US-Leichtathletinnen: Im knappen Trikot zu Olympia

Kolumne Nikes Designs für das US-Leichtathletinnen-Team sind viel zu knapp geschnitten, um darin Spitzensport zu performen. Viel zu häufig ist die einzige Funktion von Kleidung für Frauen, die Trägerin zu sexualisieren
Ausgabe 17/2024
Wenn das Outfit die sensiblen Regionen bedeckt, kann Frau auch mit Selbstbewusstsein bei Olympia antreten
Wenn das Outfit die sensiblen Regionen bedeckt, kann Frau auch mit Selbstbewusstsein bei Olympia antreten

Foto: Emmanuel Dunand/AFP/Getty Images

Die Form richtet sich nach der Funktion, „Form follows function“. Das ist die grundlegende Regel von Design. Egal, wie extravagant oder künstlerisch man sein möchte, wenn durch das Design eines Objekts dessen Funktion behindert wird, ist das Design schlecht.

Wer sich die Entwürfe der Outfits für das US-Leichtathletik-Team bei den kommenden Olympischen Spielen in Paris ansieht, kann nur zu dem Schluss kommen, dass Nike hier in der Form nicht der Funktion gefolgt ist.

Das Design für die Männer sieht noch aus, wie so ein Leichtathletik-Set aussehen sollte: oben ein ärmelloses Top in knalligem Rot mit blau-weißen Sprenkeln, untenrum eng anliegende Shorts aus geripptem, blauem Material. So weit, so 80er.

Auch die Frauenversion scheint aus den Tiefen der bunt-knalligen Vergangenheit zu kommen: schmal gestreift und rosa leuchtend. Nicht nur die Farben sehen nach den 1980ern aus, sondern auch der Schnitt des Badeanzugs, der sich als Läuferinnen-Outfit tarnt.

Den weiblichen Körper entblößen

Ein sehr hoher Ausschnitt entblößt die knapp geschnittene Bikinizone. Dieses Outfit sollte, entsprechend unseren Höflichkeitsvorstellungen, was Körperbehaarung betrifft, nur nach einem gründlichen „Brazilian Waxing“ bei der Kosmetikerin Ihres Vertrauens getragen werden. Außerdem sieht der Stoff alles andere als rutschfest aus. Jede Frau, die schon einmal Unterwäsche getragen hat, die ein etwas schmaleres Design hatte, weiß, wo sich der Stoff nach spätestens fünf Minuten eingeklemmt hat.

Eingebetteter Medieninhalt

Keine Frau, die ich kenne, würde einen so geschnittenen Badeanzug entspannt am Strand tragen. Und da liegt frau herum oder steht bis zur Hüfte im Wasser. Chancen auf einen „pubes flash“, die ungewollte Enthüllung von Schamhaar, sind also gering.

Aber darin Sport machen? In einem Outfit, das die vulnerabelsten und schambehaftetsten Körperregionen von Frauen vor der Weltöffentlichkeit zur Schau stellt? Bei den Olympischen Spielen geht es um Spitzensport. Und um die Läuferinnen, die ihr Leben lang darauf hingearbeitet haben, bei diesem Turnier eine Bestleistung hinzulegen.

Wie soll das für die US-Amerikanerinnen möglich sein, wenn ein Teil ihres Gehirns damit beschäftigt ist, möglichst weder Schamhaare noch Schamlippen oder ihre Vulva zu präsentieren?

Sexismus im Design

Dass sich die Form der Funktion verweigert, ist bei Frauenkleidung nicht untypisch. Beispiel Hosentaschen: Jeans für Frauen haben selten Taschen, in denen ein Handy, ein Schlüssel, geschweige denn ein Geldbeutel verschwinden könnte. Das Argument, das mir ein Verkäufer gab, als ich 17 war, weil ich mich über die fehlenden Taschen beschwert hatte: „Aber dann beult deine Hüfte aus, und du siehst nicht mehr gut aus.“ Vermutlich haben Frauenjacken deshalb auch so gut wie nie Brustinnentaschen, das würde unsere Brüste ja unförmig machen.

Wer dabei die Design-Formel umdreht und fragt, was die Form des Designs über die Funktion des Produkts erzählt, erkennt: Männer brauchen Raum in ihren Hosen und Jacken für die wichtigen Dinge im Leben. Frauen hingegen sollen schön anzusehen sein. Kleidung soll sie zur Schau stellen und nicht funktional von ihnen benutzt werden.

Für den Hersteller Nike scheint der gleiche Gedanke selbst für Spitzensportlerinnen zu gelten. Erste und wichtigste Funktion: die Trägerin vor dem männlichen Blick attraktiv zur Schau stellen. Zweite, nachrangige Funktion: die sportliche Leistung.

Super Safe Space

Alina Saha ist Online-Redakteurin des Freitag. Neben Umwelttthemen schreibt sie abwechselnd mit Dorian Baganz, Özge İnan, Elsa Koester und Tadzio Müller die Kolumne „Super Safe Space“.

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Geschrieben von

Alina Saha

Redakteurin „Online“

Alina Saha hat in Berlin und Tokio Vergleichende Literaturwissenschaften und Japanstudien studiert. 2019 kam sie als Hospitantin zum Freitag, blieb zunächst als freie Autorin und ist seit Ende 2021 Teil der Online-Redaktion. Ihre Themen sind die Klimakrise, mit Schwerpunkt auf Klimabewegungen, sowie Gesellschaft und Politik Ostasiens.

Alina Saha

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