Ich bewundere Menschen, die Smalltalk können. Die ihre Ego-Zentriertheit verstecken können hinter interessiert klingenden Fragen an das Gegenüber. Die ganz einfach so Sätze sagen wie: „Was war die schönste Reise deines Lebens?“, „Was ist dein größter Traum?“, „Was ist für dich der Sinn des Lebens?“.
Die Gefragten fangen dann nämlich an, über ihr Leben nachzudenken, es durchzublättern wie ein Buch, in dem die Seiten sich schon etwas samtig anfühlen. Das mögen Menschen. Letztens haben wir auf einer Eröffnung mit einer Malerin gesprochen. Sie erzählte von ihrem Leben in Italien, wie schön es ist, dass Italiener das Leben so mögen. Ich sagte dann einen meiner wiederkehrenden Smalltalk-Sätze, wie sehr ich es liebe, dass Italiener ständig und immer über Essen reden. Und wie sie das tun. Die Malerin zeigte ihre Gemälde auf dem Handy. Das Gespräch stockte langsam ein wenig und meine Freundin sagte diesen Satz: „Wer ist dein Lieblingsmaler?“ Meine Freundin sagte ihn auf Englisch. Es konnten also alle Geschlechter gemeint sein. Und ich dachte: Mein lieber Scholli. Das ist aber eine Frage wie eine Abrissbirne!
Die Malerin parlierte zunächst ganz gekonnt. Es gebe ja so viele tolle Malerinnen. Etwas Passenderes konnte man nicht sagen und ich fühlte die Erleichterung ob ihrer Antwort meinem angestrengten Nachdenken weichen. Was würde ich sagen? Das war jetzt egal. Denn dann sagte die Künstlerin noch einen Satz. Rangeklebt an das „viele tolle Malerinnen“: „Aber am besten finde ich Yayoi Kusama.“ Kusama, Sie wissen, die Frau mit den Punkten, die erst von allen Museumsshops der Welt, dann von Louis Vuitton geschändet wurde. Das Gespräch war tot. Beendet. Ich guckte auf den Boden, meine Begleitung grinste breit, aber leer. Wir drehten uns um. Schnell aufs Klo. Schnell an die Bar. Ciao.
Dieser Abend hat mich gelehrt, dass es wirklich ratsam ist, auf die Frage nach dem Lieblingskünstler eine Antwort zu finden, die nicht dem größten und kommerziell ausgeschlachtetsten Namen entspricht. Es muss keine Frau sein, nein, man darf immer noch männliche Künstler gut finden. Mark Rothko bietet sich natürlich an, über den läuft gerade eine sehr gute Dokumentation auf Arte. Edvard Munch finden gerade alle toll, weil er in der Berlinischen Galerie hängt. Oder Adam Gordon wegen seines Umgangs mit Licht, der auf einem Bild in einer Gruppenausstellung im Berliner House zu sehen ist.
Und weil ich mich nicht entscheiden kann, würde ich dazu tendieren, unterschiedliche Namen zu nennen. Dieser Tage zum Beispiel würde ich Jana Euler sagen. Die Malerin, geboren 1982, wohl in Brüssel lebend, hat gerade eine Ausstellung in der Berliner Galerie Neu. Jana Euler malt Biergläser, Steckdosen, Kamele, Haie, Fliegen, Ed Sheeran. Das erste Mal begegnete sie mir in den Berliner Kunstwerken, mit einem großen Bild eines Handrührgeräts. Alles ganz nah dran. Alles groß. Als würde man zu ihrem Gemalten werden. Alles hat einen leichten Humor. Etwas Absurdes. Aber bei größtmöglicher Zurkenntnisnahme der Welt.
In der Galerie Neu hat sie für ihre Ausstellung Das Investment, die noch bis zum 2. Dezember läuft, eine Milchkuh gemalt. Eine Kaffeemaschine. Zwei Kaffeebohnen. Ganz groß, ganz fein strukturiert. Einfach zwei verdammte Kaffeebohnen. Im Großformat. So ein toller Quatsch. Es soll jedenfalls auch um die weltweite Ausbeutung durch Kaffeekonsum gehen. Fragen nach Handelswegen. Wie alles mit allem zusammenhängt, auch durch Kaffee, darüber lässt sich hier gut nachdenken.
Wenn mich jemand mal in einer Smalltalksituation fragt, was meine Lieblingsdroge sei, man weiß ja nie, dann habe ich also ganz sicher meine Antwort.
Es ist Kaffee. Von Jana Euler.
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