wird auch spekuliert. Ein solcher Schritt hätte den erheblichen Nachteil für Putin, es würde die Minsker Abkommen obsolet machen. Darauf verwies auch der ukrainische Außenminister Kuleba, der zudem sagte: "Aus der Russischen Föderation werden ständig andere Aussagen gemacht, also haben wir bereits eine Regel: Wir werden sehen, dann werden wir glauben."

Eine weitere Option wäre analog der Anerkennung von Südossetien und Abchasien die Anerkennung der beiden Volksrepubliken. Genau diesen Vorschlag übermittelte die Staatsduma Präsident Putin am 15. Februar 2022. Das wäre ein erneuter Bruch der KSZE-Schlussakte, die den Staaten sichere Grenzen garantiert, hätte für Russland aber den Vorteil, die Führungen der beiden Volksrepubliken könnten Russland offiziell um die Stationierung von (ohnehin bereits vorhandenen) russischen Soldaten bitten. Dieses Ersuchen gibt es längst.

Dieses Szenario birgt zwei Nachteile. Russland wäre nicht mehr neutrale Partei wie bei Minsk II und verlöre darüber hinaus dieses politische Instrument. Das zweite Problem sind die Gebietsforderungen der Volksrepubliken, die den gesamten Donbas beanspruchen. Bislang beherrschen sie lediglich 1/3 des Gebietes. Die fehlenden Regionen müßten zunächst erobert werden. Dort lebt jedoch in den meisten Regionen eine ukrainische Mehrheit. Gerade in den ländlichen Regionen gibt es sowohl im Oblast Donezk als auch im Oblast Luhansk (blau=ukrainische Sprache, rot=russische Sprache vorherrschend) eine Bevölkerung, für die die Aussicht einer Zugehörigkeit zu den Volksrepubliken wenig verlockend ist.

Welche Lösung wird es vermutlich geben?

Russland kann unartig sein, wenn es sicher weiß, dass der Gegner gemäß dem Protokoll handeln wird.
Lilia Shevtsova, 15. Januar 2022

Zwei Szenarien ohne Krieg sind möglich.

Viele Ukrainer befürchten, die hektischen diplomatischen Bemühungen führen dazu, die Ukraine wird durch den Westen zu Zugeständnissen an Russland gezwungen. Der Westen will einen Krieg in Europa vermeiden. Man wird zudem North Stream 2 in Betrieb nehmen. Dafür wird Russland Sicherheitsgarantien geben, die sie weder im gemeinsamen Nutzungsvertrag für das Azovsche Meer, noch beim Budapester Abkommen eingehalten hat. Putin wird weiterhin sein Spiel mit der Ukraine spielen und die Wirtschaft des Westens erfreut sich weiterhin an guten Geschäften mit Russland, die besonders für Vorstände lukrativ sind. Der Westen wird erzählen, der Frieden sei gerettet. Einen solchen Kompromiss wird Zelenskyj als Präsident nicht überleben. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, die ukrainische Bevölkerung

Über drei Modelle wird diskutiert. Eines ist Neutralität für die Ukraine, aber realistischerweise ist das, unter russischem Druck erzwungen, keine Option. Theoretisch wäre es eine – mit entsprechenden Sicherheitsgarantien. Österreich ist ein Beispiel. Ein anderes sind verschiedene Formen von Moratorien, die man Kiew auferlegt. Ich bin allerdings skeptisch, dass das für die USA oder die Ukraine akzeptabel ist. Ein drittes Modell ist der «Zwei-plus-Vier-Vertrag» von 1990 anlässlich der Wiedervereinigung Deutschlands. Das Land war Nato-Mitglied, garantierte aber, dass in der ehemaligen DDR keine Infrastruktur und keine fremden Truppen des Bündnisses stationiert würden. Das gilt bis heute. Übertragen auf die Ukraine und verbunden mit regionalen Rüstungskontrollmassnahmen könnte das den russischen Sicherheitsbedenken Rechnung tragen. Diese haben eine gewisse Legitimität und sollte man ernst nehmen.
Thomas Greminger, Schweizer Diplomat, 14. Februar 2022

Ebenso denkbar ist es, eine diplomatisch harte Haltung gegenüber Russland führt zum Erfolg. Macron erklärte, Moskau müsse mit einer "robusten, koordinierten und einheitlichen Antwort“ rechnen. Putin mag zwar auf dem ersten Blick der Regisseur des Drehbuches sein, jedoch steckt er in einer Zwickmühle. Er hat den Rückzug seiner Truppen mit Maximalforderungen verbunden, die der Westen unmöglich erfüllen kann. Beim Pokern spricht man davon, er habe sein Blatt überreizt und könnte innenpolitisch als Verlierer dastehen. Durch das offene Benennen des Aufmarsches russischer Truppen hat der Westen Putin des Überraschungsmoments beraubt, den er sowohl bei der Annexion der Krym, als auch beim beginnenden Krieg im Donbas noch zu nutzen verstand. Viele westliche Staaten versorgen die Ukraine mit Waffen. Die Ukraine selbst gibt sich entschlossen, das Land zu verteidigen. Es wird signalisiert, keine Lösung der Russland-Ukraine-Krise wird Bestand haben, die die Souveränitätsrechte der Ukraine beeinträchtigen wird.

Der Verlauf des Besuches von Bundeskanzlers Olaf Scholz in Moskau zeigt, auch Deutschland entschließt sich zu einer deutlichen Sprache. Den absurden Vorwurf Putins über einen angeblichen Genozid beantwortete er lediglich mit einer eindeutigen Geste. Zum Streitpunkt Zulassung eines TV Senders RT antwortete er, alle Anträge würden rechtsstaatlich bearbeitet, auch jene die noch gar nicht gestellt wurden. Die Anmerkung Putins, der ehemalige Bundeskanzler Schröder arbeite im deutschen Interesse für Gazprom, entgegnete Scholz mit dem Hinweis, diese "Privatperson" spreche nicht für Deutschland. Die Interpretation sei erlaubt, Olaf Scholz wurde durch Putin mit der Propaganda der russischen Staatsmedien konfrontiert und antwortete staatsmännisch.

Schließlich ist die Demonstration von Stärke durch die Schaffung des "Feindes vor den Toren" die Anerkennung des Fehlens anderer Ressourcen und die Kehrseite der Schwäche.
Lilia Shevtsova, 15. Januar 2022

Die Ankündigung eines Teilabzugs russischer Truppen deutet darauf hin, es kommt trotz dieser deutlichen Haltung des Westens vielleicht nicht zum befürchteten Krieg. Es sieht so aus, der Westen hat nach Jahren eine Antwort auf Putins Taktik gefunden, ohne dabei mit dem Äußersten zu drohen. Die Forderungen Putins bleiben unbeantwortet, die diplomatische Suche nach Kompromissformeln, um den Frieden zu erhalten, ziehen nicht mehr. Das Schachspiel mit einer Taube, die die Schachfiguren umwirft, wurde diesmal nicht gespielt. Neue Abkommen erhält Putin nicht. Jetzt muß er entscheiden, ob er Krieg will oder nicht. Den er zwar kurzfristig militärisch gewinnen kann, der ihm aber die meisten diplomatischen Optionen beraubt und der die finanziellen Möglichkeiten Russlands übersteigt.

Damit sind zwar die offenen Fragen nicht geklärt, aber der Ukraine gibt es die Möglichkeit, sich in der Zukunft aus freien Stücken zu entscheiden, ob es doch die NATO-Mitgliedschaft anstreben will oder vielleicht doch einen neutralen Status behalten kann, ohne dabei ein Spielball Moskauer Interessen zu werden. Acht Jahre zu spät, aber es könnte für die Ukraine dennoch eine gute Chance auf eine eigenständige Entwickung bedeuten.

Bisherige Artikel über den Krieg zwischen Russland und der Ukraine

Historische Einheit von Russen und Ukrainern? (6. September 2021)
Wollen die Russen Krieg? (12. April 2021)
Krieg der Spezialeinheit "Sie sind nicht da" (13. April 2020)
Folter in der Volksrepublik Donezk & Luhansk (16. März 2020)
Gefangenenaustausch Ukraine und Russland (31. Dezember 2019)

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