„Dieser Garten“ von Mely Kiyak: Wie aus Kompost Humus wird

Pionierinnen Mely Kiyak wollte das Gärtnern bei Nonnen in Fulda lernen. Aus einem Praktikum wurde eine langjährige tiefe Beziehung. „Dieser Garten“ erzählt von jenen Frauen, deren Zähigkeit und Selbstvertrauen ansteckend sind
Ausgabe 12/2024
Fulda: Der Klostergarten der Benediktinerinnenabtei zur Heiligen Maria
Fulda: Der Klostergarten der Benediktinerinnenabtei zur Heiligen Maria

Foto: picture alliance/dpa/Andreas Arnold

Es ist so leicht, sich in diesem Buch zu verlieren. Irgendwo zwischen dem Klostergarten, den Werkstätten oder gleich auf einem der unzähligen Abenteuer der Nonnen aus Fulda. Wer hätte gedacht, dass es so viel Witz und Durchsetzungswillen erfordert, einen Klostergarten anzulegen und diesen erfolgreich zu bewirtschaften. Am Ende der Lektüre von Dieser Garten, die einen immer wieder vergessen lässt, dass es sich um ein Sachbuch und nicht um einen Abenteuerroman handelt, steht deshalb auch wirkliches Bedauern darüber, dass das Buch nur 160 Seiten lang ist. Denn Mely Kiyaks Erzählung über die benediktinische Klostergemeinschaft ist einfach nur schön.

Obwohl der Klostergarten, um den es geht, keineswegs in einer heilen Welt angefangen hat, erzählt Kiyak dessen Geschichte mit unvergleichlicher Leichtigkeit. Der Witz, der sich durchzieht, kommt nicht von ungefähr, denn die Geschichten der Nonnen sind, dafür dass es sich um tatsächliche Ereignisse handelt, voller Absurditäten.

Kiyaks Erzählung beginnt im Zweiten Weltkrieg, der auch vor den Benediktinerinnen nicht Halt machte. Immer wieder droht die Gefahr, dass die Nonnen ihr Kloster abtreten müssen, um dort Truppen zu beherbergen oder ein Lazarett einzurichten. Aber weil die Nonnen nicht einfach klein beigeben, sondern unglaublich pfiffige Frauen sind, den Heldinnen der Abenteuerbücher der schönsten Kindertage nicht unähnlich, schaffen sie es, jedwedes Unheil irgendwie abzuwenden und ihr Kloster sicher in die Zukunft zu führen. Nicht nur schaffen sie es, ihr Kloster durch den Krieg selbst weiterzuführen, in der Not der Nachkriegsjahre verwandeln sie es in ein erfolgreiches Labor für ökologischen Landbau, das bis heute Bestand hat und nicht wenige Besucher:innen anzieht.

Obwohl vieles, was die Nonnen geschaffen haben, aus der Not entstand, klingen ihre Experimente nach unschuldigen Spielereien, denen eine persönliche Leidenschaft beiwohnt. Vielleicht tut es genau deshalb so gut, darüber zu lesen. Die Zuversicht, mit der die Schwestern sich in ihre Ideen stürzen, ist ansteckend. Schwester Laurentia ist es, die 1948 nach einer englischen Rezeptur ein Pulver herstellt, das innerhalb weniger Wochen aus Kompost nährstoffreichen Humus macht und damit den Erfolg des Klostergartens begründet.

Aus heutiger Sicht und so, wie es sich in Kiyaks Erzählung liest, wirkt ihre Begeisterung über die Entdeckung, die ihre Übersetzung der Rezeptur mit Flüchtigkeitsfehlern durchzieht, absurd. Dabei war sie absolut gerechtfertigt: Ein Pulver, das, billig hergestellt, zuverlässig und schnell nahrhaften Boden herstellt, um damit Lebensmittel zu ziehen, könnte die Versorgung des Klosters sichern. Effektiver als mit diesen Geschichten über eine Gruppe von Nonnen, lässt sich eine kurze Pause von den ständigen Krisennachrichten dieser Zeit nicht gestalten. Und egal wie leicht und abenteuerlustig die Erzählung wird, die tatsächlichen Anstrengungen werden nicht ausgespart. Harte körperliche Arbeit auf den Feldern, bevor es Maschinen oder überhaupt ein Zugpferd gab, stundenlanges Mörsern, um die Rezeptur für das Kompostpulver nicht zu ruinieren, und immer wieder der Kampf, die eigenen Produkte zu verkaufen. Nie aber wirken diese Schwierigkeiten überwältigend. Die Nonnen sind zäh und so voller Selbstvertrauen, dass einem der Mund beim Lesen droht aufzuklappen. Am Ende ihrer Anstrengungen stehen ein Garten, um den herum sich der Alltag des Klosters dreht und der sie überdauern wird, ein Likörgeschäft und eine sichere Versorgung der Gemeinschaft.

Humorvolle Nonnen

Beinahe genauso absurd wie manche der Ideen sind die Eigenarten der Schwestern. Chef-Gärtnerin Schwester Laurentia, die voller Begeisterung für die Gartenarbeit und die Herstellung des Humofix-Pulvers war, hat nie auch nur einen kleinen Finger in die Erde gesteckt. Sie blieb Gärtnerin in der Theorie, praktisch lag ihre Arbeit nur im Anweisungengeben. Auch der Humor der Schwestern ist ein eigener und hat nicht selten mit den Entbehrlichkeiten der Nachkriegszeit zu tun. Die Autorin selbst scheint immer wieder erstaunt über den Witz, der im Kloster allgegenwärtig ist.

Kiyak kennt die Nonnen und das Kloster gut. Das letzte Kapitel ist ihrer Beziehung zu den Nonnen aus Fulda und dem Garten gewidmet. Genau wie viele der Schwestern, über deren Leben und Schaffen sie schreibt, hat auch Mely Kiyak eines Tages an der Klostertür geklopft, um das Gärtnern zu erlernen. Aus den zwei Wochen Praktikum wurde eine über Jahre währende Beziehung zu der Klostergemeinschaft. Ein Bild zeigt die Autorin neben Schwester Christa, beide mit schräg sitzenden Hüten und Schürzen für die Gartenarbeit. Kiyak schreibt von ihrer Dankbarkeit dafür, wie warmherzig und offen sie von den Benediktinerinnen aufgenommen wurde. Dass Kiyak Deutsch-Kurdin und Alevitin ist, hat die Schwestern nie gestört. Wie sie im Buch dargestellt sind, wären sie von selbst vermutlich auch nicht auf die Idee gekommen, dass es außerhalb ihres Gartens tatsächlich Menschen geben könnte, die dazu Fragen hätten.

Für Kiyak ist das Kloster ein sicherer Rückzugsort geworden. Beim Lesen entsteht ein warmes Gefühl von Geborgenheit. Die Lektüre ist kleine Pause von der aufgeheizten Welt da draußen, sei es in einem Garten oder zwischen zwei Buchdeckeln.

Dieser Garten Mely Kiyak mikrotext 2024, 160 S., 24 €

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Alina Saha

Redakteurin „Online“

Alina Saha hat in Berlin und Tokio Vergleichende Literaturwissenschaften und Japanstudien studiert. 2019 kam sie als Hospitantin zum Freitag, blieb zunächst als freie Autorin und ist seit Ende 2021 Teil der Online-Redaktion. Ihre Themen sind die Klimakrise, mit Schwerpunkt auf Klimabewegungen, sowie Gesellschaft und Politik Ostasiens.

Alina Saha

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden