Sind die goldenen Podcast-Jahre vorbei?

Podcasttagebuch Lange sprachen alle vom Podcast-Boom – und jetzt: Alles nur ein Hype? Benjamin Knödler ist leidenschaftlicher Podcast-Hörer und schreibt für uns über all die guten und nicht so guten Hörstücke. Ihn irritiert die Katerstimmung in der Branche
Ausgabe 17/2024
Auf die Ohren: Sind die goldenen Jahre des Podcastens vorbei?
Auf die Ohren: Sind die goldenen Jahre des Podcastens vorbei?

Foto: Insung Yoon

Ich sag es ganz ehrlich: Über Podcasts zu schreiben, ist eine angenehme Beschäftigung. Es gibt spannende Formate zu entdecken, manchmal treibt die Podcast-Welt kuriose Blüten – man denke an die Anfänge der von den Hosts selbst eingesprochenen Werbeclips –, und mitunter gibt es echte Aufreger um gesellschaftliche Fragen. Und dann dieses schöne Gefühl, auf eine Szene und Branche zu blicken, der es gut geht. Sogar von Hype war oft die Rede, vom Podcast-Boom – auf jeden Fall waren es rosige Jahre.

Aufmerksame Leser:innen werden das unheilvolle Präteritum bemerkt haben. Denn seit einiger Zeit erzählt man sich andere Geschichten aus der Podcast-Welt. Angefangen hat es in den USA. Dort also, wo der jüngste Boom begann – und unlängst die Katerstimmung. Schon vergangenes Jahr wurde dort über den „Tod“ der Podcasts diskutiert. Seitdem ist die Stimmung bescheiden, vorsichtig ausgedrückt.

Die großen Investor:innen stecken ihr Kapital nicht mehr so ohne Weiteres in Podcasts; die Werbegelder sind zwar noch da, bei den Einzelnen kommt mitunter aber weniger an. Und so hagelte es Hiobsbotschaften aus den USA: von Entlassungen, geschlossenen Podcast-Produktionsfirmen und eingestellten Formaten. Mitte April kündigte der Branchen-Newsletter Hot Pod an, er werde pausieren, weil die zentrale Autorin dahinter aufhört. Sie sagt, die Podcasts seien am Ende einer Ära angelangt. Wieder so ein Abschied.

Die Unsicherheit ist auch in Deutschland angelangt. Neulich war ich bei „All Ears“, dem Podcast-Summit von Spotify. Das Event hat den Anspruch, eine Art Branchentreffen zu sein. Zumindest für diejenigen, die für einen Konferenztag 299 Euro bezahlen wollen – was sich dann doch eher an die Industrie und weniger an die klassische Independent-Szene richten dürfte. Während vor drei Jahren eine vor Selbstbewusstsein strotzende, irgendwie aufgeregte Stimmung herrschte, war das in diesem Jahr etwas anders. Da waren immer noch Begeisterung und Freude am Medium. Aber auch dort ging es um Entlassungen, zurückgezogene Aufträge und die Frage, wie die Zukunft aussehen könnte. Neben der Diskussion über das neue große Ding im Podcast-Bereich waren auch aufmunternde Pep-Talks zu hören, was in den Jahren zuvor nicht so nötig schien. Auch ein Zeichen. Der Journalist Dennis Horn hat es treffend als „Bedürfnis zur Selbstvergewisserung“ beschrieben: „Die Audiobranche ist im Umbruch, und die Diskussion über Marktmechaniken und Idealismus kommt mir bekannt vor.“

Sind die goldenen Jahre des Podcastens also schon wieder vorbei? In einer von möglichst lauten Schlagzeilen geprägten Medienwelt wird die Lage allzu gerne so beschrieben. Doch es gibt Hoffnung, dass es ganz so schlimm nicht kommen wird. Der Journalist Sandro Schroeder, ein genauer Beobachter der Podcast-Welt, sieht eher das Ende eines „überhitzten Hype-Zyklus“. In Deutschland dürfte dieses Ende weniger drastisch ausfallen, weil hierzulande zuvor nicht die gleiche Goldgräberstimmung wie in den USA geherrscht hat. Langsames Wachstum kann seine Vorteile haben.

Hoffnung äußerte auch die Podcast-Produzentin Maria Lorenz-Bokelberg bei ihrem „All Ears“-Vortrag: Die Zahlen, so sagt sie, seien doch überhaupt nicht entmutigend. Zwischen 30 und 40 Millionen Podcast-Hörer:innen gebe es in Deutschland, und auch die Werbebudgets gebe es noch immer. Es klingt nach einer gesunden Mischung aus Trotz und Optimismus. Die Botschaft dahinter: Podcasts sind sehr wohl noch ein Ding, vielleicht nur nicht mehr für Goldgräber:innen. Sondern für jene, die in den vergangenen Jahren sehr viel Erfahrung dazu gesammelt haben, was gute Podcasts ausmachen kann, und die daran glauben, dass sie keine Randerscheinung, sondern Teil der Medienlandschaft sind.

Erwachsen werden. Das ist auch so eine Formulierung, die zum Status quo der Podcast-Landschaft in Deutschland immer wieder fällt. Und vielleicht trifft sie es ganz gut. Erwachsenwerden ist mitunter schmerzhaft, mit Abschieden verbunden und auch mit einem Verlust an Freiheit. Ich finde, man darf das durchaus betrauern. Die Erfahrung lehrt aber auch: Das Erwachsensein hat so einige Vorteile, zum Beispiel wachsende Erfahrung, mehr Gelassenheit und Selbstbewusstsein. Angewendet auf die Podcast-Landschaft, macht mir das durchaus Hoffnung.

Podcasttagebuch

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen. Als Product Owner Digital überlegt er, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts.

Jetzt schnell sein!

der Freitag digital im Probeabo - für kurze Zeit nur € 2 für 2 Monate!

Geschrieben von

Benjamin Knödler

Product Owner Digital, Redakteur

Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Neben seinem Studium arbeitete er als Chefredakteur der Studierendenzeitung UnAufgefordert, als freier Journalist, bei Correctiv und beim Freitag. Am Hegelplatz ist er schließlich geblieben, war dort Community- und Online-Redakteur. Inzwischen überlegt er sich als Product Owner Digital, was der Freitag braucht, um auch im Netz viele Leser:innen zu begeistern. Daneben schreibt er auch weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts. Er ist außerdem Co-Autor zweier Jugendbücher: Young Rebels (2020) und Whistleblower Rebels (2024) sind im Hanser Verlag erschienen.

Benjamin Knödler

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden