Kein Zaungast

Außenpolitik Wer glaubte, Heiko Maas würde ein blasser Außenminister, wird bereits eines besseren belehrt. Doch Paradigmenwechsel und Kontinuität sind eine Gratwanderung
Daran wird sich Heiko Maas gewöhnen müssen. Nur sechs Stunden nach Amtsantritt war er schon in Paris
Daran wird sich Heiko Maas gewöhnen müssen. Nur sechs Stunden nach Amtsantritt war er schon in Paris

Thomas Trutschel/Imago

Kaum irgendwo sonst kann man so gut beobachten, wie die schiere Existenz eines Staatsapparats die ideellen Differenzen zwischen Parteien und Personen abschleift, wie in einem Außenministerium. Das Gefüge erfahrener Diplomaten, internationale Verpflichtungen, historische Entwicklungslinien und vor allem objektive nationale Interessenlagen, sorgen in der Regel dafür, dass das außenpolitische Verhalten eines Staates nur bedingt von Regierungswechseln beeinflusst wird. Nichtsdestotrotz versucht jeder neue Außenminister, eigene Akzente zu setzen. Heiko Maas tritt ein sozialdemokratisches Erbe an, das sich nicht nur auf die Amtszeiten seiner Vorgänger Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier erstreckt, sondern eine historisch-ideelle Verpflichtung für Entspannung und Vermittlung ist – die jedoch zusehends in Widerspruch zur neuen Rolle Deutschlands in der Welt steht.

Manche deuteten die Ernennung Maas’ als endgültige Verschiebung der Außenpolitik ins Kanzleramt, was nicht nur eine Entwicklung der Merkel’schen Handhabe, sondern in der bundesdeutschen Verfassungskonstruktion und Geschichte angelegt ist. Doch kaum im Amt, belehrte er jene, die glaubten, er werde nicht mehr als ein Zaungast der deutschen Außenpolitik, eines besseren. Nur sechs Stunden nach seiner Vereidigung stieg er zum Antrittsbesuch in Paris aus dem Flieger. Dort ging er auf die Vorschläge Macrons zu Europa ein – und prompt schrieb die Welt: „Maas emanzipiert sich von Sigmar Gabriel“. Im Anschluss reist er nach Warschau. Die Symbolik ist klar: das Reich der Mitte bemüht sich um den Zusammenhalt Europas. Dass ihm an Seine und Weichsel sehr unterschiedliche Vorstellungen dessen, was Europa sein soll, begegnen werden, unterstreicht nur die Dringlichkeit dieser Aufgabe.

Härtere Gangart – gegen wen?

Nicht unbeachtet geblieben ist auch der Passus zu Israel in Maas’ Antrittsrede. Der Satz „Ich bin wegen Auschwitz in die Politik gegangen“ ersetzt natürlich keine solidarische Politik, aber er ist eine Ansage, die heißen soll: Jenseits politischer Lippenbekenntnisse zur Staatsräson, hat die Freundschaft mit Israel eine ganz persönliche Bedeutung für den Minister. Das könnte nach einer Reihe von Verstimmungen im deutsch-israelischen Verhältnis die dringend nötige Verbesserung der Beziehungen einläuten. Doch dafür müssten auf Worte Taten folgen: zum Beispiel die Verlegung der deutschen Botschaft nach Jerusalem.

Zusammen mit seiner Ankündigung einer härteren Gangart gegenüber Russland, ergibt sich ein erstaunliches Bild seiner Agenda. Sozialdemokraten hatten sich in der Vergangenheit ja eher durch einen Kuschelkurs gegenüber Moskau und sogenannte „Israelkritik“ hervorgetan. Seine Ankündigung, Deutschland werde mehr „Verantwortung“ übernehmen, passt indes in die Kontinuität des außenpolitischen Paradigmenwechsels, der mit Rot-Grün begann. Die Frage ist derweil, ob die härtere Gangart nur Russland betrifft – oder zum Beispiel auch die düsteren Machtblöcke Iran und Saudi-Arabien. Oder die Türkei, die in Afrîn immerhin völkerrechtswidrig Krieg führt und Kriegsverbrechen sozusagen als nationales Versprechen ankündigt.

Sicher ist indes, dass das Morden und Schlachten in der Welt nicht besser wird, wenn überall deutsche Waffen als Brennstoff dienen. Doch Waffenexporte fallen vor allem in die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums, das in CDU-Hand ist. Weshalb nicht davon auszugehen ist, dass Heiko Maas daran großartig etwas ändern wird. Gelingt es ihm, die Gratwanderung zwischen Wechsel und Kontinuität auch gegen Widerstände aus Kanzleramt und anderen Ministerien durchzusetzen, so wird das Außenministerium nicht das Ende seiner Karriere gewesen sein. Vorausgesetzt natürlich, die SPD existiert dann noch.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Leander F. Badura

Redakteur Kultur (Freier Mitarbeiter)

Leander F. Badura kam 2017 als Praktikant im Rahmen seines Studiums der Angewandten Politikwissenschaft in Freiburg und Aix-en-Provence zum Freitag, wo er bis 2019 blieb. Nach einem Studium der Lateinamerikastudien in Berlin und in den letzten Zügen des Studiums der Europäischen Literaturen übernahm er 2022 im Kultur-Ressort die Verantwortung für alle Themen rund ums Theater. Des Weiteren beschäftigt er sich mit Literatur, Theorie, Antisemitismus und Lateinamerika. Er schreibt außerdem regelmäßig für die Jungle World.

Leander F. Badura

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden