Joe Biden: Noch einmal vier Jahre im Weißen Haus sollten es schon sein

USA Der 80-jährige US-Präsident Joe Biden erweckt zusehends den Eindruck, es gebe in der Demokratischen Partei keine vernünftige Alternative zu seiner erneuten Kandidatur. Rivalen halten sich zurück
Ausgabe 07/2023
US-Präsident Joe Biden will zweite Amtszeit
US-Präsident Joe Biden will zweite Amtszeit

Foto: Chip Somodevilla/Getty Images

Joe Biden bewegt sich durch die Landschaft wie ein Präsident, der gern noch mal vier Jahre im Weißen Haus hätte. Der 80-jährige Amtsinhaber will offenbar den Eindruck erwecken, es gebe keine vernünftige Alternative. Potenzielle Rivalen, die im Gespräch sind, wie Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien, und Gretchen Whitmer, Gouverneurin von Michigan, halten sich zurück gegenüber dem Amtierenden aus der eigenen Partei. So viel Zeit bleibt allerdings nicht: Es sind knapp zwölf Monate bis zu den ersten Vorwahlen. Hinter vorgehaltener Hand wird gewarnt, Biden sei zu alt. Er ist ältester Präsident in der US-Geschichte.

Biden konterte die Alterssorge Anfang Februar mit einer für seine Verhältnisse dynamischen Ansprache zur Lage der Nation. Der Mittelschicht müsse es gut gehen, dann hätten die Armen eine Leiter nach oben, und die Reichen hätten ohnehin genug. Der Biden von 2023 zieht Register des Populismus und stiehlt trumpistischen Republikanern rhetorische Trumpfkarten. Der gefühlsmäßige Schwerpunkt lag bei „State of the Union“ auf „Buy American“ (Kauft amerikanisch). Allzu lange hätten die USA „Produkte importiert und Arbeitsplätze exportiert“. Das klang so, als hätte nicht auch Joe Biden mitgegeigt im Freihandelsorchester.

Ein Kommentar im konservativen National Review warnte, der neue Biden sei ein „beeindruckender Gegner“. Schließlich kommt er mit der (knappen) republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus bisher zurecht. Eher hat die Gegenseite mit Problemen zu kämpfen. Es ist unklar, wer Anführer sein soll im Kulturkampf gegen Transgender, Black Lives Matter und Abtreibung, bei Klagen über Wahlbetrug und Thesen über den Laptop von Präsidentensohn Hunter Biden mit angeblich belastenden Daten. Manche der republikanischen Geldgeber machen sich Sorgen, ob das reicht. Der New York Times ist ein Strategiepapier des finanzkräftigen Verbandes Americans For Prosperity in die Hände gefallen, in dem es heißt, man müsse ein „neues Kapitel“ schreiben und brauche einen entsprechenden Präsidentschaftskandidaten.

Nach gelungenen Abschüssen des chinesischen Ballons an der Atlantikküste und eines unbekannten Flugobjektes über Alaska, weiterer über Kanada und am Huron-See, hat Biden „Gefahren“ beseitigt. Und beim Eskalieren der Ukraine-Hilfe stößt er in den USA auf weniger Kritik als bei den Himmelsobjekten, auf die er zu zögernd reagiert habe. Die USA können sich diesen Krieg leisten, der ohne amerikanische Opfer dem Kontrahenten Russland zusetzt.

Zerbrechliches Gut

Der Weg zum Weißen Haus führt über Vorwahlen, also über die Stimmen eines relativ kleinen, politisch engagierten Bevölkerungsteils. Der erfahrene Biden versteht sich auf Taktik, wie man in den einzelnen Staaten die entscheidenden Stimmen bekommt. Bei den Vorwahlen 2020 schien Bernie Sanders mit seinen begeisterten Fans eine Zeit lang Chancen zu haben. Bei den ersten Durchgängen in Iowa, New Hampshire und Nevada lag er vorn.

Dann kam South Carolina, wo etwa 60 Prozent der demokratischen Vorwähler Afroamerikaner sind, viele eng verflochten mit schwarzen Kirchen, der traditionellen Bürgerrechtsbewegung und einer Demokratischen Partei, die vielen schwarzen Politikern zum Aufstieg verholfen hat, Bidens Leute eben. Er gewann haushoch. Es folgten Alabama und Arkansas mit ähnlichen Umständen. Sanders schlitterte ins Aus.

Auf Bidens Drängen hat seine Partei den Vorwahlkalender umgeschrieben. Die ersten Vorwahlen sind nun Anfang Februar 2024 in South Carolina. Vonseiten demokratischer Großspender ist wenig Kritik bekannt an Biden. Den Populismus nimmt man hin, offenbar in Erwartung, dass es nicht so schlimm kommt. Klassenkampf wäre etwas anderes. Doch Gesundheit ist auch für Politiker ein zerbrechliches Gut. Bei den Zwischenwahlen im November hat in Pennsylvania der Demokrat John Fetterman sensationell einen republikanischen Sitz erobert und den Demokraten im Senat die Mehrheit beschert. Dabei hatte Fetterman wenige Wochen vor der Wahl einen Schlaganfall erlitten. Jetzt wurde er wegen Komplikationen vorübergehend ins Krankenhaus eingeliefert. Beim Amtsantritt nach einer Wiederwahl wäre Biden 82 Jahre alt.

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