Lösungsansatz Weder die Ein- noch die Zwei-Staaten-Lösung versprechen einen Erfolg – anders eine Konföderation Israels und Palästinas. Sie würde die tiefe Verbindung jeder Nation, der jüdischen wie der palästinensischen, zum gesamten Land anerkennen
Mein Vater wurde 1948 in den letzten Tagen des ersten arabisch-israelischen Krieges schwer verwundet. Die Israelis bezeichnen diesen Konflikt als „Unabhängigkeitskrieg“, die Palästinenser auf Arabisch als „Nakba“ – die Katastrophe. Er zwang Hunderttausende zur Flucht ohne Wiederkehr. Die linke Körperseite meines Vaters wurde seinerzeit schwer in Mitleidenschaft gezogen, er verlor seinen linken Arm. Als ich ein kleiner Junge war, erzählte er mir oft von seinen Freunden, die im Kampf gefallen waren, und sagte, er träume von dem Tag, an dem es Frieden zwischen Israelis und Palästinensern geben würde, damit meine Generation keine Kriege mehr führen müsse. Doch 1990 während der ersten Intifada diente ich in einer Ka
;rde, damit meine Generation keine Kriege mehr führen müsse. Doch 1990 während der ersten Intifada diente ich in einer Kampfeinheit der israelischen Armee im Gazastreifen, wo wir Jahrzehnte später immer noch kämpfen. So viel zu den Träumen meines Vaters.Gegenwärtig werden wir mit Kommentaren über die Schuld an diesem Konflikt, mit voreingenommenen Analysen überschwemmt. Trotz maximalistischer Forderungen aus dem israelischen und palästinensischen Lager, die durch religiöse Überzeugung legitimiert und naturgemäß in Kriegszeiten verstärkt werden, steht fest: Keine Seite kann sich selbst deportieren und sich anderswo eine neue Heimatstatt schaffen. Was tragischerweise fehlt, ist eine ernsthafte Diskussion über eine Vision und Lösung, die für alle Seiten akzeptabel sein könnte. Bevor dies als naiv abgetan wird, sollten wir uns die Zeit nehmen, alles noch einmal zu überdenken.Das „Mähen des Grases“ im GazastreifenJahrzehntelang glaubte Israel, dass es über die militärische Macht und den Geheimdienst verfügt, um die Situation zu bewältigen. Die Palästinensische Autonomiebehörde in der Westbank wurde systematisch geschwächt, um jede Aussicht auf einen unabhängigen palästinensischen Staat zunichtezumachen. Man unterhielt zudem stillschweigende Übereinkünfte mit der Hamas, unterbrochen von regelmäßigen Kriegen und Scharmützeln, die von den Israelis „das Mähen des Grases“ im Gazastreifen genannt wurden. Dem lag ein fataler Irrtum zugrunde, wie der 7. Oktober 2023 endgültig offengelegt hat. Aufmerksamkeit fand zuweilen die Idee einer „Ein-Staaten-Lösung“, die von einem binationalen, säkularen Staat für Israelis und Palästinenser mit Jerusalem als Hauptstadt ausging. Das klang so verlockend, wie es utopisch war. Vielleicht wäre dieser Ausweg zumindest theoretisch möglich gewesen, wenn Israel als „Staat für die Juden“ und nicht als „jüdischer Staat“ gegründet worden wäre. So hatte sich zu viel Hass angestaut, gab es zu viele Traumata, um über eine gemeinsame Heimat beider Nationen nachzudenken.Blieb nur die „Zwei-Staaten-Lösung“. Jahrzehntelang galt die Vorstellung, dass jede Nation in einem eigenen Staat Grenze an Grenze mit der anderen lebt, als Goldstandard der Nahostdiplomatie. Ganz zu schweigen davon, dass es nie wirklich versucht wurde – erstens, weil sich niemand auf Grenzverläufe einigen konnte, und zweitens, weil keine Seite ihre Ambitionen auf das ganze Land durch eine unwiderrufliche Verpflichtung zu Frieden und Koexistenz aufgeben wollte. Ganz zu schweigen davon, dass auch Kompromisse in der Jerusalem-Frage ausblieben, stattdessen einer dem anderen die Schuld für das prompte Scheitern von Verhandlungen zuwies. Wer zu Zugeständnissen bereit war, wurde wie ein Verräter behandelt. Yitzhak Rabin, der ehemalige Premier Israels, fiel 1995 dem Attentat eines rechten jüdischen Eiferers zum Opfer, weil er mit dem Aushandeln der Oslo-Abkommen und einem Händedruck mit dem Palästinenserführer Jassir Arafat im Weißen Haus mutmaßlich einen unverzeihlichen Verrat begangen hatte.Eine Konföderation zweier unabhängiger StaatenDer einzige Fall, in dem tatsächlich eine Zwei-Staaten-Lösung mit einer harten Trennung zwischen Israelis und Palästinensern umgesetzt wurde, war der Gazastreifen nach der Auflösung jüdischer Siedlungen im Jahr 2005 und dem Rückzug der israelischen Streitkräfte. Stellen Sie sich nun eine ebenso harte Trennung zwischen Israel und dem Westjordanland vor, wo man mit einer zusammengebrochenen