Unser Nahost-Konflikt

Gaza-Krieg Nie zuvor wurde hierzulande über den Nahost-Konflikt so kontrovers diskutiert. Nur eine Sache sollte dabei klar sein: Israel und Deutschland gehören eng zusammen
Ausgabe 32/2014

Man wird das wohl vor allem den älteren Zusehern an den Bildschirmen zu Hause erklären müssen: Seit vier Wochen tobt auch hier eine Art Gaza-Krieg. Das Fernsehen hat zu diesem deutschen Gaza-Krieg eher geschwiegen und stattdessen über die realen, grausamen Kämpfe und die viel zu vielen Opfer berichtet. Die Zeitungen haben darüber mehr geschrieben, aber vor allem haben sie zu ordnen versucht, was zuvor auf der Straße und im Internet angerichtet worden war. An diesen Orten nämlich fand die Schlacht über die Frage, wer Freund und wer Feind Israels, wer Freund und Feind der Juden ist, hauptsächlich statt. Denn, nein, das wird doch oft nicht so getrennt, wie man es eigentlich trennen müsste. Facebook und Twitter und alle möglichen Blogs jedenfalls waren und sind voll von Debatten und Stellungnahmen und Auseinandersetzungen um diesen Krieg.

Aber diese Nachricht hat eine gute und eine schlechte Seite: Man hat sich so unerbittlich gezeigt wie wohl nie zuvor in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nie zuvor wurde hierzulande so laut „Tod den Juden“ gebrüllt, aber auch nie zuvor wurde den Antisemiten so laut widersprochen. Als Günter Grass vor zwei Jahren sein „Was gesagt werden muss“-Gedicht in der Süddeutschen Zeitung publizierte, war das noch nicht so. Heute dagegen muss sich niemand mehr rechtfertigen, der feststellt, dass es Antisemitismus in den Köpfen von Christen und Muslimen hier wie eh und je gibt. Und das wurde von jüdischen und nichtjüdischen Intellektuellen und Publizisten gleichermaßen öffentlich thematisiert und verurteilt.

Auch die übrige Welt schaut wieder genauer hin, nicht nur nach Deutschland, sondern nach Europa insgesamt. Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek titelte in der vergangenen Woche gar: „Exodus. Why Europe’s Jews are fleeing once again“. Warum die europäischen Juden wieder fliehen. Auf dem Cover war eine junge Frau mit einem Koffer in der Hand zu sehen.

Da ist also etwas aufgebrochen und sichtbar geworden, da wird nun etwas benannt, mit dem es sich auch nach dem Ende des momentanen Kriegs weiter zu beschäftigen gilt. Denn das hat sich in den vergangenen vier Wochen ebenso gezeigt: Viele der zu Israel und Gaza geäußerten Meinungen wurden aus Unwissenheit gefällt; viele auch der gut gemeinten anti-antisemitischen Appelle kreisten um einen sterilen, ja, leeren Kern: Die meisten Deutschen wissen kaum etwas über Juden und jüdisches Leben; viele äußern sich im Alltag antisemitisch, ohne das wahrscheinlich zu wollen oder auch nur zu bemerken. Noch immer glauben viel zu viele der anderen, als Deutscher sei es das Beste, zu diesem Konflikt den Mund zu halten.

Aber Israel und Deutschland gehören eng zusammen, das kleine Land in der Levante teilt einige seiner wichtigsten geschichtlichen Daten mit uns und wir die tief prägende Erfahrung des Holocaust mit ihm. Israel wurde nur ein Jahr vor der Bundesrepublik und der DDR gegründet; alle drei Staaten sind (oder, im Falle der DDR, waren) Versuche, Antworten auf die großen Fragen des 20. Jahrhunderts zu finden. Nicht alle diese Antworten sind schon gefunden worden. Hier nicht, dort nicht. Die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts ist weiter offen und ragt in die Gegenwart. Ich glaube, es wäre viel geschafft, wenn wir uns diese Nähe mal eingestehen würden. Die Israelis wissen um sie, wir dagegen haben sie verdrängt. Wozu das führt, haben wir nun wieder gesehen. Das sollte endlich ein Ende haben.

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