Nordkorea: Staatschef Kim Jong-un sagt eine Vereinigung mit dem Süden ab

Analyse Kann zusammenwachsen, was nicht zusammengehört? Bei Deutschlands Einheit war das eindeutig nicht so. Auch die Spannungen zwischen Pjöngjang und Soul sind derzeit recht heftig – Lutz Herden schaut auf Koreas Zwei-Staaten-Lösung
Ausgabe 04/2024
Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un und Südkoreas damaliger Präsident Moon Jae-in (r.) im April 2018 an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea in Panmunjom
Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un und Südkoreas damaliger Präsident Moon Jae-in (r.) im April 2018 an der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea in Panmunjom

Foto: Korea Summit Press Pool/Getty Images

Nordkoreas Führer Kim Jong- un hat vor dem Parlament in Pjöngjang einer Fusion mit der Republik im Süden eine ultimative Absage erteilt. Er hält künftig auch jede Annäherung für ausgeschlossen. Das ist nachvollziehbar. Zu sehr haben Jahrzehnte der Feindseligkeit – von wenigen Episoden der Fühlungnahme während der „Sonnenscheinpolitik“ im Jahr 2000 abgesehen – die beiden koreanischen Gesellschaften auseinanderdriften lassen. Kann zusammenwachsen, was nicht zusammengehört?

Deutschlands Einheit war in dieser Hinsicht so eindeutig nicht. Die auf der koreanischen Halbinsel gängige Spielart des Ost-West-Konflikts besteht in einem starken Süd-Nord-Gefälle. Eine Parität von Partnern, sollten sich Pjöngjang und Seoul je als solche betrachten, verheißt das nicht.

Donald Trumps Angebot überspielte den Systemgegensatz nur

Die Streichel- und Schmeicheleinheiten des US-Präsidenten Donald Trump haben den Systemgegensatz bei den Gipfeltreffen mit Kim Jong-un – 2018 in Singapur und 2019 in Hanoi – gekonnt überspielt. Nur ließ sich weder weglächeln noch wegtätscheln, dass Nordkoreas Staatschef einen Deal serviert bekam, der nicht eben seriös wirkte. Trumps Angebot, tausche deine jetzige Nuklear- gegen künftige Wirtschaftsmacht, lief auf Selbstentblößung hinaus. Der Lockruf blieb die Ansage schuldig: Selbstverständlich werden dann die Sanktionen kassiert. Und falls ihr wirklich abrüstet, übernehmen die USA wirksame Sicherheitsgarantien für Nordkoreas Existenz als Staat.

Joe Biden kam auf Trumps Nordkorea-Offerten nie zurück. Die systemische Rivalität mit China erwies sich als zu anspruchsvoll. Sie dürfte für Kim Jong-un nun ein Anstoß gewesen sein, sich klarer als bisher zu verorten und bei den alten Verbündeten China sowie Russland mehr Rückhalt zu finden.

Was er dabei womöglich opfert, ist nicht wenig. Die Dschutsche-Ideologie seines Großvaters, des Staatsgründers Kim Il-sung, propagierte die Souveränität des Nationalstaates bis hin zu Autarkie. Dafür sollte kein Preis zu hoch sein, und sei es eine weitgehende Autonomie von den Schutzmächtigen in Peking. Ohne diese Doktrin, die stets half, sich von Südkorea abzugrenzen, gäbe es kein Atomprogramm. An seinen Raketen festzuhalten, fällt Kim Jong-un umso leichter, je konfrontativer die Verhältnisse zwischen Korea und Korea ausfallen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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