Wirtschaft, Massenarbeitslosigkeit und Armut zu rechnen hätte.Aber wenn alle diese Szenarien zum selben Albtraum führen, gibt es dann irgendetwas, das funktionieren, irgendetwas, das die Jahrzehnte des Tötens und der Verzweiflung beenden könnte? Dies gäbe es durchaus: Dieses Etwas würde in einer Konföderation zweier unabhängiger Staaten bestehen, die notwendige Elemente einer Zwei-Staaten-Lösung – die Trennung von Palästinensern und Israelis – mit den erstrebenswerten Bestandteilen einer Ein-Staaten-Lösung kombiniert, nämlich Arbeits-, Bewegungs- und Aufenthaltsfreiheit im gesamten Territorium, vorbehaltlich strenger Sicherheitsbestimmungen, dazu eine koordinierte Finanz- und Wirtschaftspolitik. Eine Konföderation ließe die tiefe Verbindung jeder Nation zum gesamten Land unberührt und würde deutlich machen, dass keine von beiden alles besitzen kann. Die Bürger jeder Nation würden nur in ihrem eigenen Staat wählen, sie könnten jedoch den anderen Staat besuchen, dort wohnen, arbeiten oder studieren.Es würde Zeit brauchen und vieler Zwischenschritte bedürfen, um diese Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen. Im Moment sind die Israelis durch das Massaker vom 7. Oktober zu traumatisiert, als dass sie über irgendeine Form der Koexistenz nachdenken könnten. Und die Palästinenser sind von der jahrzehntelangen Besatzung und dem Massaker in Gaza zu traumatisiert, als dass sie etwas anderes als Hass und Rache empfinden könnten. Aber wenn die Tragödie, die sich darin spiegelt, Anlass zur Hoffnung gibt, liegt sie in der zunehmenden Klarheit darüber, was es braucht, damit Palästinenser und Israelis nebeneinander und gemeinsam eine Zukunft haben.Eine Übergangszeit mit entmilitarisierter ZoneZunächst müsste es eine harte Trennung geben mit einer Grenze, die das Territorium beider Seiten abschließt – möglicherweise in einer Übergangszeit mit einer entmilitarisierten Zone dazwischen. Israelische Siedler, die gegenwärtig illegal in den besetzten palästinensischen Gebieten der Westbank leben, hätten die Wahl, mit großzügigen Wohn- und Umsiedlungspaketen nach Israel zurückzukehren oder Einwohner Palästinas zu werden und palästinensischem Recht zu unterliegen. Während jede Partei für die Sicherheit auf ihrem eigenen Terrain verantwortlich wäre, gäbe es zugleich eine Sicherheits- und Geheimdienstkooperation zwischen beiden Nationen. Es käme auf eine Praxis an, die in der Westbank zwischen den israelischen und palästinensischen Sicherheitsdiensten seit Jahren im Stillen überraschend gut funktioniert hat.Anders als sich das bis zum jetzigen Krieg im Gazastreifen darstellte, wäre diese harte Trennung jedoch an Maßnahmen zur Hilfe für die palästinensische Bevölkerung gebunden – nicht mit Geldkoffern, aus denen sich nur korrupte Führer bedienen, sondern durch Bildung, Beschäftigung, Investitionen und Handel. Arabische Staaten müssten dabei eine entscheidende Rolle übernehmen. Darüber hinaus sollte die Trennung nicht ewig dauern; es bräuchte klar definierte Kriterien, um zu entscheiden, wann die Bedingungen für eine integriertere Form des Zusammenlebens zwischen Palästinensern und Israelis vorhanden sind.Israelis und Palästinenser, die gemeinsam dem Spott trotzenWenn diejenigen, die an der Macht sind, nicht wie erwünscht zu regieren vermögen, sind ihre Anreize eher darauf ausgerichtet, den Konflikt zu eskalieren und fortzusetzen, statt ihn zu beenden. Unsere Unterstützung muss denen zugutekommen, von denen die Notwendigkeit eines lebenswerten, würdevollen und friedlichen Zusammenlebens für künftige Generationen verstanden wird. Wir sollten Organisationen unterstützen, die sich der Vision einer Konföderation verschreiben wie „Ein Land für alle“. In diesem Verbund arbeiten Palästinenser und Israelis bereits unermüdlich zusammen, auch wenn sie von den eigenen Gemeinschaften angegriffen, verspottet und ausgegrenzt werden.Schließlich sollten Länder mit Macht und Einfluss in der Region – die USA, Ägypten, Jordanien, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und europäische Nationen – ihre Voreingenommenheit und eigennützige Unterstützung für den einen oder anderen aufgeben und stattdessen eine Lösung fördern, die für Israelis und Palästinenser gleichermaßen akzeptabel ist. Hören Sie auf, Teil des Problems zu sein, und beginnen Sie, Teil der Lösung zu werden. Niemand wird alles haben, doch niemand wird nichts haben.
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