E-Bike statt Kleinwagen: Ich bin elektrisiert!

Umsteigen Manche E-Bikes kosten mehr als ein Kleinwagen. Sind sie deshalb bloß Lifestyle-Produkte für Reiche? Nein, ganz im Gegenteil
Ausgabe 16/2024
Fahrt Fahrrad statt Auto!
Fahrt Fahrrad statt Auto!

Foto: Imago/Stefan Zeitz

Mühelos gleite ich über den Asphalt. Ich trete kurz in die Pedale und lasse mich dann wieder vom Motor des E-Bikes schieben: Ich bin elektrisiert. Hier auf der VELO, dem „Fahrrad-Festival“, das am Wochenende in Berlin stattfand, kann man von Mountainbikes über Rennräder bis hin zu Klapp- und Lastenrädern alles testen, was zwei Räder hat. Besonders hoch im Kurs stehen motorisierte Varianten. Kein Wunder, 2023 wurden in Deutschland erstmals mehr E-Bikes als klassische Fahrräder verkauft. E-Bikes versprechen ein Leben ohne Staus oder überfüllte U-Bahnen. Und das, ohne sich abstrampeln zu müssen. Dann kann die Mobilitätswende ja beginnen, oder?

Doch so leicht ist es leider nicht. Das entscheidende Wort lautet: Mobilitätsarmut. Blickt man auf die Fahrradstudie des Marktforschungsinstituts Sinus, die alle zwei Jahre erscheint, zeigt sich: Wer das Fahrrad als Verkehrsmittel meidet, tut es am häufigsten aus Gründen der Bequemlichkeit. Am zweithäufigsten aber wegen der Kosten. Für den ersten Grund sind E-Bikes eine Lösung, für den zweiten nicht. Denn die Nutzung von E-Bikes steigt mit dem Einkommen, am seltensten gibt es sie unter den finanziell schwächsten Bevölkerungsgruppen. Überraschend ist das nicht, denn die günstigsten Modelle kosten schon 1.000 Euro. Wer ein hochwertigeres will, muss eher 3.000 bis 10.000 Euro ausgeben.

Der Grund für die teils horrenden Preise liegt vor allem in der Knappheit einiger Rohstoffe, die nicht nur für E-Bikes, sondern auch für Elektroautos, Smartphones und viele andere Elektrogeräte gebraucht werden. Lithium, Cobalt, Mangan und Grafit spielen für die Energiewende eine entscheidende Rolle; weil verschiedene Industriezweige um Rohstoffe konkurrieren, werden sie teurer. So liegt der Grundpreis für die Lithium-Ionen-Batterien in E-Bikes je nach Qualität zwischen 500 und 1.000 Euro. Zudem wird der Preis durch Extras wie eingebauten Diebstahlschutz, GPS-Tracking, Bluetooth- und USB-Anschluss in die Höhe getrieben.

Wer kann sich das leisten?

Auf der VELO in Berlin tummeln sich an den E-Bike-Ständen vor allem wohlhabende ältere Paare, die den Komfort genießen wollen und dafür auch den nötigen finanziellen Rückenwind mitbringen. Die meisten, mit denen man hier spricht, wollen das E-Bike eher nicht als Ersatz fürs Auto nutzen, sondern als kleinen Luxus, um beispielsweise längere Fahrradtouren unternehmen zu können.

Aber auch junge Menschen zeigen Interesse. So sprechen die „Urban E-Bikes“, mit Namen wie „Stylischer Stadtfuchs“ oder „Innovativer Abenteurer“, neue Zielgruppen an. Ohne ins Schwitzen zu kommen, wolle man von Termin zu Termin radeln, berichten junge Interessierte. Das Rad ist längst nicht mehr nur Verkehrsmittel, sondern Lifestyleprodukt und Statussymbol.

Doch in der Popularität der E-Bikes steckt trotzdem großes Potenzial. Im Gegensatz zum Rad ohne Motor können E-Bikes nämlich nicht nur in Großstädten eine echte Alternative zum Auto bieten. So sagt Arne Behrensen vom Verein Zukunft Fahrrad: „Oft sind Alltagswege auch im ländlichen Raum nicht länger als zehn Kilometer. Dank E-Bike und E-Lastenrad können viele Menschen solche und auch längere Strecken komfortabel mit dem Fahrrad fahren.“

Doch leider wird – bei aller berechtigten Kritik an überteuerten E-Bikes – die Debatte hierzulande recht populistisch geführt. Häufig hört man, E-Bikes und Lastenräder nähmen zu viel Platz weg. Dass ein Großteil der Fläche unserer Innenstädte von fahrenden und parkenden Pkw eingenommen wird, bleibt meist unerwähnt.

Statt das E-Bike als reines Luxusprodukt abzukanzeln, wäre es sinnvoll, sozial gerechte Zugangsmöglichkeiten zu schaffen. Instrumente dafür gibt es schon, den politischen Willen zur Umsetzung bisher kaum. Stärkere Investitionen in öffentliche Verleihsysteme, Bike-Sharing und Leasingangebote seien umsetzbare Möglichkeiten, sagt Lastenrad-Experte Behrensen. Auch soziale Staffelungen von Kaufprämien für E-Bikes werden in einigen Städten schon getestet. Zusätzlich dazu bräuchte es eine Infrastruktur von Selbsthilfewerkstätten, die günstige Reparaturen ermöglichen.

Wenn die ökologisch-soziale Mobilitätswende gelingen soll, muss Mobilität mit dem Fahrrad für alle erschwinglich sein. Es muss nicht gleich der „stylische Stadtfuchs“ mit integriertem LED-System für 5.000 Euro sein: Aber selbst er ist, wie alle E-Bikes, im Vergleich zu einem neuen Auto noch günstig. Vor allem, wenn die laufenden Kosten und die gesellschaftlichen Folgekosten einbezogen werden.

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